Nov 12 2012

Hatten Sie auch ein selbstgenähtes Puppenkind?

Autor: . Abgelegt unter Alltag,Kultur,Literatur

Erinnern Sie sich auch noch an jene Zeiten, als es zu Weihnachten kein teures Spielzeug, sondern ein selbst genähtes Puppenkind gab? Kann man sich vorstellen, dass Kinder nur einen Wunsch haben: Die Mutter möge wieder gesund werden?

Jede Zeit hat ihren eigenen Kontext, der den Charakter von Stimmungen prägt. Diese zu überliefern zeigt den nachfolgenden Generationen auf, worauf sie wurzeln, woraus sich das Heutige entwickelt hat. Der Verlag Zeitgut arbeitet daran, das gesamte 20. Jahrhundert in Episoden oder längeren Rückblicken darzustellen. Mehr als 6.000 Manuskripte von etwa 3.350 Zeitzeugen konnten bereits gesichtet und teilweise aufgearbeitet werden. Zur Vervollständigung werden weitere episodenhafte Zeitzeugen-Texte gesucht.

Die Beiträge dürfen von guten und schlechten Zeiten erzählen, spannend, besinnlich oder heiter sein und von schriftstellerischen Laien stammen. Diese Alltagsbegebenheiten zeigen, dass Geschichte kein trockener Schulstoff sein muss. Bisher sind 25 Sammelbände mit mehr als 8.800 Seiten erhältlich. „Lebertran und Chewing Gum“ und „Unvergessene Weihnachten/Band 8“ zählen zu den jüngsten Veröffentlichungen.

Weitere Infos unter www.zeitgut.de.

In eigener Sache >> Die nächsten Kurse “kreativ schreiben” finden in Schorndorf (Start 9.2.13) und Aichwald (Start 2.3.13) statt.

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Okt 29 2012

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten …

Autor: . Abgelegt unter Alltag

 … dass ich so nachdenklich bin. Das Lied von der Loreley* ist mir zwar im Zug nicht eingefallen, aber die Melodie summe ich jetzt beim Tippen, damit die Widersprüchlichkeiten lieblicher werden. Es geht um Egoismus, Zivilcourage, Provokation. Diese Stichworte fallen mir als erstes zu folgender Szene ein:

Sonntagabend, viele Reisende auf dem Bahnsteig. Der Zug –  es ist ein „Doppeldecker“ – kommt zehn Minuten zu spät und scheint voll zu sein. Manche Fahrgäste ziehen es vor, gar nicht erst nach einem Sitzplatz zu suchen, sondern setzen sich auf die Treppe. Mit rücksichtsvollem Balancieren kann man über sie hinwegsteigen. Freude: auf dem oberen Deck sind vereinzelt noch Plätze frei. Doch gefühlte 85 Prozent davon sind mit Gepäckstücken belegt.

Die Eigentümer der Gepäckstücke nehmen die Fahrgäste nicht wahr, die durch die Reihen gehen, um sich an geeigneter Stelle niederzulassen (geschweige denn jene, die mit der Treppe vorlieb genommen haben). Man müsste sie schon direkt ansprechen, ob der Platz frei ist. Aber halt! Ist das nicht eine Farce? Du fragst, obwohl du siehst, dass der Platz von Rücksack oder Tasche besetzt ist. Kann man das wagen? Oder ist man angesichts dieser Situation gehalten, sich nach einem Platz ohne thronendes Gepäckstück umzusehen?

Die Fragen purzeln in dieser Situation nur so durcheinander:

Ist es so asozial, wie ich es empfinde, dass die Gepäckabsteller die Wahlfreiheit zwischen den wenigen Sitzplätzen willkürlich und unnötig einschränken, obwohl auf der Ablage über ihrem Kopf noch jede Menge Stauraum ist? Oder ist es normal, erst Platz zu schaffen, wenn man darauf angesprochen wird? Oder fühlt man sich provoziert, dass ausgerechnet jener Platz begehrt wird, auf dem die Tasche steht, wo doch anderswo sicherlich auch noch frei wäre? Ist es ein Risiko, indirekt die Räumung des Platzes mit der unschuldigen Floskel „Ist hier noch frei?“ zu verlangen (im Hinblick auf verbale Entgleisungen oder Schlimmeres)?

Ist es ein „Generationsproblem“ (“jugendlicher Leichtsinn”), sich unbekümmert so viel Platz zu nehmen, wie es gerade möglich ist? Wird erwartet, in die Schranken verwiesen zu werden, wenn dies der Gemeinschaft abträglich ist bzw. dies jemandem nicht passt? Heißt das, dass Selber-Denken und Umsichtig-Sein nicht freiwillig und aus innerer Haltung heraus geschieht, sondern nur aufgrund von Rückmeldungen oder Reklamationen?

