Archiv für die Kategorie 'Alltag'

Mrz 17 2023

Ausgebremst, fern der Heimat

Stell dir vor, du kommst zum Flughafen und erfährst, dass du nicht heimkannst, weil in Deutschland keine Flugzeuge landen dürfen. Du sitzt in USA auf deinem gepackten Koffer, hast kein Nachtquartier mehr und sollst anderntags in der Heimat Termine wahrnehmen. Wer erlebt hat, wie deutsche Streiks im Ausland Unbeteiligte schädigen, kann sich über die Tarifkämpfe nicht mehr freuen, auch wenn er oder sie noch so arbeitnehmerfreundlich denkt.

Natürlich reist man heute mit modernen Medien und erfährt nicht erst am Flughafen, dass man ausgebremst ist, auf unbequeme Alternativen umbuchen muss. Trotzdem kostet das Nerven und bringt Nachteile. Wie hoch darf das Opfer „Unbeteiligter“ sein, damit die Flugsicherung auf deutschem Boden besser arbeiten kann oder die Piloten mehr in der Lohntüte haben?


Über diese Zumutbarkeit habe ich noch nirgendwo etwas gelesen. Doch mit wem ich auch darüber spreche: Die Umverteilung von Reich nach Arm wird durch solche Streiks nicht verbessert. Und dies sollte doch endlich zu fruchtbaren Bemühungen führen! Nach mehr als 40 Jahren Gewerkschaftsmitgliedschaft habe ich leider wenig Hoffnung, dass wir geeignete PolitikerInnen an die Schaltstellen der Macht bringen, die diesem Gedanken trotz aller Verflechtungen und Verpflichtungen zum Durchbruch verhelfen.

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Jan 29 2023

Lange weg und dauernd unterwegs

Autor: . Abgelegt unter Alltag

Drei Monate Rundreise in Schweden, Norwegen und Finnland. Als mir Freunde von dem Vorhaben erzählten, dachte ich nicht an Fjorde, Elche, Denkmäler. Vielmehr fragte ich mich, ob das an ihrer Verwurzelung rührt und was es mit ihren sozialen Beziehungen macht. „Einsamkeit“ kam mir als Stichwort in den Sinn bzw. ein Zurückgeworfensein auf sich selbst und seine Begleitung. Dazu muss man andere Fähigkeiten entwickeln als im Alltag zu Hause mit seinen festen Ritualen und Pflichten.

Was sagt Uta dazu, die in Südeuropa die Herausforderungen einer Langzeit-Tour erlebt hat und
demnächst wieder losfährt?

Schon der Einstieg ins Wohnmobil setzt ein Gefühl von Freiheit frei: „Es geht los!“ Einfach herrlich die Gewissheit, nun zehn Wochen Zeit zu haben. Das Brummen des Motors und die gemütliche Reisegeschwindigkeit lösen in mir eine Freude aus, die ich kaum beschreiben kann. Loslassen können, sich jeden Tag auf das Unbekannte einlassen, weg vom Wohnsitz, dem Bekannten, Berechenbaren. Mit unserem elf Quadratmeter rollenden „Minihaus“ fahren wir Neuem entgegen. Wir haben eine klare Richtung, aber keine feste Route, lassen uns gerne treiben, finden ein lauschiges Plätzchen für eine Nacht oder für einen längeren Aufenthalt; einen Stellplatz am See, im Wald, auf einem Bauernhof oder Weingut, Campingplatz oder ganz vogelfrei mit Blick aufs Meer.

Seele baumeln lassen. Geht das nur unterwegs? Nein, das kann ich u.a. auch auf der Hollywood Schaukel zu Hause. Aber wenn ich unterwegs bin, sei es beim Laufen, Fahrradfahren oder eben im brummenden Wohnmobil, kann ich meine Gedanken und Gefühle anders fließen lassen, habe neue Ideen, gewinne Erkenntnisse über Fragen in meinem Kopf und Herzen. Über Tod und Sterben, über das Leben. Vielleicht bin ich eine Nomadin?

Das Meer zieht mich an. Wenn ich dort bin, empfinde ich einen tiefen Frieden. Ich brauche nicht zu tauchen oder zu schwimmen. Ich liebe die unterschiedlichen Nuancen des blauen Meeres, den Geruch aus einer Mischung von Fisch, Muscheln und Algen, den Geschmack von salziger Luft und die kreischenden Möwen. In diesen Momenten fühle ich mich grenzenlos glücklich. Wie damals auf Hawaii, als plötzlich eine Schildkröte eine Weile neben mir schwamm. Das war eine Mischung von Angst, Respekt, Demut und unendlicher Freude – eine ganz besondere Grenzerfahrung.

