Archiv für die Kategorie 'Literatur'

Jul 18 2015

Das innere Korsett – Wie Frauen dazu erzogen …

Autor: . Abgelegt unter Alltag,Literatur

Dem Interview zum „Inneren Korsett“ möchte ich – mit Erlaubnis des C. H. Beck Verlages – eine Textpassage nachschieben, die uns in dem Buch von Gabriela Häfner und Bärbel Kerber ins Gehirn entführt. Dort hat man mittels bildgebender Verfahren tatsächlich Unterscheide zwischen männlichen und weiblichen Verschaltungen festgestellt – und zwar ab ca. dem 13. Lebensjahr (Seite 83/84). Warum so spät?
„Mit jeder Erfahrung, die wir machen, verbinden sich (…) neue Schaltkreise in unserem Oberstübchen. Werden dieselben Erfahrungen wieder und wieder gemacht, ergeben sich daraus im Laufe der Zeit dauerhafte neuronale Verbindungen.“
Die Fachsprache nennt das „Neuroplastizität“. Unser Gehirn wandelt sich, im Rentenalter sieht es folglich anders aus als während der Schulzeit. Die beiden Autorinnen berufen sich u. a. auf die Neurobiologin Lise Eliot. Von deren Erkenntnissen lässt sich ableiten: „…dort, wo es anfangs noch lediglich kleine Unterschiede gibt, werden diese immer größer, und zwar dadurch, dass man Mädchen und Jungen andere Angebote zum Einüben von Fertigkeiten macht. Klischees sind also alles andere als nur ein harmloser oder unterhaltsamer Zeitvertreib, sondern machtvolle Bilder, die unser Verhalten lenken können, ohne dass wir dies wollen oder ihnen etwas entgegensetzen könnten.“ ZITAT ENDE
Wie also wegkommen von den Bildern? Das Werbefernsehen versuchen schon andere Engagierte zu beeinflussen – das ist eine langwierige Angelegenheit. Auch Rollenstereotype in Unterhaltungsfilmen werden immer wieder reklamiert. Im persönlichen Umfeld im Alltag bieten sich kleine Schritte an – zum Beispiel „rollenunspezifische“ Stärken zu entdecken und zu fördern.

Bibliografisches Angaben siehe am Ende des Interviews mit Bärbel Kerber vom 21.6.2015

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Mai 29 2015

Schuhe – ein ergiebiges Thema

Autor: . Abgelegt unter Kultur,Literatur

SAMSUNG CAMERA PICTURES SAMSUNG CAMERA PICTURESWer hätte gedacht, dass Schuhe die Phantasie so üppig sprudeln lassen! Die Teilnehmer der Schreibwerkstatt “Schreiben wollte ich schon immer” in Schorndorf freuen sich  zur Zeit über vielfältige Ideen. Es entstehen lustige, unterhaltsame sowie tiefergehende Geschichten mit der Option auf “mehr”. Als Kursleiterin bin ich neugierig, was sich hieraus noch alles entwickeln lässt.

Der Herbstkurs ist in Schorndorf für 28.10., 18.11. und 9.12.15, jeweils 18.15 – 20.30 Uhr eingeplant.

Nördlingen: Sprachgefühl und Textstärke kann man hier an zwei Samstagen trainieren/verbessern: 14.11. und 12.12.15. Die Themen kommen aus dem Alltag, aus der Biografie oder dürfen fiktiv sein – je nach Bedürfnis der Teilnehmenden.  “Schreiben heißt anfangen, dem eigenen Ton zu vertrauen, dabei zwar einige Regeln zu beherzigen, aber dennoch immer wieder Experimente zu wagen. ”

IM NETZ: Ein zwangloser online-Kurs mit viel Zeit zwischen Abgabe- und Feedback-Terminen ist im Aufbau. Interessenten können sich dazu noch melden. Möglicherweise muss ich ab 2016 dafür eine Gebühr erheben, aber vorerst kann ich meine Begleitung noch gratis anbieten.