Früher hätte ich gefragt, hätte etwas gesagt. Heute bin ich vorsichtig. Obwohl ich den Slogan „Nicht wegsehen“ vom Weißen Ring unterschreibe und unterstütze. Sie kennen das Symbol von dem Vogel namens Strauß, der den Kopf in den Sand steckt. Genau damit tut man niemandem einen Gefallen!

Bescheiden ziehe ich mich zurück auf einen Platz, auf dem es viel enger ist als gegenüber dem Pärchen, das harmlos aussieht und ein bisschen turtelt und die Bank gegenüber mit Gegenständen besetzt hält. Ein wenig nagt die Frage: Ist meine Vorsicht klug oder bin ich feige geworden? Denn wenn ich mein Ausweichen als Geste der Großzügigkeit empfinden würde, bräuchte ich weder grübeln, geschweige denn so viele Worte über die Angelegenheit verlieren. Es bleibt dabei: Ich weiß nicht was soll es bedeuten …

* Bei der Lorely heißt es freilich “… dass ich so trauaurig bin”. Traurig fühle ich mich aber nicht, sondern ratlos und – wenn ich es sehr kritisch nehme – unbeholfen.

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Sep 21 2012

Aus den Nähkästchen: Vom Blauflossenthunfisch über Wolf Schneider zu Wibke Bruhns

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Kultur

Zufällig stieß ich auf eine Enthüllung: die Wissenschaftsjournalistin Eva-Maria Schnurr verriet im Netz, dass sie für Ihren Artikel „Wie der Blauflossenthunfisch“ 16 Stunden lang arbeitete und dafür 125 Euro erhielt. Das Honorar erreichte also nicht einmal acht Euro/Stunde. Der Artikel befasste sich mit dem Aussterben des Qualitätsjournalismus. (24.10.2010 bit.ly/aGEdaN)

Dieses Dokument hob ich auf, während die Entlohnung in diesem Metier weiter fiel. Inzwischen wurden sogar Computerprogramme erfunden, die journalistische Meldungen erstellen, ohne dass je ein Mensch vor Ort etwas recherchiert hätte. Während dessen legen sich „Newcomer“ mit „Altvorderen“ an. So wurde die erweiterte Neuauflage vom „Handbuch des Journalismus“ wegen ihres Kapitels über Online-Journalismus stark kritisiert. Hier eine Nachlese: http://bit.ly/ABrpMS Was der Verfasser Wolf Schneider, 86, Journalistenausbilder und „Papst des lebendigen Deutschunterrichts“ dazu im Interview zum Besten gibt, finden Sie hier: http://bit.ly/xnZOys. Er sorgt sich insgesamt um den Journalismus – egal ob Print- oder Online-Medien.

Rückblenden sind oft erbaulich, frischen abgesunkenes Wissen auf und erfreuen mit Plaudereien aus dem Nähkästchen. Dies ist Wibke Bruhns, einst tv-Nachrichtensprecherin und  Stern-Korrespondentin in Jerusalem und in den USA, mit „Nachrichtenzeit. Meine unfertigen Erinnerungen“ gelungen. Eine spannende Lektüre: „Bei allem, was sie für berichtenswert hält, gibt Wibke Bruhns Orientierung und erfüllt damit die Lotsenfunktion, die Journalismus haben soll. Sehr erstaunt ist sie deshalb über ihre Erfahrungen bei Pressekonferenzen des US-Präsidenten. Die nennt sie ‘Darbietungen’, bei denen die Stühle den US-Medien gehörten, ausländische Journalisten mussten stehen und durften keine Fragen stellen.“ Die vollständige Rezension > http://bit.ly/OfRBpI

Noch eine Kostprobe daraus >> Ab 1984 ist Bruhns als Stern-Korrespondentin in den Vereinigten Staaten. Ein Jahr zuvor waren die Pershing-II-Raketen in Deutschland stationiert worden. Die Proteste gegen die nukleare Abschreckung verebbten hierzulande nicht. Was lag näher, als für den Stern zu recherchieren, wo das „Teufelszeug“ herkommt, wer die Waffen baut. Die Jahre in Israel – viele Religionen auf engstem Raum – im Hinterkopf, will Bruhn aber auch herausfinden, welche Glaubensgemeinschaften in den USA sich im „Besitz der Wahrheit“ wähnen und wie sie leben. Das spannende Kapitel beendet sie mit dem Hinweis, dass US-Politiker gerne ihr „inniges Verhältnis zu Gott als politische Waffe“ benutzen und hierbei der Begriff „Wahrheit“ anders aufgeladen ist als wir es kennen.

Sind wir nicht alle gespannt auf die Endphase des Präsidentschaftswahlkampfs in den USA?

