Dez 12 2014

Wenn der Weihnachtsrummel schwer zu verkraften ist, weil ein Verlust alles verdüstert

Autor: . Abgelegt unter Alltag

Jutta Bender, Psychologin und Traueragogin, hat jahrelange Erfahrung in Trauerbegleitung. Sie findet es wichtig, dass jene Menschen in der (Vor-) Weihnachtszeit nicht beiseite gedrängt werden, die sich ganz und gar nicht auf den Festtagsrummel einlassen können, weil sie belastet sind, sich wehmütig fühlen – kurz: einen Verlust zu betrauern haben. Dazu schrieb sie einen Text, der nachdenklich stimmt:
>> Frohe Weihnachten: Ich kenne keine aktuelle Statistik, aber was mir tagtäglich begegnet, sind Menschen die auf Weihnachten gern verzichten würden. Sind es gar schon mehr als jene die sich freuen?
Was ist damit gemeint – auf Weihnachten verzichten? Manche mögen den erbärmlichen Kitsch nicht mehr sehen. Die alten Lieder, die vielleicht mit schönen Erinnerungen verbunden sind, tun weh; die neuen Songs noch mehr, weil es für viele das nicht gibt, was da „geschnulzt“ wird. Und doch schallt es aus allen Röhren! Womöglich ganz alleine unterwegs möchte man dem unheiligen Weihnachtsbusiness und Heilig-Morgen-Besäufnis in den Städten nur entfliehen!

Doch was anfangen, mit den langen, dunklen Stunden, wenn man alleine ist, oder sich, egal wer da ist, alleine fühlt. Was tun, wenn das Herz so weh tut.

Was ist passiert? Ein lieber Mensch ist gestorben, oder einfach weggegangen? Leib und Seele sind geschwächt? Die Arbeit ist verloren, die Freunde auch? (…)

Und gerade dies beschreibt Weihnachten, (eigentlich) – nämlich, dass es immer wieder Licht wird, dass es Hoffnung gibt, dass gerade in der dunkelsten Nacht, (der Weihenacht) das Licht geboren wurde.
Ich wünsche dir, dass du trotz trauriger Stunden doch wieder mehr Licht spüren wirst.
Ich wünsche dir, dass du es zulassen kannst, den Funken einzufangen.
Für das neue Jahr wünsche ich dir dass für dich ganz viele Sterne leuchten und jeden Tag die Hoffnung wächst. Und – falls es verloren war, dass das Vertrauen in dich selbst wieder geboren wird.
Und wenn es dir gut geht, dann schauen mal nach, ob du jemand die Hand reichen kannst, der sich vor Weihnachten fürchtet. <<

Die Verfasserin ist zu finden unter > http://www.bender-psychologie.de/

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Nov 09 2014

Wunderlich fährt nach Norden

Autor: . Abgelegt unter Kultur,Literatur

Wie charmant es sein kann, wenn nicht alles enträtselt wird, zeigt uns Marion Brasch mit ihrem zweiten Roman „Wunderlich fährt nach Norden“. Die besonderen Momente im Unbestimmten ergeben ein kurzweiliges Buch, obwohl nichts wirklich Spektakuläres passiert.

Acht Tage begleiten wir Wunderlich, 43, Gelegenheitsjobber nach gescheiterter Ausbildung zum Bildhauer, der Wundersames und Skurriles erlebt, das ihn nach und nach aus seiner Lethargie lockt. Bevor es auf Seite 255 heißt, der Protagonist sei „aufgewacht“, ließ er sich (fast) nur treiben. Belohnt wurde er mit der Entwicklung vom unglücklichsten zum verwirrtesten Menschen, den er kannte. Ein verschmitztes Grinsen ist hier wie an vielen anderen Stellen des Romans „Wunderlich fährt nach Norden“ von Marion Brasch kaum zu unterdrücken.
Wunderlich wird uns von seinem Mobiltelefon vorgestellt. Denn das kann sprechen beziehungsweise übermittelt „Weisheiten“, Warnungen und Wegweisendes. Mr. oder Mrs. Anonym wird den ganzen Roman über seine/ihre Identität nicht preisgeben, aber zwischendurch als „Orakel“ verkünden, was diesem oder jenem Zeitgenossen bevorsteht oder was er bereits hinter sich hat. Zunächst fordert es den von Liebeskummer geplagten Wunderlich auf: „Guck nach vorn.“„Anonym“ ist das erste Mysterium – witzig, unaufdringlich, spannungshaltend. Zudem gibt es im Roman eine Reihe von Begegnungen auf dem Weg nach Norden, die bis ins Detail eine gute Tragfähigkeit beweisen, aber jenseits des Üblichen rangieren. Dennoch muss noch etwas Sagenhaftes eingeführt werden: Blauharz – mit der wunderbaren Eigenschaft, schnell Wunden zu heilen. Die Kehrseite ist, dass man vergisst, dass und wodurch man verletzt gewesen ist. In philosophischer Hinsicht stellt sich die Frage, ob das in jedem Fall wünschenswert ist.
Marion Brasch hat in „Ab jetzt ist Ruhe“, dem Roman ihrer „fabelhaften Familie“ (2012), eine Erkenntnis formuliert, die Pate gestanden haben könnte bei Wunderlichs Reise – die Autorin hatte als junge Fahranfängerin begriffen, „ […] dass das schnellere Überwinden von Entfernungen nichts mit dem Erreichen von Zielen zu tun hat, die meinem Leben eine tiefere Bedeutung geben würden.“ Wunderlich, eher ein zielloser Langeweiler, bricht lediglich in eine Richtung auf („nach Norden“), das Zeitbudget scheint keine Rolle zu spielen (Gelegenheitsjobber) und ob etwas tiefere Bedeutung erlangt, wird er früher oder später merken. Das weckt Neugier, ob Unbestimmtheit gehaltvoll sein kann oder ob sich etwas herauskristallisiert, das über das Hier und Jetzt hinaus kostbar wird.

