Monatsarchiv für August 2009

Aug 17 2009

Keine Nächstenliebe jenseits des Ehrenamts?

Autor: . Abgelegt unter Alltag

Das Ehrenamt ist eine hochwohllöbliche Angelegenheit. Ob man unent-geltlich Kindern bei Hausaufgaben hilft, Senioren die Angst vorm PC nimmt, im Blindenheim vorliest – der Nächstenliebe sind keine Grenzen gesetzt. Es mangelt auch nicht an Initiativen, die für solches Engagement werben – Preisverleihungen inbegriffen.

Man sollte also meinen, wir geben aufeinander liebevoll und rücksichtsvoll acht, fördern und unterstützen uns gegenseitig, niemand ist dem anderen gleichgültig. Weit gefehlt! Allein das skrupellose Fahrverhalten in Spielstraßen oder sogenannten 30er Zonen spricht eine andere Sprache!

Noch deutlicher wird der Kontrast zwischen öffentlich goutiertem Ehrenamt und mangelnder Hilfsbereitschaft im Privaten an jenem Beispiel: Eine Freundin, soeben nach 20 Ehejahren unfreiwillig Single geworden, muss ihre Einrichtung ergänzen. Höflich fragte sie bei zwei von fünf Nachbarn im Haus, ob sie denn anklopfen dürfe, wenn sie etwas Sperriges oder Schweres in ihre Wohnung in den 3. Stock zu schleppen hätte. „Nein“, lautete unumwunden die Antwort.

Dies erschien mir mehr als fremd, zumal gerade jene Freundin weithin als Mensch von großer Hilfsbereitschaft bekannt ist. Da mir Vergleichbares noch nie zugestoßen ist, fragte ich querbeet und hörte auch von anderen: Ein NEIN ist bei Hilfebedarf wahrscheinlicher als ein JA. Offenbar ist diese Verweigerungshaltung salonfähig. Man geniert sich dafür ebenso wenig wie für unreflektierte Geschwindigkeitsübertretungen.

Vielleicht stiftet das pfiffige Strategen an, die Werbung für ehrenamtliches Engagement entsprechend zu ergänzen: Es ist kein Luxus, jemanden auch dann zu helfen, wenn der Lichtkegel der Öffentlichkeit nicht auf die gute Tat und die Haltung dahinter fällt!

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Aug 10 2009

Harmlose Schlager auf dem Index

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Alltag,Kultur

Suchen – wer kennt das nicht – kann ganz schön nerven. Es war mir jedenfalls nicht vergönnt, eine Liste all dessen zu finden, was schon mal auf dem Index des Bayerischen Rundfunks gestanden hat. Vom „Scheibenwischer“ (Einzelsendungen) ist es mir aus meiner Jugendzeit bekannt. Aber dass auch der Bossa Nova …

Was ist eigentlich ein Bossa Nova? Ein dunkelhaariger gut aussehender Mann, besungen von Manuela (1948 – 2001), die damit 1963 quasi übernacht als Schlagerstar bekannt wurde? Nein, es ist ein Tanz, der jungen Mädchen einst gefährlich werden konnte. Diese Gefahr wurde diskret in der Liedzeile ausgedrückt: „Doch am nächsten Tag fragte die Mama: ‚Kind, warum warst du erst heut’ morgen da?‘“

Tja, wie leicht hätte das in Bayern auf dem Tanzboden zur Nachahmung animieren können! Deshalb durfte das Lied im BR nicht mehr auf den Plattenteller. Wie gut, dass man dank der Wiederholung eines Manuela-Porträts im NDR heute daran erinnert wird, wie fürsorglich man damals Gefährdendes in der Schublade verschwinden ließ.

Drafi Deutscher (1946 – 2006) erging es 1965 mit seinem Hit „Marmor, Stein und Eisen bricht“ nicht besser als Manuela. Doch der Grund war hier ein anderer: Sprachsensible wollten keine falsche Grammatik verbreiten. Denn es waren mehrere Gegenstände, die als bruchsicher besungen wurden. Und da hätte es „Marmor, Stein und Eisen brechen“ heißen müssen.

Solchermaßen Standpunkt zeigen, sensibel reagieren – heute ist das längst aus der Mode, wird belächelt.

Um so herziger wirkt ein Ausrutscher wie dieser Satz: Wer hat sich so was ausdenkt? Das fragte sich am Samstag Katja Bauer in der Stuttgarter Zeitung angesichts der Kanzler-U-Bahn. Der Satz stand da ganz ohne Anführungszeichen und wirkte wie ein Seufzer aus tiefster Seele. Der Autorin war diese (mutmaßlich schwäbische) Redewendung entwischt, was sicher Kritiker auf dem Plan ruft. In ihr pulsierte aber noch das Herzblut, das die tragische Geldverschwendung für den U-Bahnstummel hervorquellen ließ. In korrekter Sprache hätte man dies nie und nimmer so brühwarm transportieren können!

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Aug 09 2009

Sensibel – bist du es oder wirst du es?

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Alltag

„Du bist Deutschland“ – diese Kampagne fiel mir gestern spontan in einem großen Warenhaus ein. Ich musste mit meinem Einkaufswagen stehen bleiben, denn ein Pärchen beriet sich vor den Drucker-Patronen, welche denn daheim passen würde. Die Frau war nicht das Problem, der Mann war in die Hocke gegangen und blockierte damit mein Durchkommen mit dem Einkaufswagen.

Ich überlegte, ob ich zurück rangieren und die nächste freie Bahn nehmen sollte. Aber mich begann zu interessieren, wie lange es wohl dauern würde, bis der Mann merkte, dass er ein Hindernis darstellte. Er hätte nur einen Schritt vorwärts zu hoppeln brauchen. Aber mit Abstand betrachtet sich die Patronen-Auswahl natürlich besser.

Er merkte seine Rolle nicht. Er erhob sich erst, als er fertig war mit der Betrachtung des Warenangebots. Sein Blick fiel auch dann keine Sekunde auf mich. Mein höfliches stilles Warten drang zu seinem Bewusstsein gar nicht vor.

Darum die Erinnerung an die Kampagne. Man könnte eine neue starten: „Du bist sensibel“. Mit entsprechendem Aufwand könnte man verdeutlichen, was damit gemeint ist. Sensibel nicht nur, wenn es um die eigenen Pfründe geht. Sondern sensibel für das Miteinander, das Gemeinwohl.

Denn der kauernde Mann ist nur symptomatisch dafür, wie sehr sich viele abgeschottet haben und nicht mehr wahrnehmen, was um sie herum vor sich geht. Folglich haben sie auch keine Bringschuld dem Miteinander gegenüber. Das mit „Reizüberflutung“ zu entschuldigen, ist ungeheuer praktisch. Aber man müsste dies ja nicht auf sich beruhen lassen, wenn es einen Sponsor für die Sensibel-Kampagne geben würde.

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