Wibke Bruhns: Nachrichtenzeit. Meine unfertigen Erinnerungen.
Droemersche Verlagsanstalt, München 2012.
420 Seiten, 22,99 EUR.
ISBN-13: 9783426275627

 

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Aug 24 2012

Nicht um Schreib-Zeit feilschen!

Autor: . Abgelegt unter Alltag,Kultur

Schreiben – gibt es einen richtigen Zeitpunkt dafür? In jedem Seminar geloben die Teilnehmenden, sich künftig zielgerichteter mit ihren geplanten Geschichten zu beschäftigen, zweifeln aber gleichzeitig daran, sich die nötige Zeit dafür freischaufeln zu können. Streng genommen riecht das nach Disziplin, zu der man sich überwinden muss. Wie bei jenen, die eigentlich jeden Tag einen Spaziergang oder Waldlauf machen sollten, aber die Kurve nicht kriegen, obwohl sie Naturliebhaber sind und früher bei Wind und Wetter …

Lassen wir das! Sonst könnte man auch spekulieren, ob diese verhinderten AutorInnen wohl zu jener Spezies Mensch gehören, die sich das Beste immer für zuletzt aufheben. Wie zum Beispiel Tim, der erst Nudeln und Gemüse aß, bevor er sich sein Bratenstück einverleiben wollte. Weil er es aber an den Tellerrand geschoben hatte, um mit den Nudeln die Soße besser aufnehmen zu können, stieß plötzlich die Gabel seiner Schwester nach dem Fleisch. Die Schwester kurz und spitz: „Du magst das wohl nicht. In meinem Magen ist noch Platz dafür.“

Drastischer ist das Gleichnis von dem Seidenschal, den der Mann seiner Frau anlegt. Nie hatte sie ihn getragen, immer war die Gelegenheit nicht gut genug. So, wie sich die Geschichte entblättert, liegt ein feierlicher Ton in der Luft, der nichts Gutes verheißt. Und wirklich: wir erfahren, die Frau ist gestorben, der Schal soll sie auf ihrer letzten Reise begleiten. Wer würde in diesem Fall von „Aufschieberitis“ sprechen? Dieser Begriff trifft zu, wenn sich schmutziges Geschirr türmt und türmt, das Abspielen jedoch stets „auf morgen“ verschoben wird. Etwas „aufzuheben“ kann also auch mit Ehrfurcht, mit Überhöhung und mit Verlängerung der Vorfreude zu tun haben.

Schreiben – gibt es einen richtigen Zeitpunkt dafür? Ja, immer! Diese kurze Antwort ist sicher genauso falsch wie die ewige Nischen-Suche „wann passt’s nun wirklich?“. Der richtige Umgang mit sich selbst steckt in dem Vertagen der Schreiblaune genau so wie das richtige Prioritäten-Setzen. Beides ist Thema unzähliger Management-Bücher. Meine Empfehlung: Nehmen Sie Ihre Neigung ernst! Wenn Sie Bierdeckel oder Gartenzwerge sammeln, tun Sie das auch! Haben Sie schon mal von einem Handarbeitsgenie gehört, das schon ewig einen Pullover stricken will, aber den Anfang nicht wagt, weil das Risiko, anderen Beschäftigungen zu erliegen, zu hoch ist? Oder der Angler, nach dem sich sogar der familiäre Speiseplan richtet:  er stellt sich den Wecker und geht an den Fluss, wenn er Lust auf einen Fang und das dazugehörige Gefühl hat.

Das Managen des Schreibens ist eines der Themen von Richard Norden, Schriftsteller, dem er sich unter www.WritersWorkshop.de widmet. Er nennt dies „Ein Platz für Ihre Kreativität“. Interessierte können monatlich den Newsletter E-Zine lesen. Jüngst erschien das E-Book „Zeit zum Schreiben“ (8,90 €). Wenn auch seine MEHRZEIT-Methode etwas bemüht wirkt, so kann man doch insgesamt von der Aufarbeitung des Themas profitieren.

Wie gesagt: Unabdingbare Voraussetzung ist, das eigene Schreib-Talent ernst zu nehmen und das Kreativ-Sein von Sockel der Unerreichbarkeit zu holen. Dann wird auch die Gewissenserforschung nicht lästig: Was darf in meinem Alltag nicht zu kurz kommen und was ist ein Zeitfresser.