Auf elf Quadratmetern gibt es aber manchmal auch Stress, wenn man sich immer wieder neuen Hausforderungen zu stellen hat. Reagiert man darauf anders als zu Hause? Jein.
Bei unterschiedlichen Problemlösungsansätzen muss man sich oft nur schneller einigen. Zum Beispiel kann man nicht lange diskutieren nach falschem Abbiegen aufgrund meiner Rechts-Links-Schwäche. Oder man muss sich unmittelbarer dafür entscheiden, einen Konflikt erst mal unaufgelöst stehen zu lassen.

Kann es eine Verwurzelung im Wohnmobil geben? Ist das nicht ein Widerspruch in sich? In unserem Wohnmobil leben wir mit Leib und Seele auf das Wesentliche reduziert, und wenn wir die Tür aufmachen, hat unser Wohnzimmer jeden Tag eine neue Deko. Andererseits ist unser Zuhause auch dort, wo sich unser fester Wohnsitz befindet, wir die Sprache beherrschen. Aber sobald uns die Sehnsucht erfasst, unterwegs sein zu wollen, ist unserer Zuhause auch genau dort, wo wir mit unserem rolling home stehen. Das ist eigentlich wie bei Schnecken und Schildkröten, die immer ihr Haus dabeihaben und damit immer zuhause sind.
Die Familie und Freunde sind wie fixe Sterne. Wir telefonieren oft oder haben FaceTime miteinander. Regelmäßig kontrollieren Angehörige den Briefkasten und schauen nach dem Rechten. Wenn es unaufschiebbare Dinge zu regeln gibt, kann das auch aus der Ferne telefonisch oder per Mail erledigt werden.

Die Wohnmobilisten sind eine große Community, man hilft sich aus, gibt Tipps, weiß Rat, verbringt eine gute Zeit miteinander, geht anschließend seiner eigenen Wege und manchmal trifft man sich auch wieder. Begegnungen mit Ortsansässigen sind ebenso willkommen und manchmal findet eine Unterhaltung mit „Händen und Füßen“ und viel Humor statt. Wir genießen diese Unverbindlichkeit. Genau darin liegt der Reiz, sich nicht einlassen zu müssen. Das Leben ist so kompliziert geworden mit all den unfassbar vielen Regeln, Gesetzen und Vorschriften. „Wir sind dann mal weg“, heiß auch, nicht sofort auf Anfragen etc. antworten, reagieren zu „müssen“. Wir haben vereinbart, wenn es etwas ganz Wichtiges gibt, wird telefoniert.
Einsamkeit haben wir bisher noch nicht empfunden. Es ist ein langsameres Leben, das uns in seiner Einfachheit inspiriert und bereichert.

Uta

Die Verfasserin hat im Kurs „kreativ schreiben“ an der VHS Schorndorf ihr erzählerisches Talent erprobt. Sie will mit den Gernschreiberinnen der Gruppe 7punkt3 Kontakt halten und ist der Bitte nachgekommen, uns teilhaben zu lassen an dem Lebensgefühl unterwegs.

Renate Schauer
PS.: 767.325 Wohnmobile gab es 2022 laut Martin Kord, statista.com in Deutschland – ein neuer Rekord.

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Nov 11 2022

Vom Schmälern der Komfortzonen und der Sehnsucht nach Kultur

Autor: . Abgelegt unter Alltag,Kultur

Das Leben ist anstrengend geworden. Ständig Licht aus- und anmachen, sobald man das Zimmer wechselt, kalte Türklinken, kalte Klobrillen. Was das Virus begann, setzt die Energie-Krise fort: die Komfortzonen sind auf dem Prüfstand. Diesmal nicht nur umweltschädigende Kreuzfahrten und dergleichen, sondern auch das sorglose Aufdrehen des Wasserhahns beim Zähneputzen. Wann wird da mal nur noch ein Rinnsal fließen, wann vielleicht eine Rationierung den Verbrauch drosseln müssen?