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Feb 10 2015

Kinderbücher immer einschlägiger: Zartes für Mädchen, Hartes für Jungs

Autor: . Abgelegt unter Alltag,Kultur,Literatur

Klischees im Kinderbuch: Börsenblatt-Spezial analysiert Zunahme von Stereotypen *+
PM.* Die Gleichberechtigung in Sachen Kinderbuch scheint auf dem Rückzug zu sein. “Seit mehreren Jahren beobachte ich, dass das Angebot der Verlage, aber auch die Nachfrage durch Kunden mehr und mehr den Geschlechtertypen entspricht”, bestätigt Susanne Lux von der Mainzer Buchhandlung Nimmerland im Gespräch mit dem Börsenblatt. In der aktuellen Spezial-Ausgabe zum Thema Kinder- und Jungendbuch betreibt die Redaktion Ursachenforschung. Lektorin Katja Massury aus dem Fischer Verlag bringt das Ergebnis mit einem Hinweis auf die Doppeladressierung von Kinderbüchern auf den Punkt: “Natürlich versucht man, mit der Aufmachung eine Kundschaft zu bedienen, die sich stark an Rollenbildern orientiert. In der Kinderliteratur kaufen ja nicht die Leser das Buch, sondern ihre Eltern, Tanten und Großeltern.”

Um die Entwicklung des Trends zu verstehen, hilft ein Blick zurück in die 1980er Jahre. Im Zuge der Emanzipation sorgten damals viele sensibilisierte Verlage und Autoren für mehr Gleichberechtigung im Kinderbuch. “Nachdem der Ruf nach starken Mädchengestalten laut wurde, wurden neue Charaktere wie Christian Bienieks “Karo Karotte” bewusst für Mädchen geschaffen”, erinnert sich Susanne Lux. Das hätte allerdings zur Folge gehabt, dass nach zehn Jahren die spannenden, aufregenden Hauptfiguren alle Mädchen waren. “Und das Erstaunen war groß, dass die Jungen das Lesen quasi einstellten, weil es nichts Interessantes für sie gab. “Wir brauchen Jungenliteratur!” war die Antwort, so die Buchhändlerin.

Heute stehen die Buchhändler mit ihren Kunden oftmals vor geteilten Kinderbuchregalen: Blau für die Jungs, rosa für die Mädchen. “Käufer fühlen sich oft auf der sicheren Seite, wenn sie in der Buchhandlung nach einem Lesetipp für einen Jungen fragen und dann ein Buch in die Hand gedrückt bekommen, das deutlich zuzuordnen ist” berichtet Katja Massury. Allerdings rege sich auch bei den Eltern mehr und mehr Widerstand gegen die typische Zuordnung nach Prinzessin oder Ritter, wie Lektorin Tatjana Kröll von Knesebeck zu bedenken gibt. Deshalb lege man laut Britta Kierdorf, Sprecherin von Ars Edition, Wert auf einen Programmmix mit neutralen Titeln und Büchern, die Rollenklischees bewusst brechen. Jenseits aller konzeptionellen Überlegungen sind aber vor allem die Verkaufszahlen ein entscheidendes Kriterium, an dem Verlage nicht vorbeikommen, erklärt Kathy Heyer, Programmleiterin für das Coppenrath Kinderbuch: “Die letzten Jahre haben gezeigt, dass im Abverkauf insbesondere in der Altersstufe bis elf Jahre vermeintlich stereotyp gestaltete Titel gewinnen.”

Mit einem Anteil von 17,4 Prozent am Gesamtumsatz bildete das Kinder- und Jungendbuch laut GfK Entertainment im vergangenen Jahr das zweitstärkste Segment des deutschen Buchhandels. (*PM ist die Abkürzung für Pressemitteilung. Diese kommt vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. )

*+ Dieser Blog ist weiterhin journalistisch unabhängig und niemandem verpflichtet, kann gelegentlich jedoch interessanten Presse-Mitteilungen nicht widerstehen – zuletzt zum Beispiel am 27.9.2013 > Mezis-Ärzte gegen Korruption – Gesetzgebung wachsam beobachten! von >> Mezis. Die Abkürzung steht für „Mein Essen zahl ich selbst – Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte“.

In naher Zukunft werden hier auch Experten zu Wort kommen – Interviews sind verabredet, Statements wie das von Jutta Bender, Psychologin und Trauerrednerin, bleiben vorerst die Ausnahme.

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Nov 09 2014

Wunderlich fährt nach Norden

Autor: . Abgelegt unter Kultur,Literatur

Wie charmant es sein kann, wenn nicht alles enträtselt wird, zeigt uns Marion Brasch mit ihrem zweiten Roman „Wunderlich fährt nach Norden“. Die besonderen Momente im Unbestimmten ergeben ein kurzweiliges Buch, obwohl nichts wirklich Spektakuläres passiert.