Es passt zu Wunderlich, dass sein Ausweis abgelaufen ist und ihn deshalb eine resolute Zugbegleiterin auf einer verlassenen Bahnstation aussetzt. Hier trifft er Finke, der ihn mit in seine Behausung nimmt. Wunderlich überlässt sich ohne Eile einer Reihe von Zufällen und entdeckt dabei manchen Kern, nach dem er gar nicht gesucht hatte. Auffällig: Es treten mehrere rothaarige Frauen auf – rothaarig war auch die Ex-Frau von Wunderlich, mit der er einen Sohn hat, den er vor elf Jahren das letzte Mal gesehen hat und es gibt mehrere Akteure, die wie Wunderlich 43 Jahre alt sind – unter anderem der Entdecker des Blauharzes, dem seine Entdeckung nicht gut bekommen ist. Auf welche Assoziationen und Rückblenden sich Wunderlich einlässt, ist ganz allein ihm überlassen. „Anonym“ spuckt kaum eindeutige Empfehlungen und schon gar keine Gewissheiten aus.

Auszuprobieren, wie es sich anfühlt, wenn einer weder zeitlich noch räumlich zu lokalisieren ist, kann Spaß machen, wie die Autorin – sie arbeitet als freie Rundfunkredakteurin – beweist. Jedenfalls spielt die Handlung während einer Phase in einem Landstrich, als dort zwei Kaffee und ein Schnaps noch „vierachtzig“ gekostet haben. Die Währung wird natürlich nicht verraten!

Ob es nun Wunderlich bis zum Meer schafft oder nicht, ist eigentlich fast unerheblich. Dass er manche Rätsel nicht lösen kann und ihn andere Erscheinungen irritieren, fügt sich glaubwürdig in diesen charmanten Roman, der sonderbare Momente sammelt, liebevoll ausstaffiert und dezent mit feinem Humor würzt. Hauptsache Wunderlich fühlt, dass diese Geschichte zu seinem Leben wird, er nicht länger Zuschauer bleibt. Dies ist schon viel, um das Vertrauen für alles Folgende zu kräftigen.

Marion Brasch: Wunderlich fährt nach Norden. Roman.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2014.
288 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783100013682

 

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Okt 25 2014

Kleine Philospohie zum Genügen

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik

Seit die Babyboomer 50 werden, kann man viel über das Älterwerden lesen. Einen empfehlenswerten Beitrag hierzu hat die Politikwissenschaftlerin und Journalistin Antje Schrupp, Jahrgang 1964, im FAZ-Blog „Ich. Heute. 10 vor 8.“ veröffentlicht. Sie empfindet, mit 50 gehe es geradeaus, nicht mehr bergauf, aber auch noch nicht bergab. Doch lesen Sie selbst: http://url9.de/VPm

Ihre Auseinandersetzung mit der Redewendung „genug haben“ oder „es ist genug“ gefällt mir besonders gut. Immer wieder werde ich komisch angeschaut, wenn ich „Genügsamkeit“ anmahne, denn ohne sie kann man nach meiner Erfahrung Erreichtem nicht würdigend nachspüren. „Sich selbst genügen“ ist ebenso wenig modern und wird selten geschätzt, hat es doch ein „Gschmäckle“ von Ignoranz und Selbstgefälligkeit. Dass man sich aber bei zu viel Trubel selbst abhanden kommt, ist nach den Sturm- und Drang-Jahren sogar für jene leicht nachvollziehbar, die von ihrem Naturell her immer auf Hochtouren laufen (müssen).

Einst sang Konstantin Wecker „genug ist nie genug“ – was meiner Leidenschaftlichkeit (vor allem in politischen Angelegenheiten) entsprach. Und von manchem habe ich – die ich etwas älter bin als Antje Schrupp – immer noch nicht genug. Zum Beispiel kann man nie genügend über ein Thema nachdenken oder an einem Text feilen. Man muss die Grenzen sehr bewusst ziehen. Immer und immer wieder. Es liegt an der Auswahl, wovon man sich beeinflussen oder prägen lässt, denn dank Internet sind Informationsvielfalt und ein „In-die-Tiefe-gehen“ ständig möglich. Man braucht einen guten Kompass dafür, wann es „genug“ ist und alles einer vernünftigen Einordnung/Gewichtung zugeführt werden sollte.

Übrigens: Wer gerne gute Texte liest, kommt beim FAZ-Blog „Ich. Heute. 10 vor 8“ auf seine/ihre Kosten > http://url9.de/VPn – Es ist nach eigenen Angaben „das erste kollektive Frauenblog auf den Seiten eines überregionalen deutschen Mediums.“ Weiter heißt es: „Wir finden, dass unsere Gesellschaft mehr weibliche Stimmen in der Öffentlichkeit braucht. (…) Wir vertreten keine Ideologie und sind nicht einer Meinung.“

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Okt 01 2014

„Das Beste“ und die Selbstbestimmung

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik

Neulich überraschte mich die Nachricht, ich sei seit 25 Jahren Mitglied bei „meiner“ Krankenkasse. Man lobte meine Treue. Bevor ich mich von diesem Lob geschmeichelt fühlen konnte, ging es in dem Brief schnurstracks um eine kleine Zuwendung (als Würdigung), die man aber den vielen, die ein Mitgliedschaftsjubiläum haben, nicht auszahlt. Die Höhe war nicht genannt („ein minimaler Geldbetrag“ stehe für ein Präsent zur Verfügung), das Prinzip, um das es ging, war wichtiger.