Wie schnell Sie allerdings bereit sind zum Abschied von der vagen Idee „was wäre wenn“, müssen Sie selbst bestimmen. Zur Unterstützung kommen immer wieder Schreib-Ratgeber auf den Markt. Der aktuelle von R. Norden hilft, Schreibenwollen nicht länger als „verbotenes Vergnügen“ hintanzustellen, sondern als normale Aufgabe anzugehen als wäre es der Bau eines Hauses, der Beginn einer Karriere oder der Start einer Reise. Zur Buchseite http://zeit-zum-schreiben.writersworkshop.de Man erhält das Buch als PDF, ePub und Mobi (Kindle). Damit kann man es am PC oder auf jedem beliebigen eBook-Reader oder Tablet-PC lesen.

In eigener Sache: Bücher rund ums Schreiben stelle ich in diesem Blog immer wieder vor. Weiter helfen aber auch Workshops oder Einzelcoaching. Meine nächsten Kurse finden Sie hier > http://url9.de/oYU. Infos über Schreibcoaching gibt’s hier > http://www.ccyd.de/schauer/memo/link02.php

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Aug 13 2012

Als das Schallarchiv noch gegrüßt wurde

Autor: . Abgelegt unter Alltag

Heute will ich eine Geschichte erzählen, die mir zu Ohren kam und zeigt, wie Erinnerungen nur so purzeln, wenn sich eine kleine „Initialzündung“ ereignet. Das könnte Sie beispielhaft inspirieren, wenn Sie Ihre Memoiren planen oder Ihre (Groß-) Eltern „über früher“ interviewen möchten.

Wie Erinnerungen purzeln

Eine Frau, kaum jenseits der 50, kam durch ihr Opernabonnement in den Genuss der „Fledermaus“. Aus der Operette von Johann Strauß, uraufgeführt 1874 in Wien, kamen ihr einige Melodien sehr bekannt vor. Die hatte sie schon als Kind gehört – während Mutter kochte und im Radio das 11-Uhr-Wunschkonzert lief.

„Vom Telefon zum Mikrofon“ hieß die Sendung. HörerInnen riefen an, die Moderatorin plauderte gut gelaunt mit jenen, die ihr durchgestellt wurden und erfüllte ihren Musikwunsch. „Glücklich ist, wer vergisst, waaaas doch nicht zu ändern ist …“ war ein Refrain, den die Menschen immer wieder hören wollten. Wie ging ihr das als Kind auf den Wecker! Immer diese ollen Kamellen, nie was Neues, Fetziges!

Musik weckt Stimmungen

Kontrast zu „Trinke, Liebchen, trinke schnell, trinken macht die Augen hell …“ – so der Titel der Arie um das launige Vergessen – war das ebenfalls viel zu oft verlangte Wolgalied „Es steht ein Soldat am Wolgastrand …“ aus der aus der Operette „Zarewitsch“ von Franz Lehár. Das ging ihr auf dem Heimweg vom Opernhaus durch den Kopf. Sie musste dringend nach dem traurigen Zarewitsch „googeln“! Dem Kind zog sich damals stets das Herz zusammen, wenn er flehentlich anstimmte: „Habt ihr da droben vergessen auf mich …“

Der Text wird – wie überraschend – komplett auf wikipedia zitiert > http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Zarewitsch Auf das Vorschulkind hatte er sehr wehmütig gewirkt und an den Krieg erinnert, von dem die Erwachsenen häufig grausame Dinge erzählten. Nun gewahrte sie, dass es nicht um Schlachten ging, sondern um eine unstandesgemäße Liebe – uraufgeführt 1927, also lange vor Beginn des 2. Weltkriegs.

Diese falsche Interpretation hätte womöglich in Axel Hackes Sammlung „Der weiße Neger Wumbaba“ gepasst. Damit hatte der Journalist „Verhörer“ in einem Büchlein veröffentlicht, als er augenzwinkernd feststellte, dass „kaum ein Mensch je einen Liedtext richtig“ verstehe. Der Titel bezieht sich auf die „der weiße Nebel wunderbar“ aus „Der Mond ist aufgegangen“, ein Abendlied von Matthias Claudius. Die Fantasie wird angeregt – egal, ob die Richtung mit dem übereinstimmt, was der Urheber aussagte oder nicht.

Gott sei Dank suchen Assoziationen unbestechlich ihre Bahn! Das hilft oft unverhofft, Geschehnisse oder Gefühle wieder zu entdecken, die nicht so ohne weiteres zugänglich sind wie – sagen wir mal – eine Hochzeit, von der es viele Fotos gibt. Gerade Musik hat sich als gute Türöffnerin für Atmosphärisches erwiesen, das unterschwellig einen bestimmten Zeitabschnitt prägte.

