Monatsarchiv für August 2015

Aug 09 2015

Wider den akademischen Dünkel!

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik

„Sie können stolz sein auf das, was Sie geschafft haben. Aber Sie können nicht mit allen darüber reden. Denn die, die das Gleiche auf geradem Weg erreicht haben, würden Ihre Leistung nie einschätzen, geschweige denn würdigen können …“ Es war Mitte der 80er Jahre, als mich eine Professorin in Berlin für das Thema sensibilisierte, das Holger Zschäpitz heute in der „Welt am Sonntag“ unter der Überschrift „Elite kann man kaum lernen“ im Interview mit Soziologieprofessor Michael Hartmann erörtert > http://url9.de/WHq
Das Thema hat Konjunktur, seit Marco Maurer 2013 in der ZEIT eine Titelgeschichte darüber schrieb. „Ich Arbeiterkind“ bekannte er – und dröselte inzwischen die Misere unserer Bildungsungerechtigkeit in seinem Buch „DU BLEIBST WAS DU BIST“ auf (Droemer 2015). Es schildert die Hindernisse von jenen, die über die Ebene ihrer Eltern hinauswachsen wollen. Früher sprach man vom „Stallgeruch“, der einem anhafte, egal, in welche Positionen und zu welchen Weihen man zu gelangen versuchte oder gar gelangt war.
Aber schon das Wort „Stallgeruch“ klingt nicht gerade nach Akademikerhaushalt. Wird man in so einen hineingeboren, ist es eher die Ausnahme, sich für einen Handwerksberuf zu entscheiden. Aber warum ist bei uns das Handwerk nicht so hoch angesehen wie Berufe, für die ein Studium unabdingbar ist? In der Schweiz ist es „völlig in Ordnung“, wenn Kinder von Professoren einer Lehre den Vorzug vorm Gymnasium geben. In Deutschland grassiert akademischer Dünkel.
Dieser hat auch in den Medien immer mehr Raum gegriffen. Die entsprechende Weltsicht ist dann eben wieder nur mit Ihresgleichen kompatibel und deckt andere Perspektiven nur mangelhaft (gelegentlich „von oben herab“) ab. Ein wichtiger Hinweis vielleicht für jene, die um die Zukunft des Journalismus fürchten, von dem Marco Maurer schreibt, dass man sich ihn leisten können muss. Damit trifft er den Nagel auf den Kopf, denn die Verdienstmöglichkeiten sind in diesem Beruf höchst unterschiedlich verteilt, und das Mithaltenkönnen hängt wiederum von der „Polsterung“ durch die Herkunftsfamilie ab.
Doch wir leisten uns nicht zuletzt auch in der Medizin Akademiker, die auf Leute eingehen müssen, von deren Hintergrund und Bezugssystemen sie null Ahnung haben. Wie soll da Verständigung oder Heilung gelingen? Stormlinienförmiges Karrieredenken schmälert die Wahrnehmungs- und Kommunikationspraxis! Wer sich aufs Vorwärtskommen konzentriert, kann mit seinen Antennen nicht in anderen Mileus unterwegs sein und so seinen Horizont verbreitern. Horizonterweiterung – nur zielgerichtet, alles andere wäre “Zeitverschwendung”.
Auf seiner Homepage stellt Marco Maurer Prominente vor, die es trotz „bildungsfernem Hintergrund“ an die Spitze geschafft haben > http://www.marcomaurer.de/an-die-spitze-gekampft/ Unter anderem Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Bahn-Chef Rüdiger Grube, Psychologie-Professorin Elsbeth Stern. Übereinstimmend das Credo, dass es schwer war. Dies liegt nicht an individuellen Gegebenheiten, sondern gesellschaftlichen Strukturen, wie Maurer in seinem Buch anschaulich belegt. Es zeigt auch Ansätze auf, die Besseres ermöglichen. Gewünscht hätte ich mir noch ein Glossar, das diese Ansätze oder Quellen darüber konzentriert auflistet.

Marco Maurer. Du bleibst was du bist. Warum bei uns immer noch die soziale Herkunft entscheidet. 381 Seiten, Droemer, 2015,18 €. http://www.dubleibstwasdubist.de/ Hier gibt der Autor über das Buch in einem Video Auskunft.

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Aug 06 2015

Intermezzo > Hitze, Nachbars Garten & Co.

Autor: . Abgelegt unter Alltag

35 ° C nach 21 Uhr im Arbeitszimmer – in Florida würde die Klimaanlage kühlen, in Deutschland gibt so etwas selten in Wohngebäuden. Vom Sommer hingestreckt zu werden, ist kostbar hierzulande. Man kann dies nicht zuverlässig erwarten. Es kommt auch kaum jemandem gelegen. Komisch! Erst lässt der Sommer auf sich warten, dann nimmt er einen missglückten Auftakt, weil nicht nur nachts Regen fällt – und dann erlaubt das Klima sich auch noch schwindelerregende Temperaturen.

Es ist jedes Jahr das Gleiche: kaum bremst die sogenannte Hitze die Vitalität (etwas) aus, setzt das große Bedauern ein. Dieses Funktionierenmüssen ist aber auch im Winter auffällig: Kann das Auto nur langsam und mit Risiko über glatte Straßen schleichen (man kommt ggf. zu spät!), wird das als unbillige Härte identifiziert. Taut es wochenlang nicht, ist dieses Schicksal mit Eiskratzen und Gehsteig/Straße streuen beklagenswert. Alles zehrt Energie, die man gerne anderweitig eingesetzt hätte. Gibt es dann endlich mildere Temperaturen, dann schimpft man über Matsch und Dreckspitzer …

Die Kirschen in Nachbarsgarten sind immer süßer als die eigenen. Schon Peter Alexander hat das besungen. Die Ziege, festgebunden an einem Pflock, zerrt am Strick, weil auf dem Grundstück nebenan das würzigere Gras wächst. Kommt jetzt der Einwand: „Alles Allgemeingut und nicht vieler Worte wert …“??

Anscheinend nicht gut genug bedachtes Allgemeingut! Sonst würde man sich doch vor jedem Jammern fragen: Wäre jetzt das Gegenteil besser? Warum kann ich nicht genießen oder mich wenigstens anpassen? Habe ich verlernt, mich einzulassen? Muss ich alle Gegebenheiten unter Kontrolle haben und woran wachse ich dann? Ist das Wetter nur ein willkommenes Ersatzthema, weil ich grundsätzlich zum Hadern neige?

Ich lasse das mal so offen stehen. Das ist dem Thema angemessen.

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