Man hatte – repräsentativ oder nicht – Versicherte (welche und wie viele?) darüber abstimmen lassen, wohin man den Jubiläumsbonus spenden soll. Die Transparenz über diesen Hintergrund war minimal, aber bei der angeblichen Abstimmung war etwas Vernünftiges herausgekommen: Deutsche Kinderkrebsstiftung. Wer konnte gegen dieses Unterstützungsziel schon Einwände haben?! Schwerkranke Kinder würden dank meiner Treue evtl. bessere Heilungschance haben. Was will ich mehr?

Es grummelte trotzdem in meinem Bauch. Wie demokratisch war das eigentlich? Da stimmen Leute ab, die ich nicht dazu ermächtigt habe, wohin mein Bonus gespendet wird. Hätte diese Kleinigkeit der vielen Jubilare nicht in den Leistungstopf fließen können, auf dass die Eigenbeteiligungen – bei chronischen Erkrankungen gehen die echt ins Geld! – gesenkt oder verzichtbar würden? Was ist mit jenen, die am Existenzminimum leben und dank des Bonus’ sich vielleicht endlich aufwändigere Zahnreinigungsutensilien oder einen Thermalbadbesuch hätten leisten können?

Ich hatte nicht mit einer Ausschüttung für Treue gerechnet, finde selbige bei einer Solidargemeinschaft (ich bin pflichtversichert) sogar ein wenig fragwürdig. Doch so ein unverhofftes „Geschenk“ hätte ich vielleicht lieber der Forschung über Alzheimer, MS oder Parkinson zukommen lassen? Oder an Foodwatch, einer Flüchtlingshilfe oder der Musikschule in der Gemeinde gespendet? Egal, ich war ohne Stimme und ohne Handlungsmöglichkeit geblieben und mobilisierte meine Toleranz.

Ich versetzte mich auf die andere Seite. (Das hilft oft, mit innerem Grummeln besser fertig zu werden.) War ich nicht einst froh, dass die Sparkasse in der Broschüre unserer gemeinnützigen Initiative eine Anzeige für 100 € geschaltet hatte, ohne dass ihre Kundschaft, der sie ja in erster Linie verpflichtet ist, dazu befragt worden war? Andererseits: ich hatte meinen Stromanbieter gewechselt, weil ich nicht weiter für sein großflächiges Sportsponsoring mit bezahlen wollte. Und ich frage mich schon lange, warum meine Bank Konzerte sponsert, anstatt für Guthaben höhere Zinsen zu gewähren.

Hoppla, ich war zwar auf die andere Seite gehopst, aber ebenso schnell wieder zurück. Häufiger stehe ich also auf der Seite, mit deren Geld undemokratisch Dinge veranlasst bzw. unterstützt werden, die mir mal fern, mal nah liegen – aber die ich verdammt noch mal auch in eigener Initiative unterstützen kann! Zu einem Zeitpunkt, der für mich „reif“ ist. Und nicht automatisch, weil ich eben irgendwo Kunde, Mitglied oder sonst wie „verbandelt“ bin.

Alle wollen nur das Beste. Ich auch.

 

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Sep 21 2014

Schon vor 1993 kann Günter Gaus „nicht mehr ungeniert journalistisch tätig sein“

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik

Gehörigen Abstand haben wir Nachgeborenen inzwischen zu Günter Gaus, der als politischer Journalist Maßstäbe setzte und 1974 – 1981 Erster Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik bei der DDR war. Er galt als vortrefflicher Interviewer, seine tv-Porträts sind im Haus der Geschichte zu finden und somit „geadelt“ als Zeitzeugnisse, die über Generationen hinweg der Orientierung dienen können. Einer Orientierung über gesellschaftliche/politische Verhältnisse im wieder erstarkenden Deutschland (West), die er mit kühler Distanziertheit transparent zu machen suchte. Wie sich diesem herausragenden Medienmann nähern, ohne zu lobhudeln oder zu polarisieren? Hans-Dieter Schütt schaffte dies auf differenzierte, gehaltvolle Weise in „Günter Gaus. Von den Hoffnungen eines Skeptikers“.

Schütt, selbst Journalist, Jahrgang 1948, hat seinen neunzehn Jahre älteren Kollegen vier Jahre nach dem Mauerfall interviewt. In einer der Antworten sagt Gaus, er nehme mehr und mehr „Grautöne wahr, und diese sind sehr viel umständlicher zu beschreiben. Ich kann schon lange nicht mehr ungeniert journalistisch tätig sein, ich stelle mir selber zu viele Fragen, bevor ich anderen eine Frage stelle, und ich erschrecke über die fraglose Selbstgewissheit vornehmlich jüngerer Journalisten heutzutage.“ Wenn ein ehemaliger Spiegelredakteur so etwas mit 64 zu Protokoll gibt, haben ihn seine Antennen vor Selbstgefälligkeit bewahrt? Konnte er seinen Horizont so entwickeln, dass er – Altersweisheit hin oder her – 2004 wirklich mit mehr Fragen als Antworten starb?

Schütt ist Herausgeber von „Günter Gaus: Was bleibt, sind Fragen. Die klassischen Interviews“. Sein „Nachdenken über den bürgerlichen Menschen“ – ausdrücklich will er das 2014 vorgelegte Buch nicht als Biografie verstanden wissen – legt nahe, dass der viel Gelobte zwar Maßstäbe sowie Marksteine gesetzt und der Transparenz höchst diszipliniert gedient hat und dennoch einiges Scheitern wegstecken musste. Aber der Reihe nach: Günter Gaus war seit 1953 durch und durch politischer Redakteur. Dank Helmut Kohl, damals noch in Rheinland-Pfalz, wurde er mit 35 Jahren Programmdirektor bei Südwestfunk Baden-Baden (der jüngste in der ARD bis heute), anschließend vier Jahre lang Chefredakteur beim „Spiegel“, bevor er die Seite wechselte und in die Politik ging, Ostberlin wurde bereits erwähnt, seit Anfang der 90er Jahre war er Mitherausgeber der Wochenzeitung „Freitag“.