Der Stoff wird den Schriftstellerinnen und Schriftstellern angesichts der angespannten Lage nicht ausgehen. Doch ist das Kulturwesen inzwischen an Leiden gewöhnt. Gleichzeitig haben sich die Beweise gehäuft, dass die Sehnsucht nach Kultur nicht unterdrückbar ist. Eventhunger. Das Wort klingt irgendwie blöd. Aber zusammenkommen will man schon, nicht nur einzeln bzw. einsam ein Buch lesen oder im Fernsehen gute Filme/Sendungen herausfiltern. Kultur nährt also – sehr gerne unter ebenso Interessierten.

Ist sie auch einfach herzustellen? Das war sie noch nie! Man hat es den Künstlern seit jeher nur gerne unterstellt, weil sie es ja angeblich zu ihrer Freude machen und dabei nicht auf finanziellen Profit schielen. Wer was für die Seele tut, muss ja nicht unbedingt daran verdienen, oder? Tja, diese Gratis-Irrationalität hält sich erstaunlich lange.

Vom Honorar eines Buches beispielsweise wird keine Autorin satt. Das war schon immer so. Lesungen als „Zusatzgeschäft“ bessern die Finanzen etwas auf, wenn der existenzsichernde „Nebenjob“ (wie taxifahren, Firmen putzen oder im Supermarkt Regale füllen) den Zeitaufwand dafür überhaupt erlaubt. Ja, es stimmt: Kultur ist Luxus – vor allem für deren Schöpfer/Urheberin! Daher ist es immer wieder erstaunlich, welche bemerkenswerte bis hervorragende Werke das Licht der Welt erblicken! Um ein Kind großzuziehen, braucht man ein ganzes Dorf – wie ein afrikanisches Sprichwort sagt. Um ein Buch marktreif zu machen, bedarf es nicht weniger Geistes- und Handarbeiter!

Gespannt erwarten wir „365 Tage Liebe“. Für Ende November ist diese Anthologie angekündigt. Sie enthält Beiträge von Teilnehmerinnen des Schorndorfer Kurses „Kreativ schreiben“.

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Nov 28 2021

Fronten dürfen nicht verhärten!

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Alltag

Manchmal verdichten sich Anforderungen an die Leistungsfähigkeit, und zusätzlich wird das Leben von einer schwarzen Wolke überschattet. Urplötzlich öffnet sich in der Wolke ein Schlitz, die Nachricht von Tod eines lieben Bekannten fällt nieder, löscht kurzzeitig das Denkvermögen aus, die Glieder fühlen sich wie gelähmt an, der Schock kann die Tränen nicht bremsen. Corona? Nein, das war nur „das Zünglein an der Waage“, erfahre ich.

Jeden Tag hören wir von der Pandemie, Vorsichtsmaßnahmen sind allgegenwärtig. Begegnet mir ein Krankenwagen mit Blaulicht, wünsche ich dem Patienten/der Patientin, dass im Krankenhaus niemand ist, von dem eine Ansteckungsgefahr ausgeht, und vor allem, dass ein Bett frei ist. Wer einen Unfall oder einen Herzinfarkt erleidet, kann über „das Zünglein an der Waage“ in ein noch schlimmeres Schicksal geraten oder gar sterben.

Wutentbrannt wird über „Impfpflicht ja/nein“ gestritten – leider mit zunehmend verhärteten Fronten. Genau letzteres sollten wir uns nicht leisten. Hierzu sind Psycholog:innen und andere Wissenschaftler:innen gefragt, damit wir trotz schwerwiegender Meinungsverschiedenheiten mit weitreichenden Konsequenzen ein friedliches Land bleiben.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen besinnlichen Advent!

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Aug 01 2021

Klo? Wo?

Autor: . Abgelegt unter Alltag

Zwei Jahrzehnte sind vergangen, seit ich das erste Mal in unserer Kreisstadt bei einer Beerdigung das „Örtchen“ aufsuchen musste. Ich war froh, dass es eins gab, auch wenn dessen Outfit noch von „vorvorgestern“ war. Die Tür aus Holz war sogar unten „angefressen“, so dass ein kühles Lüftchen hereinwehte. Doch man konnte mit einem Riegel abschließen, die Spülung funktionierte, und Händewaschen war auch möglich.