Acht Tage begleiten wir Wunderlich, 43, Gelegenheitsjobber nach gescheiterter Ausbildung zum Bildhauer, der Wundersames und Skurriles erlebt, das ihn nach und nach aus seiner Lethargie lockt. Bevor es auf Seite 255 heißt, der Protagonist sei „aufgewacht“, ließ er sich (fast) nur treiben. Belohnt wurde er mit der Entwicklung vom unglücklichsten zum verwirrtesten Menschen, den er kannte. Ein verschmitztes Grinsen ist hier wie an vielen anderen Stellen des Romans „Wunderlich fährt nach Norden“ von Marion Brasch kaum zu unterdrücken.
Wunderlich wird uns von seinem Mobiltelefon vorgestellt. Denn das kann sprechen beziehungsweise übermittelt „Weisheiten“, Warnungen und Wegweisendes. Mr. oder Mrs. Anonym wird den ganzen Roman über seine/ihre Identität nicht preisgeben, aber zwischendurch als „Orakel“ verkünden, was diesem oder jenem Zeitgenossen bevorsteht oder was er bereits hinter sich hat. Zunächst fordert es den von Liebeskummer geplagten Wunderlich auf: „Guck nach vorn.“„Anonym“ ist das erste Mysterium – witzig, unaufdringlich, spannungshaltend. Zudem gibt es im Roman eine Reihe von Begegnungen auf dem Weg nach Norden, die bis ins Detail eine gute Tragfähigkeit beweisen, aber jenseits des Üblichen rangieren. Dennoch muss noch etwas Sagenhaftes eingeführt werden: Blauharz – mit der wunderbaren Eigenschaft, schnell Wunden zu heilen. Die Kehrseite ist, dass man vergisst, dass und wodurch man verletzt gewesen ist. In philosophischer Hinsicht stellt sich die Frage, ob das in jedem Fall wünschenswert ist.
Marion Brasch hat in „Ab jetzt ist Ruhe“, dem Roman ihrer „fabelhaften Familie“ (2012), eine Erkenntnis formuliert, die Pate gestanden haben könnte bei Wunderlichs Reise – die Autorin hatte als junge Fahranfängerin begriffen, „ […] dass das schnellere Überwinden von Entfernungen nichts mit dem Erreichen von Zielen zu tun hat, die meinem Leben eine tiefere Bedeutung geben würden.“ Wunderlich, eher ein zielloser Langeweiler, bricht lediglich in eine Richtung auf („nach Norden“), das Zeitbudget scheint keine Rolle zu spielen (Gelegenheitsjobber) und ob etwas tiefere Bedeutung erlangt, wird er früher oder später merken. Das weckt Neugier, ob Unbestimmtheit gehaltvoll sein kann oder ob sich etwas herauskristallisiert, das über das Hier und Jetzt hinaus kostbar wird.

Es passt zu Wunderlich, dass sein Ausweis abgelaufen ist und ihn deshalb eine resolute Zugbegleiterin auf einer verlassenen Bahnstation aussetzt. Hier trifft er Finke, der ihn mit in seine Behausung nimmt. Wunderlich überlässt sich ohne Eile einer Reihe von Zufällen und entdeckt dabei manchen Kern, nach dem er gar nicht gesucht hatte. Auffällig: Es treten mehrere rothaarige Frauen auf – rothaarig war auch die Ex-Frau von Wunderlich, mit der er einen Sohn hat, den er vor elf Jahren das letzte Mal gesehen hat und es gibt mehrere Akteure, die wie Wunderlich 43 Jahre alt sind – unter anderem der Entdecker des Blauharzes, dem seine Entdeckung nicht gut bekommen ist. Auf welche Assoziationen und Rückblenden sich Wunderlich einlässt, ist ganz allein ihm überlassen. „Anonym“ spuckt kaum eindeutige Empfehlungen und schon gar keine Gewissheiten aus.

Auszuprobieren, wie es sich anfühlt, wenn einer weder zeitlich noch räumlich zu lokalisieren ist, kann Spaß machen, wie die Autorin – sie arbeitet als freie Rundfunkredakteurin – beweist. Jedenfalls spielt die Handlung während einer Phase in einem Landstrich, als dort zwei Kaffee und ein Schnaps noch „vierachtzig“ gekostet haben. Die Währung wird natürlich nicht verraten!

Ob es nun Wunderlich bis zum Meer schafft oder nicht, ist eigentlich fast unerheblich. Dass er manche Rätsel nicht lösen kann und ihn andere Erscheinungen irritieren, fügt sich glaubwürdig in diesen charmanten Roman, der sonderbare Momente sammelt, liebevoll ausstaffiert und dezent mit feinem Humor würzt. Hauptsache Wunderlich fühlt, dass diese Geschichte zu seinem Leben wird, er nicht länger Zuschauer bleibt. Dies ist schon viel, um das Vertrauen für alles Folgende zu kräftigen.