34 Jahre war Gaus jung, als seine Sendung „Zur Person“ 1963 im ZDF startete (Noch-nicht-Bundeskanzler Ludwig Erhard war sein erster Gast), „Zu Protokoll“ gab es bis 1973 in der ARD, „Deutsche“ strahlte der WDR von 1984 bis 1989 aus. Gerhard Schröder durfte zwei Mal kommen, Christa Wolf auch. Das waren die Ausnahmen von der Regel, dass man nur einmal die Chance bekam, Farbe zu bekennen. Es handelte sich um die Momentaufnahme einer Person, die der „raffinierten Unantastbarkeit des höflich Fragenden“ standzuhalten hatte. Die Kunst bestand darin, dass Schonung genauso tabu war wie das Vorgeführtwerden in der heute sattsam bekannten Effekthascherei.

Obwohl er selbst einer Elite angehörte und sich dessen bewusst war, verstand er sich als solidarisch mit weniger Privilegierten. Schon in seinem Abituraufsatz erkannte er: „Der Mensch ist die einzige Münze, mit der auf dieser Welt gehandelt wird.“ Das begründete seine Haltung durchgängig und schwang auch in dem Stil mit, dass er in seinen Interviews nicht diskutierte, argumentierte oder gar stritt. Respekt, Anstand – damals Werte, die goutiert wurden und mit denen mehr zu entlarven und zu enthüllen war als mit dem heutigen Wortwechseln in Talkshows. So der Eindruck von mir als Nachgeborenen, die gelegentlich gerne Aufzeichnungen mit Gaus im Internet studiert.

Auch Schütt arbeitet das heraus, zollt dafür Anerkennung. Und attestiert, dass Gaus zuletzt auch als Erzähler veranschaulichen will, „was Menschen so widersprüchlich, letztlich so unfassbar macht“. Tief durchdringt das „Nachdenken“ des Hans-Dieter Schütt den Skeptiker Gaus. Er verschmilzt aber nicht mit ihm, sondern thematisiert ihn als – zuletzt – eine „Stimme am Rand“, beleuchtet seine Isolation in den späten Lebensjahren, verschränkt dies mit der Einstufung „gescheitert“ – worüber man auch anderer Meinung sein kann.

Dass er Gaus für etliche Jahre als „so ziemlich zwischen allen Fronten der deutsch-deutschen Geschichtsdeutung“ definiert, kann man auch so deuten, dass gerade hier eine Stärke dieses politisch Aufgeweckten liegt, der sich nicht scheute, Eitelkeit und Unsicherheit einzugestehen! Zu den Widersprüchen von Gaus gehörte wohl auch, dass er sich am Ende seines Lebens nicht mehr als Demokrat bezeichnen mochte.

Insgesamt hält sich Schütt mit subjektiven Bewertungen zurück. Das Bemühen, die Materie auch in ihren Tiefen aufzudröseln, transportiert natürlich trotzdem den Blickwinkel, aus dem der Autor die Welt sieht. Kostprobe: „Er (Gaus, A. d. V.) hielt die unantastbare Sicherheit der weniger Begüterten vor sozialen Übergriffen und vor einem fahrlässigen, gemeinen Desinteresse der Elite für den ‚inneren Kern‘ der bürgerlichen Gesellschaft. Fragen nach diesem Kern bildeten im Grunde genommen das Zentrum all seiner biographischen Befragungen, und er sah diesen Kern am Ende seines Lebens gesprengt.“

Schade, ich hätte Gaus eine günstige Bilanz gegönnt. Das zu erwähnen ist subjektiv, im journalistischen Sinne alles andere als politisch korrekt. Doch Gaus hat sich ebenfalls positioniert – wer eine Haltung hat, positioniert sich. Es ist nur wichtig, diese Haltung nicht zu verhehlen bzw. zu vertuschen. Sonst wird es unredlich. Und dies hat Gaus auch nicht gemacht. Jedenfalls ist mir nichts anderes zu Ohren oder zu Augen gekommen. Weder von Hans-Dieter Schütt, noch von anderen Eingeweihten. Nachdenkenswert noch ein letztes Zitat aus dem lesenswerten Buch: „Aber das Beharrungsvermögen, das aus einem Gestern kommt, arbeitet doch wesentlich mit an der Balance einer Welt, die sich ihre Fähigkeit für Gedächtnis bewahren möchte. Sieger machen nur Meldung, Verlierer aber Erfahrungen. Zweiteres ist womöglich wertvoller. Gaus’s Vermächtnis.“

Hans-Dieter Schütt. Günter Gaus. Von den Hoffnungen eines Skeptikers. 2014, 175 Seiten, Klappenbroschur, Dietz Berlin, 16,90 Euro, ISBN 978-3-320-02305-8

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Aug 20 2014

Alte Liebe: “Nachrichtenzeit”

