Monatsarchiv für Oktober 2014

Okt 25 2014

Kleine Philospohie zum Genügen

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik

Seit die Babyboomer 50 werden, kann man viel über das Älterwerden lesen. Einen empfehlenswerten Beitrag hierzu hat die Politikwissenschaftlerin und Journalistin Antje Schrupp, Jahrgang 1964, im FAZ-Blog „Ich. Heute. 10 vor 8.“ veröffentlicht. Sie empfindet, mit 50 gehe es geradeaus, nicht mehr bergauf, aber auch noch nicht bergab. Doch lesen Sie selbst: http://url9.de/VPm

Ihre Auseinandersetzung mit der Redewendung „genug haben“ oder „es ist genug“ gefällt mir besonders gut. Immer wieder werde ich komisch angeschaut, wenn ich „Genügsamkeit“ anmahne, denn ohne sie kann man nach meiner Erfahrung Erreichtem nicht würdigend nachspüren. „Sich selbst genügen“ ist ebenso wenig modern und wird selten geschätzt, hat es doch ein „Gschmäckle“ von Ignoranz und Selbstgefälligkeit. Dass man sich aber bei zu viel Trubel selbst abhanden kommt, ist nach den Sturm- und Drang-Jahren sogar für jene leicht nachvollziehbar, die von ihrem Naturell her immer auf Hochtouren laufen (müssen).

Einst sang Konstantin Wecker „genug ist nie genug“ – was meiner Leidenschaftlichkeit (vor allem in politischen Angelegenheiten) entsprach. Und von manchem habe ich – die ich etwas älter bin als Antje Schrupp – immer noch nicht genug. Zum Beispiel kann man nie genügend über ein Thema nachdenken oder an einem Text feilen. Man muss die Grenzen sehr bewusst ziehen. Immer und immer wieder. Es liegt an der Auswahl, wovon man sich beeinflussen oder prägen lässt, denn dank Internet sind Informationsvielfalt und ein „In-die-Tiefe-gehen“ ständig möglich. Man braucht einen guten Kompass dafür, wann es „genug“ ist und alles einer vernünftigen Einordnung/Gewichtung zugeführt werden sollte.

Übrigens: Wer gerne gute Texte liest, kommt beim FAZ-Blog „Ich. Heute. 10 vor 8“ auf seine/ihre Kosten > http://url9.de/VPn – Es ist nach eigenen Angaben „das erste kollektive Frauenblog auf den Seiten eines überregionalen deutschen Mediums.“ Weiter heißt es: „Wir finden, dass unsere Gesellschaft mehr weibliche Stimmen in der Öffentlichkeit braucht. (…) Wir vertreten keine Ideologie und sind nicht einer Meinung.“

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Okt 01 2014

„Das Beste“ und die Selbstbestimmung

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik

Neulich überraschte mich die Nachricht, ich sei seit 25 Jahren Mitglied bei „meiner“ Krankenkasse. Man lobte meine Treue. Bevor ich mich von diesem Lob geschmeichelt fühlen konnte, ging es in dem Brief schnurstracks um eine kleine Zuwendung (als Würdigung), die man aber den vielen, die ein Mitgliedschaftsjubiläum haben, nicht auszahlt. Die Höhe war nicht genannt („ein minimaler Geldbetrag“ stehe für ein Präsent zur Verfügung), das Prinzip, um das es ging, war wichtiger.

Man hatte – repräsentativ oder nicht – Versicherte (welche und wie viele?) darüber abstimmen lassen, wohin man den Jubiläumsbonus spenden soll. Die Transparenz über diesen Hintergrund war minimal, aber bei der angeblichen Abstimmung war etwas Vernünftiges herausgekommen: Deutsche Kinderkrebsstiftung. Wer konnte gegen dieses Unterstützungsziel schon Einwände haben?! Schwerkranke Kinder würden dank meiner Treue evtl. bessere Heilungschance haben. Was will ich mehr?

Es grummelte trotzdem in meinem Bauch. Wie demokratisch war das eigentlich? Da stimmen Leute ab, die ich nicht dazu ermächtigt habe, wohin mein Bonus gespendet wird. Hätte diese Kleinigkeit der vielen Jubilare nicht in den Leistungstopf fließen können, auf dass die Eigenbeteiligungen – bei chronischen Erkrankungen gehen die echt ins Geld! – gesenkt oder verzichtbar würden? Was ist mit jenen, die am Existenzminimum leben und dank des Bonus’ sich vielleicht endlich aufwändigere Zahnreinigungsutensilien oder einen Thermalbadbesuch hätten leisten können?

Ich hatte nicht mit einer Ausschüttung für Treue gerechnet, finde selbige bei einer Solidargemeinschaft (ich bin pflichtversichert) sogar ein wenig fragwürdig. Doch so ein unverhofftes „Geschenk“ hätte ich vielleicht lieber der Forschung über Alzheimer, MS oder Parkinson zukommen lassen? Oder an Foodwatch, einer Flüchtlingshilfe oder der Musikschule in der Gemeinde gespendet? Egal, ich war ohne Stimme und ohne Handlungsmöglichkeit geblieben und mobilisierte meine Toleranz.

Ich versetzte mich auf die andere Seite. (Das hilft oft, mit innerem Grummeln besser fertig zu werden.) War ich nicht einst froh, dass die Sparkasse in der Broschüre unserer gemeinnützigen Initiative eine Anzeige für 100 € geschaltet hatte, ohne dass ihre Kundschaft, der sie ja in erster Linie verpflichtet ist, dazu befragt worden war? Andererseits: ich hatte meinen Stromanbieter gewechselt, weil ich nicht weiter für sein großflächiges Sportsponsoring mit bezahlen wollte. Und ich frage mich schon lange, warum meine Bank Konzerte sponsert, anstatt für Guthaben höhere Zinsen zu gewähren.

Hoppla, ich war zwar auf die andere Seite gehopst, aber ebenso schnell wieder zurück. Häufiger stehe ich also auf der Seite, mit deren Geld undemokratisch Dinge veranlasst bzw. unterstützt werden, die mir mal fern, mal nah liegen – aber die ich verdammt noch mal auch in eigener Initiative unterstützen kann! Zu einem Zeitpunkt, der für mich „reif“ ist. Und nicht automatisch, weil ich eben irgendwo Kunde, Mitglied oder sonst wie „verbandelt“ bin.

Alle wollen nur das Beste. Ich auch.

 

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