Marion Brasch: Wunderlich fährt nach Norden. Roman.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2014.
288 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783100013682

 

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Jul 15 2014

Rüstzeug für “haarige Zeiten”

Autor: . Abgelegt unter Literatur

Zwar rezensiere ich Neuerscheinungen (u.a. für www.literaturkritik.de, Universität Marburg), doch ab und zu greife ich sehr gerne zu alten Büchern. Sehr neugierig war ich auf „Die Stunde der Frauen“ (DVA, 1988). Darin beschreibt Christian Graf von Krockow, was seine Schwester 1944 bis 1947 in Pommern erlebte und wie ihr schließlich die Flucht in den Westen gelang. Es ist nicht nur ein fesselnder Bericht, sondern einige Details prägten sich mir besonders ein. Unter anderem dass sich die Menschen an Abenden, an denen kein Licht eingeschaltet werden konnte, mit auswendig gelernten Gedichten die Zeit erträglich machten. Sie waren dann in der Literatur zu Hause und „vergaßen“ das angsteinflößendes Chaos um sie herum.

Und genau das führte dazu, dass ich die folgende Geschichte nicht mit „Zucht und Ordnung“ verbinde, sondern in jenen Strukturen wie hier beschrieben durchaus ein Rüstzeug für „haarige Zeiten“ erkenne. Lassen Sie sich in eine einklassige Dorfschule in der jungen BRD entführen, ohne dass die Sitten von damals verklärt werden:

Der Schulalltag

„Guten Mooorgen, Herr Lehrer!“, tönte es mir jedes Mal entgegen, wenn ich morgens Punkt acht Uhr den Schulsaal betrat. Die Kinder standen auf und ich begrüßte sie ebenfalls. Doch sie setzten sich danach nicht wieder hin.
Am ersten Tag schaute ich etwas überrascht in die Runde. „Beten!“, tönte es mir von den Kleinen entgegen. Gehorsam faltete ich die Hände und die Kinder machten es mir nach. Dann sprachen sie ihr übliches Morgengebet und da ich es zum Glück auch kannte, konnte ich laut mitbeten. Danach blieben sie immer noch stehen. Was denn jetzt noch?, dachte ich im Stillen, doch da tönte es mir schon wieder entgegen: „Singen!“ Ich nickte zum Zeichen meines Einverständnisses und diesmal stimmten die großen Mädchen ein Morgenlied an und alle sangen mit. Da mir die Gabe des Gesangs leider nicht gegeben ist, sang ich nur ganz leise mit. Mehr wurde offensichtlich auch nicht erwartet. (…)

Als die drei Strophen verklungen waren, blieben die Kinder immer noch stehen. Diesmal sagte ein Viertklässler jedoch sofort: „Gedicht!“ Er zögerte auch keinen Moment, aus der Bank zu treten und vor der Klasse ein Gedicht aufzusagen, das auch im Lesebuch stand und das die Mittelstufe vor Kurzem erst auswendig gelernt hatte, wie ich aus dem Lehrnachweis ersehen konnte. Dann war eine Schülerin der Oberstufe an der Reihe. Auch sie stand sehr unbefangen vor der Klasse und trug ein Sommergedicht vor, ohne Fehler, ohne hängen zu bleiben und mit sinnvoller Betonung. Mir wurde bald klar: Ich übernahm hier eine Schule, in der feste Strukturen und sinnvolle Gewohnheiten eingeführt waren und ich beschloss,
daran auch gar nicht zu rütteln (…).

In den nächsten Wochen lernte ich meine Schule noch besser kennen und die eingeführten Regelungen ebenso: Zwei Kinder hatten den Tafeldienst, wischten die Tafeln sauber, wenn es nötig war, sorgten dafür, dass der Schwamm immer nass war und dass Kreide bereitlag. Dieser Dienst wechselte wöchentlich. Zwei größere Buben waren für den Kartendienst eingeteilt und standen bereit, wenn irgendetwas aus dem Lehrmittelraum zu holen war bzw. zurückgebracht werden musste. Wenn sie etwas aus diesem Raum holen sollten und sie sagten „Das haben wir nicht!“, dann konnte ich sicher sein, dass das auch stimmte. Ich habe da gelegentlich am Nachmittag die Probe aufs Exempel gemacht.
Ging es zum Sportplatz im Nachbardorf Desloch, mussten allerhand Kleingeräte mitgenommen werden. Bälle, Seile, Metermaß etc. wurden in Netze gepackt und zwei Buben nahmen die Netze auf den Rücken und sorgten auch dafür, dass alles wieder mit nach Hause genommen wurde und nichts auf dem Sportplatz liegen blieb.