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik

Alte Liebe rostet nicht. Auch nicht die zu jenen Büchern, die man besonders schätzt. So zog ich angesichts der neuen Kämpfe in Israel abermals „Nachrichtenzeit“ – die „unfertigen“ Erinnerungen von Wibke Bruhns (Droemersche Verlagsanstalt) – aus dem Schrank. Ich erwähnte es  unter der Überschrift >> Aus den Nähkästchen: Vom Blauflossenthunfisch über Wolf Schneider zu Wibke Bruhns <<  bereits am 21.9.2012 in diesem Blog. Da ich Bruhns’ Gespräche und Erfahrungen in Israel – sie war dort als Korrespondentin für die Zeitschrift „Stern“ – interessant finde, wollte ich mich ein weiteres Mal vertiefen in den Konflikt, über den sich schon viele kluge Menschen die Köpfe zerbrochen haben. Bruhns’ Eindrücke empfehle ich gerne nochmal. Hier meine komplette Rezension:

Woher der lange Eugen seinen Namen hat

„Nachrichtenzeit“: Wibke Bruhns’ Erinnerungen sind eine wahre Fundgrube für politisch Neugierige

Persönliche Marotten, Verstrickungen und Schicksalsschläge scheinen bei der Fülle von Erlebnissen und Begegnungen, auf die Wibke Bruhns in den „unfertigen Erinnerungen“ zurück blickt, nur Beiwerk zu sein. Die Journalistin erzählt in „Nachrichtenzeit“, was man von diesem Berufsstand erwartet: interessante „Geschichten hinter den Geschichten“.
Sie hatte die Qual der Wahl, und anhand ihrer Fotosammlung nennt sie etliche Personen, über die sie auch etwas hätte „aufschreiben“ können. „Jeder malte seine Tupfer in unsere Welt. Schöner Beruf!“ Und an anderer Stelle: „Das war das Schöne an meinem Beruf: Wenn ich etwas wissen wollte, konnte ich mir die Antwort selber holen.“ Diese Neugier und Freude am Beruf bestimmt Wibke Bruhns. Zur beruflichen Leidenschaft gehörte immer, klug auswählen zu können. Und so gelingt ihr mit dieser Reise in die Vergangenheit sowohl das Vordringen in komplizierte Begebenheiten und Zusammenhänge – wie zum Beispiel in Nahost, wo sie als Korrespondentin des Magazins „Stern“ arbeitete – als auch der Versuch, Atmosphärisches prägnant zu verdichten. Vermeintlich Heikles – wie das Gerücht, sie sei Willy Brandts Geliebte gewesen – rückt sie unaufgeregt zurecht.
In die Mediengeschichte ist Wibke Bruhns, geboren 1938, als erste Frau eingegangen, die im westdeutschen Fernsehen Nachrichten präsentierte. Das war 1971. Zuvor hatte sie ihr Volontariat bei der Bild-Zeitung „aus politischen Gründen“ abgebrochen. Für beides braucht man Mut. Und den bewies Wibke Bruhns auch, als sie sich als Wahlkampfhelferin für Willy Brandt parteipolitisch betätigte, was für Journalisten ja nicht unbedingt als schicklich gilt. Doch damals tickte die Welt noch ein bisschen anders als heute.
Wibke Bruns erinnert uns an eine Zeit, in der es noch strittig war, ob man DDR mit oder ohne Gänsefüßchen schreiben solle oder müsse. Viele dieser „Kleinigkeiten“ leben wieder auf bei der Lektüre von „Nachrichtenzeit“: nach wem der „lange Eugen“, das Abgeordnetenhaus in Bonn, benannt wurde; wie sich die Müllwerker 1975 dank ÖTV-Chef Heinz Kluncker elf Prozent mehr Lohn erstreikten und dass Martha Nannen, Ehefrau des Chefredakteurs Henri Nannen, ausschlaggebend dafür war, was als „verständlich“ im Stern gedruckt werden durfte. „Große“ Angelegenheiten wie die Hintergründe um die Guillaume-Affäre und die gefälschten Hitler-Tagebücher („Hitler sells.“) werden kompakt aufbereitet. Allein die Kompliziertheit der Auseinandersetzungen in und rund um Israel ist an manchen Stellen nur für jene auf Anhieb leicht zu verstehen, die bereits mit der Materie vertraut sind.
Mut muss Wibke Bruhns auch privat gehabt haben. Ihre Töchter, geboren 1966 und 1968, führten sie in die Kinderladenbewegung, aber die Nähe zum Beruf blieb. Als ihr Mann nach zwölf Jahren Ehe 1977 stirbt, will sie weg aus Hamburg: „… ich musste mein Leben umkrempeln, um damit zurechtzukommen.“ Als sie vom Stern grünes Licht hatte, als Korrespondentin in den Nahen Osten zu gehen, entschied sie sich für Jerusalem. Zuvor hatte sie gründlich erwogen, ob sie dies ihren Töchtern zumuten konnte: „Ihnen war in Deutschland beigebracht worden, alle Menschen seien gleich. Hier lernten sie: Alle Menschen haben ein Recht darauf, verschiedenen zu sein.“
Sätze wie diese machen deutlich, wie wohltuend es ist, eine Haltung entwickeln und vertreten zu können. Denn auch das gehört zu den „unfertigen Erinnerungen“: kein Tratsch, nur symptomatische Fakten werden so knapp und plausibel wie möglich dargelegt. Bei allem, was sie für berichtenswert hält, gibt Wibke Bruhns Orientierung und erfüllt damit die Lotsenfunktion, die Journalismus haben soll. Sehr erstaunt ist sie deshalb über ihre Erfahrungen bei Pressekonferenzen des US-Präsidenten. Die nennt sie „Darbietungen“, bei denen die Stühle den US-Medien gehörten, ausländische Journalisten mussten stehen und durften keine Fragen stellen. So war es auch bei Auslandsreisen des Präsidenten arrangiert. „Der Kontinent USA ist sich selbst genug, und Auslandsreisen des Präsidenten sind Innenpolitik.“ Bedarf an Analysen über das jeweilige Land und die die Beziehung zu ihm? Fehlanzeige!
Ab 1984 ist Bruhns als Stern-Korrespondentin in den Vereinigten Staaten. Ein Jahr zuvor waren die Pershing-II-Raketen in Deutschland stationiert worden. Die Proteste gegen die nukleare Abschreckung verebbten hierzulande nicht. Was lag näher, als für den Stern zu recherchieren, wo das „Teufelszeug“ herkommt, wer die Waffen baut. Die Jahre in Israel – viele Religionen auf engstem Raum – im Hinterkopf, will Bruhn aber auch herausfinden, welche Glaubensgemeinschaften in den USA sich im „Besitz der Wahrheit“ wähnen und wie sie leben. Das spannende Kapitel beendet sie mit dem Hinweis, dass US-Politiker gerne ihr „inniges Verhältnis zu Gott als politische Waffe“ benutzen und hierbei der Begriff „Wahrheit“ anders aufgeladen ist als wir es kennen.
Ein wirklich großes und grundlegendes „Abenteuer“ halbprivater Natur durchlebte Wibke Bruhns, als sie die Geschichte ihrer Familie erforschte. Darüber reflektiert sie im letzten Kapitel von „Nachrichtenzeit“. Das Ergebnis heißt „Meines Vaters Land“ und findet seit 2004 viel Beachtung, weil hier eine interessante Auseinandersetzung mit der jüngeren deutschen Geschichte gelingt.
Damit schließt sich der Kreis, denn zum Auftakt von „Nachrichtenzeit“ schildert sie, wie ihre Mutter nach dem Krieg als Alleinerziehende mit fünf Kindern das Überleben zu organisieren hatte und davon ständig überfordert und erschöpft war. Die Nazis hatten ihr nichts von dem einstigen Vermögen in Halberstadt gelassen, nachdem ihr Mann, der Kaufmann Hans Georg Klamroth, 1944 wegen Hochverrats hingerichtet worden war. Er wurde als Mitwisser des Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juli verurteilt. Else Klamroth war mittellos: „Selbst die Kosten für die Hinrichtung – die kamen per Rechnung! – hatte sie sich leihen müssen.“
Als Kind einer der „Regisseure des Dolchstoßes“ – dieser Vorwurf hielt sich nach 1945 hartnäckig – zeigte sich die kleine Wibke zwar hart im Nehmen, war aber keineswegs gegen Einsamkeit, Heimweh und schmerzliche Niederlagen gefeit. Aber sie schlug sich tapfer und staunt, welchen Einfluss ihr Vater, den sie gerne persönlich besser kennengelernt hätte, trotz seines frühen Todes noch heute auf ihr Leben hat.