Bald wurden mir Friedhöfe zur Zuflucht, wenn ich auf Landstraßen unterwegs war. Sie sind nicht wie Autobahnen fürs Pippi-Machen gerüstet. Es ist nicht jederfraus Sache, mal eben kurz in den Wald hinter Bäume zu verschwinden. Der Mangel an Hygiene-Einrichtungen war lange Zeit auch in Supermärkten zu beklagen. Ich begann, in Städten vorbildlich eingerichtete „Bedürfnis-Anstalten“ (ein altes schönes Wort!) zu fotografieren. Da ein sog. dringendes Bedürfnis nicht nur Schwangere beim Stadtbummel überkommt, wurde mancherorts „die nette Toilette“ in Gaststätten eingeführt, wo die öffentlichen Toiletten rar sind. Wie kann es überhaupt geschehen, dass sie städtebaulich vergessen werden? Wer sich während des Lockdowns nach den nett-toilettierten Gaststätten umsah, stand oft vor verschlossener Tür.

Ohne Namen zu nennen will ich den ärgerlichen Fall erwähnen, dass ich in einer Gemeinde Pech hatte, als ich das WC auf dem Friedhof benutzen wollte. Da ich dort öfter Gräber besuchte, habe ich auch beim nächsten Mal wieder auf die Klinke gedrückt – abermals vergeblich. Es war auch kein Schild mit „Derzeit wird hier renoviert“ oder so angebracht. War hier mal ein Junkie erwischt worden? Fehlte Personal für Pflege und Wartung? Wie steht es hier mit den Rahmenbedingungen für die im Grundgesetz garantierte Würde?

Es passt ins Zeitgeschehen, dass alles, was wir hinter/unter uns lassen (unliebsame Hinterlassenschaften eben) nicht entsprechend berücksichtigt wird. Von Atommüll bis hin zu … Aufzählungen sind an dieser Stelle nicht nötig. Berichtet werden soll jedoch, dass der Stadtteil mit der „angeknabberten“ Klotür vor einigen Wochen mit der Eröffnung einer nagelneuen, modernen Friedhofstoilette glänzen durfte. Bravo! Nach mehr als 20 Jahren eine wahrhaft sagenhafte Leistung! 

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Mrz 21 2021

Sich aus dem Schneckenhaus trauen – trotz social distancing

Autor: . Abgelegt unter Alltag

Ihre Kolumnen klingen stets er- und aufmunternd. Kein Wunder, versteht sie sich doch als „Reiseleiterin ins unsichtbare Innere“ >> Tina Peel, die in diesem Blog schon am 3. Feb. 2017 von ihrer Arbeit als Lebensberaterin und Astrologin sagte: „Es reicht nicht, den Verstand zu füttern.“  Inzwischen hat sie ihr Buch „Partnerschaft – der Schleichweg zum Ich“ in dritter Auflage veröffentlicht.

Ich wollte von ihr wissen:  >> Was ist aus Deiner Sicht als Astrologin das Besondere an diesem Jahr?

Tina Peel. Saturn meint im Wassermann, dass es sehr darauf ankommt, von welcher «Couleur» die Art unseres Denkens ist. Mehr Disziplin im Denken und klarere Lenkung der Gedankenpferde wird unter diesem «Stern» von uns auf jeden Fall verlangt. Damit steht und fällt denn auch, wie erleichternd und befreiend sich für jeden Einzelnen das Jahr 2021 gestaltet. Realität ist bekanntlich nichts Fixes und sehr individuell, das sollten wir nicht vergessen. Übung macht den Meister, und Saturn unterstützt unsere Bemühungen diesbezüglich auf jeden Fall.

Ist Verunsicherung ein größeres Thema als in vergangenen Jahren?

Peel. Verunsicherung ist IMMER ein Thema. Und auch da rät Saturn im Wassermann, die Position des neutralen Beobachters einzunehmen, denn mit Abstand sieht man mehr. Es ist eine Sichtweise, die man sich Schritt für Schritt erarbeiten muss. Doch es lohnt sich. Auch Jupiter, zurzeit ebenfalls im Wassermann, bläst ins gleiche Horn. Betrachten wir alles in einem größeren Rahmen, erkennen wir erst den Sinn darin. Es ist also eine gute Zeit, neue Sichtweisen zu wagen, um Einsichten und mehr Überblick zu erhalten.

Social distancing – das dämpft, wie allseits erlebbar ist. Welche Extreme könnten passieren, wenn die Ventile wieder geöffnet werden dürfen?