Erste Erfahrungen

Die Erstklässler kamen normalerweise erst um zehn Uhr zum Unterricht und verlangten dann auch meine volle Aufmerksamkeit. Ihnen waren noch keine langen Stillarbeiten zuzumuten. Wenn sich allerdings ältere Schüler oder Schülerinnen zu ihnen setzten, um mit ihnen zu üben, arbeiteten sie fleißig mit und akzeptierten die Hilfe auch.

Am meisten überraschte mich allerdings ihre Unbefangenheit mir gegenüber. „Herr Lehrer, kannst du mir einmal die Schuhe binden?“, fragte zum Beispiel so ein kleines Mädchen und hielt mir seinen Fuß hin. Ich wollte schon der Aufforderung Folge leisten, besann mich aber dann doch noch eines Besseren und zeigte ihm, wie man so etwas macht. Ich muss zugeben, es hatte es schnell begriffen. „Gib mir doch einmal ein Glas, ich will Wasser trinken“, sagte einer von den Knirpsen in der Pause, als er dabei war, den Wasserhahn im Hof aufzudrehen. Ich zeigte ihm, wie man auch ohne Glas aus der hohlen Hand Wasser trinken konnte und er machte es eifrig nach. Dabei wurde zwar der Ärmel etwas feucht, aber das hat ihn nicht weiter gestört.

Die älteren Schülerinnen und Schüler begegneten mir mit Respekt und Freundlichkeit. Für sie wie auch für ihre Eltern war ich der „Herr Lehrer“ – und nicht nur in der Anrede. Ich nahm mir vor, ihnen genauso respektvoll zu begegnen, sie niemals „fertig zu machen“ und „herunterzuputzen“, wie es manche Lehrer an meinem früheren Gymnasium mit uns gerne gemacht hatten. Außerdem wollte ich niemals die Prügelstrafe anwenden, wie ich sie während meiner Volksschulzeit öfter erlebt hatte. Sie war damals noch erlaubt und wurde durchaus auch praktiziert. (…) (Leicht gekürzt.)

Autor: Egon Busch
[Jeckenbach, Amt Meisenheim Kreis Kreuznach, Rheinland-Pfalz;1960 – 2002]

Mit Dank an den Zeitgut Verlag, Berlin, entnommen aus Kirchner, Wenderoth, Busch. Guten Morgen, Herr Lehrer. Drei Dorfschullehrer erzählen. 1959 – 2002. Unterhaltsame und heitere Erinnerungen an die einklassige Dorfschule. 256 Seiten mit vielen Abbildungen, Ortsregister, ISBN 978-3-86614-225-1, Euro 10,90

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Apr 24 2014

Frieden ist kein Selbstläufer

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Literatur

 

PENTAX Image Kurz vor Ostern konnte ich einen neuen Follower auf Twitter begrüßen: „atomwaffenfrei.jetzt“. Aha, dachte ich, es ist wieder die Zeit der Friedensmärsche, die in der Öffentlichkeit am Rande wahrgenommen werden, aber dennoch das Bewusstsein wach halten, dass Frieden sich nicht von selbst „ereignet“, sondern immer wieder angemahnt und neu verhandelt werden muss.

Ostern und Frieden gehören für mich so untrennbar zusammen wie Mutlangen und die Friedensbewegung.
Dank Twitter, wo ich selbst bereits 1230 tweets postete, kam ich auf die homepage www.atomwaffenfrei.de und erfuhr, dass die Urkraine atomwaffenfrei ist. Aufatmen!

Abgesehen davon, dass ich in einem Vorort von Mutlangen zehn Jahre lebte und erlebte, wie die wie amerikanischen Streitkräfte erst mit schwerem Gerät in unserem Wald manövrierten und dann abgezogen wurden, bleiben Waffenhandel, Versöhnung und Frieden für mich wichtige Themen. Zu meinen Informationsquellen zählt u. a. das Magazin Freiraum, herausgegeben von der Pressehütte in Mutlangen.

Diese hat übrigens keineswegs ausgedient, sondern ist heute ein Tagungs- und Seminarhaus im Selbstversorgerstil, das Interessierte mieten können. Vor sieben Jahren fotografierte ich in deren Vorgarten einen unvergesslich gestalteten Wohnwagen – siehe oben. Besucher aus allen Himmelsrichtungen kommen noch immer, um sich über die Arbeit in der Friedens- und Begegnungsstätte zu informieren und staunen über die schmucke Wohnsiedlung, die auf dem ehemaligen Stationierungsgelände der Pershing II entstanden ist, wozu auch die zweitgrößte Solaranlage Baden-Württembergs gehört.