Rosemarie Eick und die “Grüße ans Schallarchiv”

Zurück an den Küchentisch! Das blasse Wachstuch sieht die Frau heute noch vor sich. Was hatte sie als Kind damals eigentlich damals gemacht, während die Mutter Gemüse schnitt und mit den Töpfen hantierte? Gemalt? Gebastelt? Dazu förderte die Erinnerung nichts zutage. Wohl aber zur Mutter, deren flotte Fingerfertigkeit und Erwartung, man möge ihr aufmerksam bei Kleinigkeiten zur Hand gehen. Die Kulisse war nicht nur von dem Feuer im Herd und einem dickbauchigen Schrank bestimmt (Einbauküchen waren damals erst im Kommen), sondern auch von dem kleinen Rundfunk-Empfänger auf dem Arzneischränkchen, das an der Wand neben der Tür aufgehängt war. Daraus kam – unvergessen – jene Stimme, die eine Art Wohlgefühl erzeugte, für die die in erster Linie angesprochenen Hausfrauen offenbar dankbar waren. Es rief jedenfalls nur alles heiligen Zeit mal ein Mann an, um einen Musikwunsch die äußern. Wen die Moderatorin nach kurzem Hin und Her wieder aus der Leitung verabschiedete, dachte meist an die Heinzelmännchen im Hintergrund, die Platten oder Bänder heraussuchten und zum Abspielen in die Technik brachten: „Schöne Grüße ans Schallarchiv!“

Doch wem gehörte die Stimme, die auch zur Kaffeestunde und in anderen Sendungen so angenehm klang? Es dauerte ein paar Klicks – und dann war auch dieses Rätsel gelöst. Die Besucherin der Fledermaus nahm sich vor, weiter über Rundfunkgeschichte zu recherchieren, denn plötzlich hatte sie viele „alte“ Stimmen im Ohr. Jene des Wunschkonzertes ist Rosemarie Eick zuzuordnen. Sie ist starb ein halbes Jahr vor dem Mauerfall. Eine ihrer Sendungen hieß übrigens „Damals und Heute“, und sie selbst hat „Mit Großmama auf dem Kanapee – Geschichten aus meiner Kindheit“ aufgeschrieben, erschienen 1990 im Quell Verlag. Ein reizendes Büchlein, dessen Lektüre dazu geeignet ist, weitere persönliche Erinnerungen anzustoßen.

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Jul 27 2012

Weltschmerz und Lebensfreude

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Alltag,Kultur

Manche achten fast ausschließlich auf ihre Figur oder den Straßenverkehr, andere widmen sich „foodwatch“ oder „abgeordnetenwatch“. Auf irgendwas muss man immer achten in dieser Republik, die es seit 19 Jahren (!) verschlafen hatte, Asylbewerbern ein Auskommen zu ermöglichen, das nicht die Bezeichnung „skandalös“ verdient. Immer öfter müssen Richter ein Machtwort sprechen, weil Politiker sich als nicht kompetent genug erweisen. Unlängst setzten sie sogar zentrale Bestimmungen des Wahlrechts außer Kraft.

Der Durchblick wird einem aber auch schwer gemacht: Verschleiern gehört heute zu den ausgefeiltesten Tugenden der tonangebenden Kaste. Wer schon 2008 wissen wollte, was die Feier zu Joseph Ackermanns 60. Geburtstag im Kanzleramt gekostet hat und wer sich dort labte, musste sich bis dieser Tage gedulden, obwohl es so schöne Portale wie www.FragdenStaat.de und das Informationsfreiheitsgesetz gibt. www.netzpolitik.org veröffentlicht nun die Gästeliste, die das Bundeskanzleramt nicht gern kommuniziert sehen will.

Das ist ein Beispiel, wie sich jemand holt und erstreitet, was er wissen will. Jeden Abend aber in den Fernsehnachrichten werden wir verwiesen aufs Internet, wo der jeweilige Sender noch mehr über ein Thema parat hält. Hier wird eine Bringschuld (eigentlich müsste der Gebührenzahler rundum von ARD und ZDF informiert werden) in eine Holschuld (wer mehr wissen will, muss im Internet aktiv werden) umgewandelt.

Aber Gegenwehr gegen die Vielzahl von Ungereimtheiten keimt auf. Und tatsächlich können Proteste übers Internet leicht Verbreitung finden und anschwellen. Ob nun gegen eGK (elektronische Gesundheitskarte) oder zu viel Zucker in Baby-Nahrung. Denn der Journalismus hat schwer Federn gelassen und kann seine Lotsenfunktion immer weniger wahrnehmen. Hier setzte der Rotstift ohne tieferes Verständnis für Demokratie und Informationsgesellschaft an.

Verschleiern und Schönreden haben auf Dauer keinen Bestand. Sie ziehen die Stimmung runter, besänftigen nicht, sondern befeuern erst recht das Mißtrauen! Lebensfreude braucht klare Verhältnisse und eine Vertrauensbasis. Wer ca. 40 Minuten für nachdenkliche Töne übrig hat, kann hier seinen Geist befriedigen: Weltschmerz und Lebensfreude > www.youtube.com/watch?v=KwnvHqvHtt8 (Georg Schramm bedankt sich für den Erich Fromm Preis 2012).