PS.: 1982 erschien bei Gruner & Jahr “Mein Jerusalem” von Wibke Bruhns und Amos Schliack (Fotograf).

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Jul 15 2014

Rüstzeug für “haarige Zeiten”

Autor: . Abgelegt unter Literatur

Zwar rezensiere ich Neuerscheinungen (u.a. für www.literaturkritik.de, Universität Marburg), doch ab und zu greife ich sehr gerne zu alten Büchern. Sehr neugierig war ich auf „Die Stunde der Frauen“ (DVA, 1988). Darin beschreibt Christian Graf von Krockow, was seine Schwester 1944 bis 1947 in Pommern erlebte und wie ihr schließlich die Flucht in den Westen gelang. Es ist nicht nur ein fesselnder Bericht, sondern einige Details prägten sich mir besonders ein. Unter anderem dass sich die Menschen an Abenden, an denen kein Licht eingeschaltet werden konnte, mit auswendig gelernten Gedichten die Zeit erträglich machten. Sie waren dann in der Literatur zu Hause und „vergaßen“ das angsteinflößendes Chaos um sie herum.

Und genau das führte dazu, dass ich die folgende Geschichte nicht mit „Zucht und Ordnung“ verbinde, sondern in jenen Strukturen wie hier beschrieben durchaus ein Rüstzeug für „haarige Zeiten“ erkenne. Lassen Sie sich in eine einklassige Dorfschule in der jungen BRD entführen, ohne dass die Sitten von damals verklärt werden:

Der Schulalltag

„Guten Mooorgen, Herr Lehrer!“, tönte es mir jedes Mal entgegen, wenn ich morgens Punkt acht Uhr den Schulsaal betrat. Die Kinder standen auf und ich begrüßte sie ebenfalls. Doch sie setzten sich danach nicht wieder hin.
Am ersten Tag schaute ich etwas überrascht in die Runde. „Beten!“, tönte es mir von den Kleinen entgegen. Gehorsam faltete ich die Hände und die Kinder machten es mir nach. Dann sprachen sie ihr übliches Morgengebet und da ich es zum Glück auch kannte, konnte ich laut mitbeten. Danach blieben sie immer noch stehen. Was denn jetzt noch?, dachte ich im Stillen, doch da tönte es mir schon wieder entgegen: „Singen!“ Ich nickte zum Zeichen meines Einverständnisses und diesmal stimmten die großen Mädchen ein Morgenlied an und alle sangen mit. Da mir die Gabe des Gesangs leider nicht gegeben ist, sang ich nur ganz leise mit. Mehr wurde offensichtlich auch nicht erwartet. (…)

Als die drei Strophen verklungen waren, blieben die Kinder immer noch stehen. Diesmal sagte ein Viertklässler jedoch sofort: „Gedicht!“ Er zögerte auch keinen Moment, aus der Bank zu treten und vor der Klasse ein Gedicht aufzusagen, das auch im Lesebuch stand und das die Mittelstufe vor Kurzem erst auswendig gelernt hatte, wie ich aus dem Lehrnachweis ersehen konnte. Dann war eine Schülerin der Oberstufe an der Reihe. Auch sie stand sehr unbefangen vor der Klasse und trug ein Sommergedicht vor, ohne Fehler, ohne hängen zu bleiben und mit sinnvoller Betonung. Mir wurde bald klar: Ich übernahm hier eine Schule, in der feste Strukturen und sinnvolle Gewohnheiten eingeführt waren und ich beschloss,
daran auch gar nicht zu rütteln (…).