Laien fällt es mitunter schwer, Gespräche über Waffenhandel, Rüstungs- und Friedenspolitik mit Politikern außerhalb des Kreises von Gleichgesinnten anzustrengen. Doch sie können sich eines Leitfadens für Gespräche mit Abgeordneten bedienen, der hier zu finden ist > Leitfaden Wie gesagt: Frieden „herrscht“ nicht automatisch, sondern ist vergleichbar mit einer Ehe, die bekanntlich auch nicht als Selbstläufer funktioniert, sondern unter anderem auf kontinuierlichem Bemühen und verlässlicher Kommunikation beruht.

Als ich einst – übrigens noch in meinem Mutlanger Büro – den Artikel „Verzeihen Sie sich selbst“ für Reader’s Digest schrieb, ahnte ich noch nicht, dass er einmal in ein Buch der Reihe WENN DER SEELE FLÜGEL WACHSEN aufgenommen würde. Besonders froh aber bin ich, dass der Band „In Frieden leben“* heißt und unter anderem Beiträge von Christian Nürnberger (über Rosa Parks) und Josef Quadflieg (über Bertha von Suttner) versammelt. Als Klammer um die insgesamt 20 Beiträge mahnt ein Zitat von Jean-Jacques Rousseau: Wollen wir in Frieden leben, muss der Frieden aus uns selbst kommen.


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* Das Buch kann nur von Reader’s Digest direkt bezogen werden: ISBN 978-3-89915-994-3

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Apr 23 2014

Worte maßgerecht

Autor: . Abgelegt unter Literatur

Textvermessung, justieren

Feilen, verwerfen, streichen

Der Papierkorb wird zum Freund

Schreiben als Selbstverständlichkeit

Wer sagt da “maßhalten”?

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Apr 04 2014

Markt-Modell: Fans helfen Buch veröffentlichen

Autor: . Abgelegt unter Literatur

Aufschieberitis ist der größte Feind von AutorInnen. Abgesehen von mangelndem Selbstbewusstsein. Marktschreierische Selbstüberschätzung trifft man eher selten, statt dessen denken viele Textproduzenten zu wenig daran, dass sie sich für ihr „Produkt“ einsetzen müssen, damit es auf den Markt kommt und dort überzeugt.

Inzwischen gibt es nicht nur viele Schreibratgeber, sondern auch Vermarktungsratgeber: wie finde ich einen Verlag, wie veranstalte ich Lesungen etc. Spätestens, wenn ein Exposé geschrieben werden muss, denn ohne solches kann man sein Werk keinem Verlag anbieten, sollte man über die Zielgruppe nachdenken.

Nützlicher ist es, man tut es schon vorher: spielt der Roman an nachvollziehbaren Schauplätzen, wird sich sicher der Inhaber jener Kneipe dafür interessieren, in der sich der Täter vor seinem Verbrechen mit fünf Schnäpsen Mut angetrunken hat. Ist der Protagonist gar Whisky-Liebhaber und philosophiert über die Sorten in seiner Wohnzimmer-Bar, kann sich davon vielleicht eine ganze Branche angesprochen fühlen. Kommt bei dem Mord ein entwendeter Schläger des Tennisclubs TV Vororthausen zum Einsatz … Das liest sich jetzt trivial und wird nicht der Wahrheitsfindung dienen, aber solche Gedanken taugen gelegentlich als Impulse zugunsten eines wachsenden Zielgruppenbewusstseins.

In meinen Kursen „kreativ schreiben“ wird häufig diskutiert, wie man Kreativität fördert und wie wichtig der erste Satz eines Buches ist. Wir machen praktische Textübungen, lesen das Ergebnis in der Runde vor und sind meist begeistert, welche Vielfalt innerhalb kürzester Zeit zum Vorschein kommt. Zumindest in mir als Kursleiterin schwingen manche Szenen über das Kurs-Ende hinaus nach. Das belegt, dass es eigentlich nicht schwer ist, mit kleinen Kostproben Neugierde und die Lust auf mehr zu wecken.

„Kostprobe“ ist die passende Überleitung zu einem Angebot, das dieser Tage hereingeschneit kam:

>> Eine neue Form der Vermarktung ist „Crowdfunding für Bücher“. Mittels einer kleinen Leseprobe gewinnt man Interessenten, die im voraus das Buch bezahlen und es erhalten, sobald 100 Käufer ihren Obolus entrichtet haben. Einer meiner Kooperationspartner, der http://dortmund-verlag.de/ hat so eine Aktion ins Leben gerufen.