Peel. Die einen stürzen sich wahrscheinlich umso mehr ins Getümmel, so wie letzten Sommer. Nachholbedarf. Andere wiederum entwickelten sich dadurch zu echten Einsiedlern und finden den Zugang nicht mehr. Je länger ein Rückzug dauert, umso menschenscheuer kann man werden, wie es an älteren Semestern oft erkennbar ist. Alles ist zu viel, zu laut, zu aufregend.

Was kann man aktiv tun, um Vertrauen zu stärken?

Peel. Sich aus dem Schneckenhaus trauen und offen und hartnäckig freundlich auf die Außenwelt zugehen. Das tut nicht nur anderen gut, sondern auch uns selbst. Und … das Echo ist entsprechend positiv. Das Vertrauen wächst dann analog dazu von selbst.

Aus dem Schneckenhaus trauen? Mehr Briefe schreiben und telefonieren?

Peel. Egal wie, Hauptsache dass! Jeder hat da seine Vorlieben. Und wer wirklich bereit ist, sich einzulassen, findet immer einen Weg, wie es ihm gelingt. Auch hier gilt: Je weniger wir uns auf eine Form versteifen, umso größer und vielfältiger sind doch die Kontaktchancen.

Vielen Dank für das Interview! Weiteres ist nachzulesen auf > http://astro-lebensberatung.ch/

>> In eigener Sache: “kreativ schreiben” in Schorndorf läuft am 24.3.2021 online an (via Zoom), für den Herbst konzipiere ich vorsichtshalber überwiegend online-Angebote. Näheres dazu jeweils aktuell unter https://journalismus-und-mehr.com/2punkt0/category/veranstaltungen/

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Jan 02 2020

Ministerium für Einsamkeit

Autor: . Abgelegt unter Alltag,Literatur

Zum Jahresauftakt eine positive Information über England: Dort gibt es das weltweit erste Ministerium für Einsamkeit. Darüber las ich in dem Buch „Der Kampf um die Würde: Was wir vom wahren Leben lernen können“ von Michael Steinbrecher (Nachwort: Martin Müller). Eine empfehlenswerte Lektüre übrigens! Der Deutschlandfunk berichtete über das Ministerium http://bit.ly/2QgfK3n am 23.12.19 (abgerufen am 2.1.20)

Es freut mich, dass das Thema langsam nach vorne rutscht, haben doch längst namhafte Wissenschaftler wie zum Beispiel Manfred Spitzer darauf aufmerksam gemacht. (Einsamkeit – die unerkannte Krankheit: schmerzhaft, ansteckend, tödlich. Droemer Verlag) Apropos ansteckend: Auch Gesundheit kann ansteckend sein. Da wir uns alle unserer Umwelt mehr oder weniger angleichen, ist es nicht egal, womit bzw. mit wem wir uns umgeben. So hoffe ich, dass es sich für alle einrichten lässt, positive Einflüsse zu wählen. Es gibt sie – wie man sieht sogar in England, das uns ja im letzten Jahr vornehmlich mit Brexit-Nachrichten gequält hat.

Positive Einflüsse sichert man sich unter anderem durch vielfältige Vernetzung. Oder aber man hat ein Hobby wie „kreativ schreiben“, wozu ich 2020 wieder einlade. In der Volkshochschule Unteres Remstal heißt das Motto:  Kreativ schreibend durch den Dschungel des Lebens und beginnt am 1.4.2020, gefolgt von zwei Terminen im Sommeratelier ab 1.8.2020.

Fest etabliert hat sich der Kurs in Schorndorf, der angesichts erfolgreicher Lesungen eine erste Buchveröffentlichung plant. Das neue Programmheft der VHS Schorndorf https://cutt.ly/IryRhTc kündigt auf Seite 8 unsere Lesung am 23.9.2020 an: Poesie im Herbst – vielstimmig und bunt. Darunter: Kurs 20134 > Wege & Zweifel – selbige erkunden wir ab 25.3.2019

Vielstimmig, bunt und gut vernetzt starte ich ins Jahr 2020 und wünsche allen Gesundheit, Erfüllung und frohen Mut!

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Nov 01 2019

Trauer & Erinnerung

Autor: . Abgelegt unter Alltag,Kultur

Schwarzgekleidete entfernen sich vom Friedhof. Völlig klar, wer zum „engsten Kreis“ gehört und zu einem Kaffee eingeladen ist. Auch jene, die Geburtstage wegen „Terminschwierigkeiten“ versäumten, haben jetzt Zeit. Die Angehörigen haben vorläufig genug geweint. Die Trauer kommt sowieso später.