In den nächsten Wochen lernte ich meine Schule noch besser kennen und die eingeführten Regelungen ebenso: Zwei Kinder hatten den Tafeldienst, wischten die Tafeln sauber, wenn es nötig war, sorgten dafür, dass der Schwamm immer nass war und dass Kreide bereitlag. Dieser Dienst wechselte wöchentlich. Zwei größere Buben waren für den Kartendienst eingeteilt und standen bereit, wenn irgendetwas aus dem Lehrmittelraum zu holen war bzw. zurückgebracht werden musste. Wenn sie etwas aus diesem Raum holen sollten und sie sagten „Das haben wir nicht!“, dann konnte ich sicher sein, dass das auch stimmte. Ich habe da gelegentlich am Nachmittag die Probe aufs Exempel gemacht.
Ging es zum Sportplatz im Nachbardorf Desloch, mussten allerhand Kleingeräte mitgenommen werden. Bälle, Seile, Metermaß etc. wurden in Netze gepackt und zwei Buben nahmen die Netze auf den Rücken und sorgten auch dafür, dass alles wieder mit nach Hause genommen wurde und nichts auf dem Sportplatz liegen blieb.

Erste Erfahrungen

Die Erstklässler kamen normalerweise erst um zehn Uhr zum Unterricht und verlangten dann auch meine volle Aufmerksamkeit. Ihnen waren noch keine langen Stillarbeiten zuzumuten. Wenn sich allerdings ältere Schüler oder Schülerinnen zu ihnen setzten, um mit ihnen zu üben, arbeiteten sie fleißig mit und akzeptierten die Hilfe auch.

Am meisten überraschte mich allerdings ihre Unbefangenheit mir gegenüber. „Herr Lehrer, kannst du mir einmal die Schuhe binden?“, fragte zum Beispiel so ein kleines Mädchen und hielt mir seinen Fuß hin. Ich wollte schon der Aufforderung Folge leisten, besann mich aber dann doch noch eines Besseren und zeigte ihm, wie man so etwas macht. Ich muss zugeben, es hatte es schnell begriffen. „Gib mir doch einmal ein Glas, ich will Wasser trinken“, sagte einer von den Knirpsen in der Pause, als er dabei war, den Wasserhahn im Hof aufzudrehen. Ich zeigte ihm, wie man auch ohne Glas aus der hohlen Hand Wasser trinken konnte und er machte es eifrig nach. Dabei wurde zwar der Ärmel etwas feucht, aber das hat ihn nicht weiter gestört.

Die älteren Schülerinnen und Schüler begegneten mir mit Respekt und Freundlichkeit. Für sie wie auch für ihre Eltern war ich der „Herr Lehrer“ – und nicht nur in der Anrede. Ich nahm mir vor, ihnen genauso respektvoll zu begegnen, sie niemals „fertig zu machen“ und „herunterzuputzen“, wie es manche Lehrer an meinem früheren Gymnasium mit uns gerne gemacht hatten. Außerdem wollte ich niemals die Prügelstrafe anwenden, wie ich sie während meiner Volksschulzeit öfter erlebt hatte. Sie war damals noch erlaubt und wurde durchaus auch praktiziert. (…) (Leicht gekürzt.)

Autor: Egon Busch
[Jeckenbach, Amt Meisenheim Kreis Kreuznach, Rheinland-Pfalz;1960 – 2002]

Mit Dank an den Zeitgut Verlag, Berlin, entnommen aus Kirchner, Wenderoth, Busch. Guten Morgen, Herr Lehrer. Drei Dorfschullehrer erzählen. 1959 – 2002. Unterhaltsame und heitere Erinnerungen an die einklassige Dorfschule. 256 Seiten mit vielen Abbildungen, Ortsregister, ISBN 978-3-86614-225-1, Euro 10,90

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Jun 02 2014

Journalisten sollen nicht nur coden … Diskussion über die Medien von morgen in Flügel-tv

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik

Soeben komme ich von „quergedacht – Politische Kultur im Umbruch? Die Medien von morgen!“* Mitgenommen habe ich daraus unter anderem, dass der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen** einen stärkeren Schulterschluss zwischen Universitäts- und Zeitungsmilieu fordert. Bravo! Vielleicht zettelt das endlich ein Denken von einem anderen Ende her an! Natürlich wurde Qualitätsjournalismus angemahnt bzw. die dazugehörigen Rahmenbedingungen. Ja, ja – dachte ich bei mir – schon mancher gut ausgebildete Journalist ging lieber in eine andere Branche, weil sein Qualitätsbewusstsein im Redaktionsalltag nicht durchsetzbar war und das für ihn auf lange Sicht unbefriedigend bis gesundheitsschädlich gewesen wäre.

Die Veranstaltung wurde mitgeschnitten und kann in in Flügel-tv nachvollzogen werden > http://www.fluegel.tv/beitrag/9504

Daheim zog ich dann aus dem Netz das Neueste von Hubert Burda: „Wer schon heute als Journalist ein paar Zeilen Code schreiben kann und weiß, wo er die Daten findet und diese dann visualisiert, ist gut für die Zukunft aufgestellt, Journalisten sollen aber nicht nur coden und visuell denken lernen, sondern sich immer mehr mit Entwicklern und Designern zusammenschließen – nur so entstehen innovative Medienprojekte. Auch wir als Verlag brauchen immer mehr solche jungen Menschen, die keine Scheu vor neuen Technologien haben.“ (http://www.burda-news.de/content/hacken-im-badischen; Hervorhebung von mir.)