>> Sie läuft bis 15. Mai und richtet sich an alle, die ein fertiges Manuskript in der Schaulade haben. Eine Beschränkung auf Genres gibt es nicht.

Verleger Franz Krämer meint: „Das Wichtigste ist die Idee zum Buch! Wenn diese genug Kraft hat, ist der Rest eigentlich ganz einfach!“ Alle Infos zu der Aktion > http://memo-reporting.com/2014aktion.pdf

Derzeit handelt es sich um ein “Exklusiv-Angebot”, das noch nicht allgemein zugänglich ist. Interessenten sollten sich also auf mich beziehen, wenn sie sich mit diesem Angebot anfreunden.

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Feb 03 2014

Sonntagsruhe > Schab nix gemacht!

Autor: . Abgelegt unter Alltag,Literatur

Leer werden ist sonntags das Ziel. Doch dann ist es ungewohnt, mit der Leere fertig zu werden. Was macht der Stift, wenn er nicht schreiben darf? Was macht das Internet, wenn es nicht besucht und ausgeforscht wird?

Auszeit. Zeit, sich Ungelöstes vorzunehmen? Ganz entspannt sich Denksportaufgaben hingeben … Etwa: Warum wird die Familie immer noch als höchstes Gut glorifiziert und andererseits missachtet, zu wenig unterstuetzt? Oder: Drogen legalisieren oder nicht?

Komisch – manche Fragestellungen beschäftigen mich schon seit meiner Jugend, als schon sehr lange. Das sind die, auf die es keine erschöpfenden Antworten gibt. Die eben genannten gehören dazu.

Aber auch neue Fragen tauchen auf und müssen offen bleiben. Zum Beispiel die nach den Kindern, die keinen Bock auf Konzentration haben, denen Schule und Lernen egal sind wie in dem Buch “Schab nix gemacht! Geschichten aus der Hauptschule” beschrieben. Ein Buch, das nachklingt – auch sonntags, wenn nix machen angesagt ist. Ja besonders dann, wenn die eigene kleine Welt in Ordnung ist, weil ja schwer vorstellbar ist, wie es mit den Kindern weitergeht, wie deren Welt in Ordnung kommen soll, wenn sie sich nix vom Schulstoff merken können.

Ich beneide den Autor Kai Lange, um sein Gemüt. Er hat seinen Schulalltag aufgeschrieben, ohne seine Schützlinge an den Pranger zu stellen – stark! Sie sind eben so. Trotz aller Bemühungen ihrer LehrerInnen. Es würde  nichts nützen, ihrer Defizite zu dramatisieren. Wie könnte man ihnen (noch mehr) entgegenkommen, damit sie als Erwachsene bestehen können? Oder drückt man schon zu viele Augen zu? Oder sind wir allgemein zu gleichgültig ihnen gegenüber, focussieren wir lieber andere Probleme?

Ja – diese Kinder erschleichen sich einen Platz in meiner Sonntagsruhe bzw. -leere. Wahrscheinlich muss noch oft über sie geschrieben werden, damit sie die Präsenz erreichen, die konstruktive Veränderungen dringend macht. An Stammtischen gibt es sicher Geschimpfe dazu. Aber sich ärgern hält nur auf in diesem Fall. (Wo sowieso schon zu viel Zeit unnütz verstrichen ist!) Leider fühlen sich alle meine Überlegungen zu diesem vielschichtigen Komplex (über den sicher schon Zigtausend philosophiert haben!) stümperhaft an. Deshalb: lieber schweigen. Der Tontopf wird das Thema bewahren. Und ich waere jetzt fast aus der Leere gekippt.

Kai Lange. “Schab nix gemacht! Geschichten aus der Hauptschule”. Knaur TB, 256 Seiten, 8,99 Euro, ISBN-13: 978-3426786215

Verlagstext:

Kai Lange, Hauptschullehrer im Ruhrgebiet, erlebt seit über zehn Jahren in Englisch, Erdkunde oder Deutsch den Teeniewahnsinn in Klassen, in denen 95 Prozent der Schüler einen  Migrationshinter-grund haben und sich kaum auf Deutsch ausdrücken können. Geschweige denn auf Englisch. Und die eine ganz klare Vorstellung davon haben, wo denn eigentlich genau ihre Heimatstadt Bochum liegt: „In der Nähe von Deutschland.“

Als Lehrer an einer Hauptschule kann man nur überleben, wenn man zwei Voraussetzungen erfüllt:  1. Man muss seine Schüler wirklich gern haben, 2. Man darf dem, was die Schüler den ganzen Tag treiben, nur mit Humor begegnen.