Verdi schildert, wie trotz Informationsfreiheitsgesetz gemauert wird >> http://mmm.verdi.de/medien-politik/merkels-termine-bleiben-tabu

30.7.2012 Abgeordneten-Watch ist ein Beispiel, das Schule macht – Ähnliches soll auch in Tunesien und Irland für mehr Transparenz sorgen > http://mobil.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article2353941/Hamburger-Politik-Portal-wird-zum-Exportschlager.html

Ungereimtheiten, Mauern, Intransparenz drücken zu Boden.

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Jul 03 2012

Fotos: Kleider privat und im Beruf

Autor: . Abgelegt unter Alltag,Kultur

Kleider machen Leute – Uniformen auch. Doch wer hat sich noch nie die Frage gestellt, wie ein Bischof oder eine Ordensschwester in Zivil aussieht? Der Clown wird dank seines Kostüms auf Anhieb erkannt. Trägt er lieber Jeans oder Bügelfaltenhosen seiner Freizeit?

Diese Art Neugier befriedigt die Foto-Ausstellung „Kleider machen Leute“ noch bis 29. Juli 2012 in Dresden. Im Hygiene-Museum werden etwa 70 Bildpaare gegenüber gestellt.  Hier der Fleischer mit weißer Schürze und Mütze, mehrere Messer griffbereit in einem “Köcher“ um den Bauch gebunden – und dort derselbe Mann daheim, wo man ihm seinen Beruf nicht ansieht. Welche Kluft bringt nun welche Aspekte der Persönlichkeit zur Geltung? Ähneln sich der Berufs- und der Privatmensch oder legt sich ein Hebel um, sobald die Berufskleidung abgestreift wird?

Herlinde Koelbl ging mit ihrer Kamera diesen Fragen nach. Die vielfach preisgekrönte Dokumentarfilmerin und Fotografin ist ein Garant für überzeugende Fotoserien. 1980 verblüffte sie ihr Publikum mit einem Blick in „deutsche Wohnzimmer“, machte „Haare“ zu einem spannenden Thema und porträtierte „Männer“ sowie „Starke Frauen“. 1999 trat sie ins Rampenlicht mit der Serie „Spuren der Macht – die Verwandlung des Menschen durch das Amt“. Dazu hat sie jahrelang Politiker begleitet, darunter unter anderem Joschka Fischer und Gerhard Schröder, einst Außenminister bzw. Bundeskanzler. Je weiter sie sich in ihre Spitzenpositionen hinein entwickelten, desto tiefer wurden die Furchen in ihrem Gesicht.

Nun also wirft Herlinde Koelbl die Frage auf, was Uniformen bewirken. Beim Träger und beim Betrachter. Welche Uniformen beispielsweise den Platz in der Hierarchie markieren wie beim Chefarzt oder Respekt einflößen wie beim Security Guard. Macht Berufsbekleidung selbstbewusster wie bei der Kaminkehrerin Pia Behnisch? Sie sagt, sie trete lockerer und entspannter auf. Privat sei sie eher ein schüchterner Mensch.

Kleider beeinflussen das eigene Körpergefühl, das Verständnis von sich selbst im Gefüge des Alltags. Kleider beeinflussen auch den Bezug zu anderen Menschen. Nicht immer ist uns das gegenwärtig, aber in dieser Ausstellung können wir es erleben. Zum Beispiel wenn wir Peter Sturzenegger gegenüberstehen. Früher war er Bodyguard. Der Schweizer ist stolz darauf, Standesweibel zu sein. Die schmucke Uniform strahlt förmlich gutes Benehmen im Dunstkreis der Macht aus. Die Tätigkeit hätte ich aber nicht erraten können: Der Standesweibel, selbstverständlich politisch neutral, ist bei offiziellen Anlässen des Bundespräsidenten immer an dessen Seite. Seine Aufgaben reichen vom Knöpfe annähen bis zum Schirm halten. Ich trete einen Schritt zurück und gestehe, dass ich mich von Peter Sturzenegger auch gerne beschirmen lassen würde!

