Monatsarchiv für September 2009

Sep 27 2009

Brause lecken wie einst Oskar

Autor: . Abgelegt unter Kultur

„So lag Katharina Thalbach auch da.“ Normalerweise ist Harald Schmidt beachtet genug, als dass man hier ein Wörtchen über ihn verlieren müsste. Aber wer Erotik so mit Füßen tritt … Äh – es waren nicht die Füße. Es war schlimmer. Aber der Reihe nach:

Die wunderbare Szene mit dem Brausepulver in der Literaturverfilmung „Die Blechtrommel“ enthielt so viel Charme und Witz, dass sie wahrscheinlich etliche Menschen inspirierte, ihre Körper gegenseitig zwischendurch auch mal via Brausepulver (ggf. auch anderen Nahrungs-/Genussmitteln) zu erforschen. Warum nicht?

Hingegen führte uns Harald Schmidt vor Augen, wie die Brause-Bauchnabel-Szene anti-erotisiert dargestellt werden kann. Haltung, Möchtegernunterhaltung, Spucke, Zunge und anzügliche Bemerkungen der hingelegten Frau genügten für ein Würgen in der Kehle. Da bedarf es im Nachhinein nicht mehr der Enthüllung, dass das abgeleckte „Opfer“ ein verabredetes war – nämlich die Ex-Freundin von Ex-Co-Talker Plocher.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt? Ach nein, man soll das ja frech finden. Das Publikum soll sich ja genarrt vorkommen, indem es keine zufällig Freiwillige aus den Reihen der Studiogäste war, die freudig bei der Blechtrommel-Jubiläums-Aktion mitmachte. Oh Mann! Hätte sich doch nur Oskar Matzerath zwischen Darsteller und Kamera geschoben und mit seiner Stimme alles Glas in Reichweite zerspringen lassen. Die dadurch verursachte Bild- und Tonstörung wäre angemessen gewesen.

In dem Schelmenroman von Günther Grass ist Oskar als unabhängiger Geist angelegt. Insofern ist es kein Wunder, dass Harald Schmidt Anklänge an diese Figur sucht, denn auch er möchte als unabhängiger Geist gelten. Zumindest quasi. Denn gerade durch das Kokettieren mit dem Zeitgeist – nichts ist schräg oder minder genug, um ins Rampenlicht zu drängen und zu kommen und zu passen (siehe auch „Schlämmer“, Beitrag vom 8. Sept. 2009) – ist die Unabhängigkeit stark in Frage gestellt.

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Sep 08 2009

Schlemmer & Schlämmer

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Kultur

Es gab schon mal einen Schlemmer: in Billy Wilders rasanter Komödie „Eins, zwei, drei“. Sie erreichte kurz nach dem Mauerbau die Kinos. Ost und West – beide Systeme bekamen ihr Fett ab. Das Publikum erkor das Meisterstück erst später zum Kultfilm, als die Trauer über den antikapitalistischen Schutzwall incl. Schießbefehl sich abkühlte und das Aufbegehren gegen die Teilung sich in eine unbestimmbare Länge zog.

Schlemmer war damals ein Zeitgenosse der „alten Schule“, der die Hacken zusammen schlug, wenn sein Chef ihm etwas zubellte. Er bellte ihm auch zu, dass er diese Zuchtbezeugungen unterlassen solle – vergebens. Schlemmer blieb ein zackiger Untertan. Nicht ohne Selbstbewusstsein, zuverlässig unverbesserlich. Eine Nebenfigur, die man sich leicht merken konnte. Es war klar, welche Epoche hier auf die Schippe genommen werden sollte.

Nun zieht ein neuer Schlämmer – diesmal mit „ä“ – das Publikum in seinen Bann. Horst Schlämmer ist eine Kunstfigur von Hape Kerkeling, der u. a. als Moderator, Komiker und Schauspieler zu den „Angesagten“ in der Medien-Szene gehört. Mit „Isch kandidiere“ bugsiert Kerkeling seine Kunstfigur kurz vor der Bundestagswahl ins Rampenlicht. Es heißt, die Bundesbürger können mit Schlämmer aus Grevenbroich mehr anfangen als mit anderen – realen – Bewerbern, die in der Politik um Sympathien und Glaubwürdigkeit ringen.

Freilich ist der Film über Horst Schlämmer und seine Partei halb so hinreißend wie einst Billy Wilders Komödie. Es bleibt jedoch bemerkenswert, wodurch er „glänzt“. Der Zeitgeist der Unschärfe wird hier gekonnt verkörpert. Das allseits beliebte Durcheinander (Hauptsache „action“) bedarf keiner Verbindlichkeit, Alleinstellungsmerkmale gehen bis auf einzelne Äußerlichkeiten im Gesuppe unter. Es gibt wunderbare Szenen, die die Beliebigkeit bestens treffen. Die Vorliebe für Mittelmaß oder weniger hätte nicht besser unterstrichen werden können. Das war wohl die Absicht und das ist gelungen. Dank eines sehr professionellen Hape Kerkeling, der in mehrere Rollen schlüpft und es auch verstand, viel Prominenz mit ins Boot zu ziehen – angefangen bei Jürgen Rüttgers (derzeit Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen) bis zu Formel-1-Rennfahrer Michael Schumacher. Auch die Frauen kommen in ihren Rollen gut weg – um einen weiteren Pluspunkt nennen.