Doch was bleibt von der/dem Verstorbenen? Welche Bilder setzen sich endgültig fest, welche Episoden überleben? War die Trauerrede aufschlussreich? Hat sie Erinnerungen der Gäste aufgefrischt, diese vielleicht sogar ergänzt oder enthielt sie womöglich eine Korrektur alter Spekulationen? Was würde der oder die Verstorbene dazu sagen?

Wechseln wir sie Szene. Eine Freundin kündigt an, sie schickt mir den Text, der an ihrem Grab vorgelesen werden soll. Auch ihr Bestatter weiß davon. In einem „Vorsorge-Gespräch“ hatte sie mit ihm alles geregelt, da aufgrund ihrer unheilbaren Krankheit möglicherweise nicht mehr viel Zeit bliebe. Ihrem Sohn sollten im Sterbefall leidvolle Entscheidungen erspart bleiben. Wenig später staune ich, dass dieses Leben nicht mehr als ein DIN-A-Blatt beansprucht. „Mehr muss man von mir nicht wissen“, so meine Freundin, zu der diese Art von Minimalismus passt. Keinerlei Ehrgeiz, anderer Leute Erinnerungen beeinflussen zu wollen.

Abermaliger Szenenwechsel. Das Geburtstagskind bittet die fröhliche Tischrunde um Aufmerksamkeit: „Früh habe ich Vater und Mutter verloren, ohne sie genügend über ihr Leben ausgefragt zu haben. Ich will, dass Ihr überliefert bekommt, was mir wichtig war und ist, was mich geformt hat, wovon ich mich freigeschwommen habe, welchen Werten und Visionen ich folgte. Dank der Rente habe ich jetzt Zeit und Muße, alles aufzuschreiben. Und wenn ich 100 Jahre alt werde, entsteht keine Ratlosigkeit über meinen Nachruf, weil möglicherweise keiner von meinen Weggefährten mehr Auskunft geben kann.“

Sein Neffe will das forsch abtun, weil ja „immer jemand da ist, der Daten rekonstruieren kann.“ „Um Daten geht es nicht“, fällt ihm eine Cousine ins Wort. „Anekdoten geben Auskunft über Haltung, Brüche und Richtung eines Lebens. Und die müssen notiert sein, denn Erinnerungen sind vage, manchmal auch lückenhaft.“  

Zugegeben – diese Montage von Szenen steuert absichtsvoll auf den Punkt zu, dass Gedanken um die Endlichkeit des Lebens unbeliebt sind und somit Vorausschauendes unterbleibt. Gemeint ist, sich beizeiten die Hoheit darüber zu sichern, was von einem in der Welt bleibt, wenn man diese verlassen hat. Ob das nun Memoiren sind oder einfach Stichpunkte bzw. Skizzen von einzelnen Lebensstationen – die Nachgeborenen werden zu schätzen wissen, im O-Ton das zu erfahren, was sie nicht erfragt oder vergessen haben.

Freilich können jene, die die Beisetzung ausrichten, Auskunft über den Verstorbenen geben, wenn eine Trauerrede erstellt werden soll. Doch was macht die Trauerrednerin, wenn die Perspektive eines langjährigen Ehepartners fehlt, weil dieser zuvor gestorben oder aufgrund einer Trennung nicht mehr greifbar ist? Kinder haben Vater oder Mutter erst kennengelernt, als diese bereits erwachsen waren, und noch später erst begreifen gelernt. Somit ist ihr Blickwinkel ein anderer als der der Generation davor. Zudem ist es nicht selten, dass sich Kinder widersprechen – der eine hat die Mutter zaudernd erlebt, der andere als dominant.  

Wobei die Trauerrede nur eine Augenblickssache ist. Sie ist das Nadelöhr, durch das man sich beim Abschied auf dem Friedhof zu schlängeln hat. Sie dient der Balance zwischen Aufgewühltsein und der Vernunft, die die sterblichen Überreste dem Friedhof übereignet. Sie soll zur Ruhe führen, dem inneren Frieden mit dem Schicksal den Weg bereiten.