Die 70 Bildpaare sind nicht nur jedes für sich eine Augenweide, sondern auch von der Mischung her interessant: Hier die Richterin und Generalinspekteur der Luftwaffe. Dort der Putzmann aus Japan, das Schulkind in Südafrika, der McDonalds-Angestellte aus Deutschland. Bei jedem Bildpaar gibt ein kurzes Statement Auskunft darüber, wie sich die Fotografierten selbst interpretieren und fühlen. Philippa Rath, Ordensschwester in Deutschland, trägt nur im Urlaub zivil und sagt: „Es ist erholsam und befreiend, einmal nicht als Seelsorgerin in Anspruch genommen zu werden.“ In ihrer Tracht allerdings fühle sie sich wohler und hübscher. Betnesan Bal, Mongolei, ist der einzige weibliche Officer in einer Anti-Terror-Einheit macht die Erfahrung, dass die Männer sie in ihrer Freizeitkleidung attraktiver finden: „Sie haben mehr Distanz und sind eingeschüchtert, wenn ich die Uniform trage.“

Das Vergnügen, diesen unterschiedlichen Porträts zu begegnen, wirkt auch nach dem Besuch der Ausstellung lange nach. Wer sich eingehender mit Herlinde Koelbl beschäftigen möchte, findet sie im Internet unter www.herlindekoelbl.de / Das Hygienemuseum ist unter www.dhmd.de anzuklicken.

PS.: In KW 28 läuft dieser Text auch unter http://germanradioshow.blogspot.de/ (ab ca. 39′ auf der Skala)

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Jun 17 2012

Geht ein Indianer zum Friseur …

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Kultur,Literatur

Unverhofft kommt oft – oder wie entspannend sind Witze? Seit ich einen Artikel über Lachgruppen geschrieben habe (ja, es gibt eine Lachbewegung in Deutschland!), ist mir gegenwärtig, wie vielfältig gesundheitsfördernd Humor ist. Lachen entspannt nicht nur zig Muskeln und die Seele, sondern senkt auch den Blutdruck und stärkt das Immunsystem; kurz: es hilft „heilen“. Deshalb gehen Clowns in Krankenhäuser und Altenheime, wünschen sich Männlein wie Weiblein in Heiratsanzeigen PartnerInnen „mit Humor“.

„Geht ein Indianer zum Friseur …“ Kurze Denkpause, was kommt jetzt wohl? Es muss etwas Originelles sein, mit dem niemand rechnet, sonst wäre es kein Witz. Ein Witz funktioniert, indem er gegen den Strich bürstet, gewohnte Denkbahnen durcheinander wirbelt, vielleicht auch etwas auf den Kopf stellt. In jedem Fall muss uns die Pointe überraschen: „ … zum Friseur, kommt er raus – ist sein Pony weg.

Die Stiftung „Humor hilft heilen“, gegründet von Eckart von Hirschhausen, hat sich zum Ziel gesetzt, deutschlandweit Clowns in Kliniken zu etablieren und zu fördern. Weitere Ziele kann man nachlesen unter > www.humorhilftheilen.de

Dort wird auch auf die CD hingewiesen, die Eckart von Hirschhausen mit Hellmuth Karasek in der „bar jeder vernunft“ in Berlin aufgenommen hat – „Ist das ein Witz? Kommt ein Literaturkritiker zum Arzt …“ 66 Minuten Witze, ohne dass es wie eine Aufzählung wirkt. Gut gemacht! Im booklet wird auf > www.glueck-kommt-selten-allein.de hingewiesen, eine online-Plattform, „auf der man Glück trainieren kann“ (Hirschhausen-PR inbegriffen). Der Erlös der CD kommt der Stiftung zugute.

Noch ein Witz gefällig …

Warum ist das Toilettenpapier in der DDR stets so rau?

Damit auch das letzte Arschloch rot wird.“

Aha, leicht zu identifizieren – es ist ein politischer Witz! In unterdrückerischen Systemen verschaffen sich die „Untertanen“ damit Luft. Der Witz als Ventil, als Blitzableiter. Diese Witze durften und dürfen nur hinter vorgehaltener Hand erzählt werden. Deshalb heißen sie „Flüsterwitze“. Es war gefährlich, wenn Spitzel mitbekamen, wer auf diese Art „Nestbeschmutzung“ betrieb.

Den Axel-Springer-Preis für junge Journalisten 2012 bekamen jetzt Annika Bunse und Julius Tröger für ihr Portal > http://fluesterwitze.apps.morgenpost.de/fluesterwitze_start_mittel.html Man kann wirklich herrlich an der Vergangenheit „schuppern“ dort! Das erste Buch über den politischen Witz in der DDR habe ich einst gehütet wie einen kostbaren Schatz. Doch die Preisträger gehen weit über eine bloße Sammlung hinaus und erstellten sogar ein Witz-Wissensportal und eine Witz-Weltkarte: „Je unfreier das System, desto mehr politische Witze gibt es. In Deutschland ist der Flüsterwitz seit der Wiedervereinigung tot. Nicht aber in China, Russland, Iran, … “ Hier gibt es also viel zu entdecken. Zeit mitzubringen lohnt sich. Viel Vergnügen!