„Schlämmer hätt’s nicht kommen können“ – wie köstlich doch die Einigkeit in diesem Empfinden, das eigentlich die Bundespolitik und ihr Wahlkampfgebaren meint und nicht die Handlung in „Isch kandidiere“! Dabei kommt rüber, dass die realen Politgrößen die sinnentleerten Rituale weder schätzen, noch aufzulösen verstehen. Alle sitzen im gleichen Boot, nur einer will es anders machen – Horst Schlämmer eben. Aber auch ihm verschwimmen die neuen Ufer, bevor er sie erreicht.

Schlemmer und Schlämmer – zwei Figuren, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Jener schlaksige Kerl, der bei Billy Wilder Gehorsam bis in den letzten Blutsropfen symbolisiert, war ein Typ, an dem man sich hätte abarbeiten können, wenn man in tatsächliche Gegnerschaft zu ihm getreten wäre. In der Folge solcher Typen erlebten die sogenannten „68er“ ihre unvergessliche Blüte. An Schlämmer kann man sich nicht reiben. Er ist zwar kein Tollpatsch, bei dem man alles entschuldigen möchte, aber er schafft es auch nicht in wirklich die „Pfui-Ecke“, die unweigerlich Schaum vorm Mund oder Blitze in den Augen seiner Kritiker bzw. Widersacher hervorrufen würde.

Hape Kerkeling stellt ein System in Frage – Billy Wilder zwei Systeme (noch dazu an einer ihrer empfindlichsten Nahtstellen). 1961 stand die Zeit auf Polarisierung. Im Gegensatz dazu sehen sich 2009 Künstler eher einem ärgerlichen Wischiwaschi gegenüber, dass irgendwie ausgehebelt gehört. Die Angriffe darauf mögen hoffentlich ins Bewusstsein tröpfeln, scheinen für den Moment aber trotz hoher Perfektion erst mal seltsam harmlos, ja fast zahnlos und von liebenswürdiger Toleranz durchzogen. „Leben und leben lassen“ als Motto – auch wenn es sich selbst bis zu einem gewissen Punkt konterkariert – taugt als beißende Grundlage für eine Kritik an den Ärgernissen des politischen Jonglierens wenig. Die Langzeitwirkung bleibt abzuwarten.

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Sep 07 2009

Oktoberfest fern der Heimat

Autor: . Abgelegt unter Kultur

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Puh, die heißen Tage haben so richtig ausgetrocknet! Gar manches kühles Blondes wurde da nach Sonnenuntergang gekippt – richtig gemütlich im Biergarten. Vorausgesetzt, man musste nicht mehr hinters Steuer.

Kaum ist flaut der Sommer ab, halten Oktoberfeste den Durst bei Laune. Erst das in München. Traditionell endet es, kaum dass der Oktober angebrochen ist. Da geht es in Florida aber erst richtig los! Kaum ein deutscher oder deutsch-amerikanischer Club, der sich nicht ein Oktoberfest ins Programm schreibt. Da habe ich schon Holzsägewettbewerbe und Schuhplattler erlebt.

Einer der großen Clubs feiert an zwei Wochenenden in Cape Coral. Aus diesem Anlass wird sogar eine Oktoberfest-Königin gekrönt. Es hat bereits Tradition, dass auf dem weitläufigen Areal auch immer eine Kapelle aus Deutschland einheizt. In diesem Jahr ist es die Zimmerer Kapelle Biberach. Siehe > http://www.gasc-capecoral.com/e_start.htm (Aktualisiert ist nur die englische Version.)

Bald werde ich wieder einige Stunden dabei sein, wenn in Cape Coral getanzt und geschunkelt wird. Die ersten Jahre traute ich mich nur mit Dirndl hin. Man hatte mir gesagt, das erwarte man von Gästen aus Deutschland. Nur so werde ich als Deutsche wahrgenommen und anerkannt. Schließlich bemühe man sich, deutsche Tradition aufrecht zu erhalten – sogar über Generationen hinweg, nachdem Enkel und Urenkel längst in Amerika geboren worden sind. Was liegt dann näher, als dass ein Original auch die originale Tracht trägt?

Das Argument sah ich ein. Es kostete trotzdem Überwindung, da das Dirndl in meiner Generation – gelinde gesagt – als verstaubt und nicht im positiven Sinne volkstümlich angesehen wird. Aber nach einigen Stunden unter der Sonne Floridas wurde es zum wirklich angenehmen Kleidungsstück. Erstens versteckt es praktisch Rundungen, zweitens macht es jünger als ich dachte. Eigentlich ist es ja ursprünglich ein Arbeitsgewand. Wie die gute alte Kittelschürze, die ich zum Auftakt des Blogs am 24. + 25. April 2009 thematisierte.

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