 

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Jan 16 2014

Spiel mit sämtlichen Sinnen

Autor: . Abgelegt unter Literatur

Diese zwölf Erzählungen mit Widerhaken und sprachlich hoher Genauigkeit haben es mir angetan! Nadine Kegeles Debüt sollte breite Beachtung finden:

Helene hat ihren Freund an Anna verloren, zu deren Hochzeit sie geht – über Pfützen und Regenwürmer. Eine Atmosphäre wie ein Magenschmerz. „Anna sein“ heißt die Erzählung, die ein kurzes Schlaglicht auf drei (Halb-) Schwestern wirft, denen eingeimpft wurde, dass ihre Existenz am Unglück ihrer einsamen Mutter schuld sei. Auch die anderen elf Erzählungen der Vorarlberger Nadine Kegele verfügen über die poetische Kraft, viele knapp gefasste Aspekte unter die Haut gehen zu lassen. „Annalieder“ sind – da hat der Klappentext unbedingt recht – keine Schönwettergeschichten. Sie deprimieren trotzdem nicht.

Verlassen und verlassen werden, Grenz- und andere Verletzungen entringen sich den Geschichten, die rund sind, obwohl sie nur Ausschnitte beleuchten und oft genug aus verstörender Perspektive von Faktum zu Faktum springen, um mehrere Ecken biegen. Es geht keineswegs um VerliererInnen, Gestrauchelte oder andere bedauernswerte Geschöpfe. Auch da, wo es hässlich oder abgründig wird, bleiben die – überwiegend weiblichen – Figuren aufrechte Charaktere. Das Buch lebt von genauester Beobachtung und verführt nicht dazu, die übliche Lösungsorientiertheit im Kopf anlaufen zu lassen.

Nadine Kegele, die unter anderem in dem feministischen Magazin „an.schläge“ publiziert, zeigt eine unbeirrbare Routine in der Anwendung des weiblichen Blickwinkels. Ein Merkmal, das „Annalieder“ positiv auszeichnet. Genauso überzeugend sind Ironie, Humor und Sarkasmus eingestreut. So verharrt man bei Tragischem nicht im Bedauern, sondern wird eventueller Schwere schnellstmöglich durch komische Elemente enthoben. Jeweils ein gelungener Kunstgriff, der beispielsweise die Episoden „Nachtheulen“ und „Vom Verbrennen der Elefanten“ zu Lieblingsgeschichten werden lassen könnte.

Bei aller Sympathie bleibt jedoch der Eindruck, als wolle die Autorin in ihrem Debüt ein wenig abstrakt und anonym bleiben und einfach Spannung in der Genauigkeit von Sprache ausprobieren. Aber die Rechnung geht nicht immer auf. Die kühle Distanziertheit macht es oft schwer, dem Verlauf der Erzählung zu folgen, die Schritte des Geschehens einzuordnen, Motive zu entschlüsseln. Vielleicht sollen wir hier aber auch gar nichts begreifen, sondern belehrt werden, die Begebenheiten so zu nehmen, wie sie sind, ohne sie groß kapieren zu wollen?

Lohnt es sich, über diesen Ansatz nachzudenken? Oder sollen wir einfach weiterlesen, immer den sorgfältig gegen den Strich gebürsteten Sprachmustern auf der Spur, ständig gefasst auf Irritationen, deren Schwierigkeitsgrad variiert? Hut ab vor einer Autorin, die sich solche Fragen ihrer Leserschaft zuzumuten traut. Sie scheint vollkommen überzeugt von der Selbstverständlichkeit ihrer Bilder, der Redlichkeit ihrer Sprache und dem Anliegen, das sie diese „Annalieder“ konzipieren ließ. Das verleiht den Erzählungen Stärke.

Anliegen? Gab es welche? Gelegentlich sind sie erahnbar, wollen sich aber nicht zu sehr aus der Deckung wagen. Hier schäumt etwas – im besten Sinne – und wird sich in späteren Werken noch identifizierbarer Bahn brechen. Dass der Stil mit sämtlichen Sinnen spielen will, ist anerkennenswert. Er rüttelt an der Wachsamkeit und besticht mit außerordentlicher Feinsinnigkeit. Wann vereinigt ein Debüt schon so viele Merkmale, die aufhorchen lassen?

Nadine Kegele: Annalieder. Erzählungen. Czernin Verlag, Wien 2013. 120 Seiten, 17,90 EUR. ISBN-13: 9783707604474

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