Quellen: o. g. Portale/CD/booklet; Medium Magazin, Best of Axel-Springer-Preis für junge Journalisten

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Jun 05 2012

Schreiben Sie Ihre Assoziationen!

Autor: . Abgelegt unter Sonstiges

Es gibt Fotos, zu denen fällt einem nichts ein. Bei anderen Motiven sprudelt der Geist. Mir war es unmöglich, an diesem Stein gleichgültig vorbeizuschlendern. Mein Auge wurde wie magisch angezogen!

Zur Abwechslung seien Sie an dieser Stelle herzlich eingeladen, Ihren Assoziationen freien Lauf zu lassen und sie mit uns zu teilen.

Unter den EinsenderInnen wird ein Buch verlost. Wann Einsendeschluss ist, verraten wir allerdings nicht. Dennoch der Tipp: Schieben Sie Anfälle von Phantasie nie hinaus, verhindern Sie nichts und halten Sie nichts für unmöglich!

Das Foto entstand im Findlingspark bei Weißwasser in Sachsen. Ich bin neugierig: Hat das Motiv nun eine beruhigende Wirkung oder kräftigt es den Geist, die Nerven, das Gemüt?

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Mai 22 2012

Jenseits des nachrichtlichen Mainstreams

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Kultur,Literatur

Lesen, lesen, lesen – nie wird man fertig. Und das Internet verführt enorm. Besonders, wenn man auf einen interessanten Blog stößt. Neulich schrieb mir ein Freund, der mir sehr zugetan ist: „Interessant, was Du alles aufgreifst. Auch Deine Links. Leider habe ich keine Zeit, ihnen zu folgen.“

Wer versteht diesen Menschen nicht!? Und trotzdem ist es vorteilhaft, sich jenseits vom nachrichtlichen Mainstream zu informieren. In meinem Fall geschieht das unter anderem über Newsletter. Und so stieß ich auf den Link > www.woman.de

Den sollte frau/man nun wirklich nicht aus den Augen verlieren, denn über dieses Portal lässt sich allerlei Wissenswertes und Nützliches erschließen. Am 11. Mai gelangte ich über diese Netzwerkseiten zu Petra van Cronenburg, die ich vorher nicht kannte. Ihrer Meinung zum Urheberrecht konnte ich nicht widerstehen: „Wir sind – ohne mich“ heißt der erfreulich differenzierte Beitrag der Autorin mit Weitblick > http://bit.ly/JozMi5

Urheberrecht schiebt sich als Thema in den Vordergrund, seit die Piraten auf der politischen Bühne einen Erfolg nach dem anderen verbuchen. Mit „Piraten“ verbindet man gemeinhin Seeleute, raue Gesellen, die von geraubter Beute leben. Solchen Machenschaften redet Petra van Cronenburg nicht das Wort, doch sie hält den Scheinheiligen der Branche wortreich einen Spiegel vor, der sich gewaschen hat.

Außerdem köderte sie mich mit der Überschrift: „Hilfe, ich habe mein Buch verschenkt“. Diesen Beitrag musste ich mir aber aufsparen, weil meine Medienbeobachtung zeitlich streng begrenzt ist. Nun habe ich ihn gelesen und kann ihn empfehlen. Es geht um den Verdienst rund ums Bücherschreiben und wie man dank eines Gratis-Tages im Ranking sogar Charlotte Link überholen kann. Köstlich! http://bit.ly/INzwpn

Aber es ist wie im richtigen Leben: Wer sich auf etwas einlassen will, muss Zeit mitbringen. Mal eben nur kurz überflogen … da kapiert man wenig von den Nuancen, auf die es ankommt. Doch schließlich kann man sich die Links kopieren und abarbeiten, sobald es ins Tagesgeschehen passt. Und heute konnte ich endlich weitergeben, dass „cronenburg  – viel mehr und nichts weniger – aus Buchbranche, Autorenleben und Kultur“ eine lohnende Adresse ist.

PS.: Wer seine Zeit in einen Roman investieren will, in dem ein Mann “Einen Sommer lang” (so lautet der Titel) mit seiner Sinnsuche Missverständnisse provoziert, hole sich dazu in meiner Rezension die entsprechende Vorinformation > http://bit.ly/KGCWMV – – – By the way: Ich finde es stets beachtenswert und manchmal „prickelnd“, wenn Frauen aus dem Blickwinkel eines Mannes schreiben und dabei auch das männliche sexuelle Erleben nachempfinden. Gute Beispiele für solche Fingerübungen liefert „Das dritte Zimmer“ von Gabriele Wolff, 2004 ausgezeichnet mit dem Friedrich-Glauser-Preis > http://bit.ly/Lc6MbH sowie www.gabrielewolff.de/

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