Weitreichender ist die Spur, die ein Mensch hinterlässt. Er war zweifelsohne mehr als die Summe aller Worte, die man über ihn verliert. Er wird unweigerlich in Mosaiksteinchen erinnert. Die Schwester erinnert andere Momente als die Angetraute oder der Sohn, der Blickwinkel der einstigen Schulkameradin unterscheidet sich von dem der Nachbarin oder dem des Hausarztes. Das alles zusammenzubinden, wäre eine große Aufgabe, bei der dennoch niemand gewährleisten könnte, dass das Ergebnis dem Erinnerten gerecht würde. Dieser selbst verleiht sich Authentizität, indem er allen Hinterbliebenen an die Hand gibt, was aus seiner Sicht im Gedächtnis behalten werden soll.

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Mai 22 2019

Stallgeruch, Systemzwänge & mehr

Autor: . Abgelegt unter Alltag

Manchmal sitze ich vor Menschen, die nicht wissen, dass ich ihren Stallgeruch entschlüssle. Stallgeruch ist etwas, das man mitbringt und nicht abwaschen kann. Wenn zwei den gleichen Stallgeruch haben, gibt es kein Nachdenken darüber. Wenn aber der persönliche Code sich unterscheidet, entsteht eine Grauzone: Wer erkennt den anderen wie weit?

Seinen besonderen Reiz hat es in einem Abhängigkeitsverhältnis, wenn Sender und Empfänger einander zu durchschauen versuchen. Wenn zum Beispiel der Arzt einer Schmerzgeplagten erklärt, dass ihr Zustand nicht lebensbedrohlich ist. Dann weiß die Patientin, dass an ihn nicht ranzukommen ist – zumindest nicht mit dem Ansinnen, das sie hat. (Und er denkt vielleicht, er hat ihr eine Entlastung beschert, der Kluge!)

Beschwichtigen, herunterspielen, begrenzen – nicht nur der Medizinbetrieb funktioniert so, anstatt sich ganzheitlicher Denke zu befleißigen und entsprechend weitsichtig zu agieren. Es mag in der Natur des Menschen liegen, sich erst mal dem Naheliegenden zu widmen. Aber wo dies System hat und nichts weiter folgt, schmilzt das Verantwortungsbewusstsein auf Bierdeckelgröße. Sprich: Der Mediziner, der seine Maske der Autorität („ich weiß mehr als du und wie es langzugehen hat“) demonstrativ hochhält, übernimmt sich nicht in seinem Job. Die Risiken, die in sein Ressort passen, verteilt er auf möglichst viele Schultern – budgetsparend. Die anderen außerhalb seines Ressorts überlässt er seinen Kollegen. Arbeitsteilung würde man organisationstechnisch dazu sagen.

Es gibt auch die andere Sorte – die, die Angst macht, indem sie Gefahren drastisch hochspielt. (Die kann genauso borniert sein wie jene der „Versachlicher“.) Mich erinnert sie immer an meine Schulzeit. Jeder Lehrer erachtete sein Fach als das Wichtigste und forderte entsprechenden Fleiß und Engagement. Im Umgang mit solchen Menschentypen kann man üben, die eigenen Antennen für Signale und Verhältnismäßigkeit zu schärfen.

Ich gebe zu: Stallgeruch ist ein altes Wort (siehe unten). Heutzutage spricht man von „Codes“, die unauffällig die closed shops klassifizieren. Wir tun allerdings so, als seien wir eine aufgeklärte und „durchlässige“ Gesellschaft, vielseitig orientiert und vornehmlich mit nüchternem Blick unterwegs. (Für Doppelbödigkeiten ist eh keine Zeit, denn die bedürfen des Nachdenkens, Innehaltens.)

Vorurteile verschaffen vermeintliche Sicherheit. Doch täuschen kann man sich in jeder Hinsicht.  Von wegen erster Eindruck oder Stallgeruch. Eine Bankangestellte schilderte mir diesbezüglich ihr Aha-Erlebnis: Vor etwa 25 Jahren kam sie morgens kurz vor Öffnung ihrer Filiale an einem Mann vorbei, der abgerissen und ungepflegt wirkte. Tendenz „Penner“, möglicherweise sogar kriminell. Sie staunte nicht schlecht, als er 15 Minuten später bei ihr an der Theke (damals nannte man das noch „Schalter“) stand, sich auswies und eine beträchtliche Summe auf sein Konto einzahlte.

