Jun
28
2009
Kennt den noch jemand?
Die East-Side Galery in Berlin wird restauriert. Hier sind Kunstwerke verblasst, die einst die Annäherunge zwischen Ost und West feierten. Es gibt Jüngere, die keinen blassen Schimmer mehr haben, dass es eine DDR gab bzw. die drei Buchstaben für ein Kürzel halten, hinter dem sich eine angesagte Band oder eine “In”-Curry-Wurst verbirgt. Aber der Mann war echt! Wie das System, dessen Schlusslicht er verkörperte. Er machte nicht das Licht aus, denn er war nicht der Letzte. Aber das Abdanken seiner Majestät ist hier gut auf die Schippe genommen! Wer den antikapitalistischen Schutzwall vor 1989 nachts am gespenstigen Potsdamer Platz einen Besuch abstattete, wird den dramatischen Blick über den Todesstreifen nie vergessen …
Tags: 1989, Berlin, DDR, Mauer, Todesstreifen
Jun
09
2009
Bölls Originalstimme. Die CD mit seinen Satiren ist etwas Besonders. Erinnerungen an eine Zeit steigen hoch, in der viel um den heißen Brei herum geredet wurde. Deshalb Satire. Sie nimmt das aufs Korn. Das beredte Schweigen. Die Abfälschungsmanöver.
“Eine gute Zeitung erkennt man daran, was sie weg lässt”, hörte ich in meiner Ausbildung. Das prägt meine Medienrezeption bis heute. Ich bin nicht mehr so streng wie früher. Aber wenn ich mir “Dr. Murkes gesammeltes Schweigen” vergegenwärtige, wünsche ich mir die Strenge von früher zurück. Hohles gehört als “Hohles” entlarvt.
Heinrich Böll saß in Mutlangen vorm Raketendepot. Die Fotos von der Promi-Blockade gingen um die Welt. Es war eindeutig: Hier steh ich, ich kann nicht anders. Solche Unbeirrbarkeit ist selten geworden. Das macht nachdenklich.
Tags: Böll, Brei, Mutlangen, Raketen, Satire
Jun
05
2009
Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart gehören für mich zusammen. So befasse ich mich für meine nächsten Buchvorstellungen jetzt wieder mit Heinrich Böll (1917 – 1985). Das Wörtchen „Gedöns“ brachte mir die Sehnsucht nach ihm bzw. nach seiner Satire “Doktor Murkes gesammeltes Schweigen“. Was mich als „Spätzünderin“ ausweist, denn der Kanzler, der das „Gedöns“ gerne im Munde führte, ist längst von der Bildfläche so gut wie verschwunden. Böll aber wird bleiben.
Was bleiben meine FavoritInnen aus 2008?
„Dazwischen Lili“ von Andrea Gerster. Der Stil ist einfach gut! Die Kunst besteht hier darin, ein ernstes Thema (Pflegebedürftigkeit, Demenz) so zu verpacken, dass feine Ironie zwar das Lesevergnügen anheizt, jedoch in keinem Moment die Würde der ProtagonistInnen des Romans angetastet wird. – Nahezu konkurrenzlos ist das Buch den Magdalena Köster „Den letzten Abschied selbst gestalten. Alternative Bestattungsformen“. Es informiert unter anderem über das Bestattungsrecht, verschiedene Rituale und Trauerredner, über Friedwald, Ruheforst und Trauerpark bis hin zu ungewöhnlichen Bestattungsformen im Ausland. Die Autorin hat solide recherchiert und nennt auch weiter führende Adressen wie beispielsweise die von Aeternitas e. V., einer Verbraucherinitiative Bestattungskultur, die es bereits seit 1984 gibt. Hier wird ein Thema auf eine sehr gute Weise enttabuisiert, was zu Gesprächen anstiftet, die weit unter der Oberfläche schürfen.
Tags: Abschied, Bestattung, Böll, Gedöns, Gerster, Köster