Seither nehme ich gelassen zur Kenntnis, wenn ich verkannt werde. Wenn ich den Code des anderen lesen kann, er aber meinen nicht. Leider gibt es häufig festzementierte Rollen, die keine Auflösung zulassen. Das nennt man entweder „Scheuklappen“ oder „Systemzwänge“. Wir haben jede Menge davon. Immer noch und wider die Erfahrung: Ihr Nutzen ist schwach – verglichen mit den Vorteilen, die das Gegenteil brächte.

* * * * *

Apropos alte Worte: Mühsal & Drangsal gehören auch in die Kategorie. Nicht nur ich grabe hin und wieder aus der Mode gekommene Worte aus. Auch im Netz werden sie gesammelt und aufgetischt – zum Beispiel hier: https://www.kunst-worte.de/archaismen/ Im Lexikon der alten Wörter werden selbige sogar erklärt: https://ewnor.de/lexikon/lex-b.php

Zu Eliten & Stallgeruch gibt es hier Erhellendes: https://www.zeit.de/studium/uni-leben/2013-02/eliten-forscher-hartmann-stipendium-exzellenzinitiative

Ebenso lesenswert: https://www.sueddeutsche.de/karriere/aufstieg-der-elite-der-stallgeruch-macht-s-1.55133

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Sep 04 2018

Kleine Ärgernisse & (nahezu) Perfektes

Autor: . Abgelegt unter Alltag,Literatur

Ich habe sie gemessen. Genau fünf Millimeter (5 mm!!) ist der Durchmesser der Tablette. Und die soll ich teilen. Dazu hat sie eine Einkerbung. Meist funktioniert das nur mit Verlusten. Das Ergebnis sind dann zwei ungleiche Teile, wovon ich den „zukurzgekommenen“ wegwerfe, denn ich will ja nicht unterversorgt sein. Kostendämpfung? Hahaha! Und wie ist das in 20 Jahren, wenn die Seh- und Greiffähigkeit nachgelassen hat und Mini-Formate solcher Güte auch ungeteilt den Fingern nicht mehr gehorchen? Vergessen die Hersteller, dass nicht nur  die Inhalte stimmen, sondern auch die Handhabung kundenfreundlich sein muss?

Kennen Sie solche Ärgernisse? Machtlos steht man ihnen gegenüber, weil das System nicht mit sich reden lässt. Doch es gibt auch individuelle Unzulänglichkeiten, die sich hartnäckig halten. Bei mir ist es der Abroller für den Klebstreifen. Seine Zacken sind einfach nicht scharf genug. Stets muss ich eine Schere zur Hilfe nehmen. Umständlich! Wie wäre es mit einem neuen Abroller? Das frage ich mich schon lange, fasste schon oft den Vorsatz zum Kauf – und vergesse es dann leider wieder.

 

So ist es: nichts und niemand ist perfekt. Das Bemühen um Perfektion treibt manchmal seltsame Blüten. So lernte ich bei der „Sendungsverfolgung“ (DHL) ein neues Wort. Ich erwartete ein Paket und klickte mich durch bis zu diesem Satz: „Wir erwarten Ihre Sendungsdaten in Kürze. Bitte beachten Sie jedoch, dass wir Sendungen erst beauskunften können, wenn der Versender die Sendung oder die Sendungsdaten an uns übermittelt hat.“

„Beauskunften“ ist also neu in meinem Wortschatz! Welch eine Errungenschaft! Doch zugegeben: Die Auskunft ist perfekt!

 

Nahzu „perfekt“ fand ich in letzter Zeit zwei Bücher, die ich zur Entspannung an dieser Stelle gerne empfehle:

Eine Liebe, in Gedanken > Rez. hier > http://url9.de/ZeB und 14 Kurzgeschichten, die sich zunächst dem „glatten Lesen“ zu widersetzen scheinen, dann aber doch durch ihre Spiegelungen bestechen: Mehr Zuhause als ich > Rez. hier > http://url9.de/ZeC

Wer selbst schreiben will und dazu die Gemeinschaft eines Kurses „kreativ schreiben“ sucht: Ich unterrichte in Schorndorf, Aichwald und Nördingen. Näheres hier > http://journalismus-und-mehr.com/lesehimmel.php

Die nächste Lesung:

Mit Texten zum Olymp
Nobelpreise an Frauen

17.10.2018 in der VHS Schorndorf, 19 bis ca. 21.30 Uhr

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