Peng – Burda definiert das „Morgen“ erwartungsgemäß anders. Er und seine Medien bevorzugen den Journalistentyp „eierlegende Wollmichsau“. Der Generalist, der alles kann, hat aber auch nur 24 Stunden pro Tag, muss davon einiges abziehen für essen, schlafen, Hygiene und Beziehungen. Vertiefen in ein Thema kann er sich kaum, in weit verzweigte Zusammenhänge schon gar nicht; nachhaltig berichten, wo das vermisste Flugzeug tatsächlich gestrandet ist und warum und welche Konsequenzen das für die Kinder der Opfer jetzt und fünf Jahre später hat – wird er das gratis arbeitenden Bürgerreportern übertragen, um den Rücken frei zu haben für die technischen Herausforderungen in immer kürzeren Abständen?

Es wird Zeit, dass die Publika sich aufschwingen und als Verbündete der JournalistInnen sich für verbesserte Bedingungen in den Medien-Unternehmen mit einsetzen. Denn die Entwicklung hin zu schlechteren Inhalten lässt sich leicht „verschlafen“, während wir bei den Streiks von Bahnbediensteten, Polizisten und Piloten durchaus hoffen, dass er zu einem positiven Ergebnis führt, damit wir als Verbraucher pünktlich ankommen, als Bürger vor Straftätern sicher sind und auf Urlaubs- oder Dienstreisen nicht von Himmel fallen, falls der Flugkapitän nach zu vielen Überstunden einnickt. Die Demokratie ist eng an unsere Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten geknüpft und stirbt im Zweifelsfall leise.
* Eine Veranstaltung des Fritz-Erler-Forums Baden-Württemberg und Mehr Demokratie e.V. im Alten Rathaus zu Esslingen. Mit Prof. Dr. Bernhard Pörksen, Uni Tübingen; Ulrike Winkelmann, taz-Redakteurin; Ulla Fiebig, SWR; Gerd Manthey, ver.di.
** Breitenwirksam publizistisch hervorgetreten u. a. mit Der entfesselte Skandal (2012, mit Hanne Detel)

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Apr 24 2014

Frieden ist kein Selbstläufer

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Literatur

 

PENTAX Image Kurz vor Ostern konnte ich einen neuen Follower auf Twitter begrüßen: „atomwaffenfrei.jetzt“. Aha, dachte ich, es ist wieder die Zeit der Friedensmärsche, die in der Öffentlichkeit am Rande wahrgenommen werden, aber dennoch das Bewusstsein wach halten, dass Frieden sich nicht von selbst „ereignet“, sondern immer wieder angemahnt und neu verhandelt werden muss.

Ostern und Frieden gehören für mich so untrennbar zusammen wie Mutlangen und die Friedensbewegung.
Dank Twitter, wo ich selbst bereits 1230 tweets postete, kam ich auf die homepage www.atomwaffenfrei.de und erfuhr, dass die Urkraine atomwaffenfrei ist. Aufatmen!

Abgesehen davon, dass ich in einem Vorort von Mutlangen zehn Jahre lebte und erlebte, wie die wie amerikanischen Streitkräfte erst mit schwerem Gerät in unserem Wald manövrierten und dann abgezogen wurden, bleiben Waffenhandel, Versöhnung und Frieden für mich wichtige Themen. Zu meinen Informationsquellen zählt u. a. das Magazin Freiraum, herausgegeben von der Pressehütte in Mutlangen.

Diese hat übrigens keineswegs ausgedient, sondern ist heute ein Tagungs- und Seminarhaus im Selbstversorgerstil, das Interessierte mieten können. Vor sieben Jahren fotografierte ich in deren Vorgarten einen unvergesslich gestalteten Wohnwagen – siehe oben. Besucher aus allen Himmelsrichtungen kommen noch immer, um sich über die Arbeit in der Friedens- und Begegnungsstätte zu informieren und staunen über die schmucke Wohnsiedlung, die auf dem ehemaligen Stationierungsgelände der Pershing II entstanden ist, wozu auch die zweitgrößte Solaranlage Baden-Württembergs gehört.

Laien fällt es mitunter schwer, Gespräche über Waffenhandel, Rüstungs- und Friedenspolitik mit Politikern außerhalb des Kreises von Gleichgesinnten anzustrengen. Doch sie können sich eines Leitfadens für Gespräche mit Abgeordneten bedienen, der hier zu finden ist > Leitfaden Wie gesagt: Frieden „herrscht“ nicht automatisch, sondern ist vergleichbar mit einer Ehe, die bekanntlich auch nicht als Selbstläufer funktioniert, sondern unter anderem auf kontinuierlichem Bemühen und verlässlicher Kommunikation beruht.

Als ich einst – übrigens noch in meinem Mutlanger Büro – den Artikel „Verzeihen Sie sich selbst“ für Reader’s Digest schrieb, ahnte ich noch nicht, dass er einmal in ein Buch der Reihe WENN DER SEELE FLÜGEL WACHSEN aufgenommen würde. Besonders froh aber bin ich, dass der Band „In Frieden leben“* heißt und unter anderem Beiträge von Christian Nürnberger (über Rosa Parks) und Josef Quadflieg (über Bertha von Suttner) versammelt. Als Klammer um die insgesamt 20 Beiträge mahnt ein Zitat von Jean-Jacques Rousseau: Wollen wir in Frieden leben, muss der Frieden aus uns selbst kommen.


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* Das Buch kann nur von Reader’s Digest direkt bezogen werden: ISBN 978-3-89915-994-3

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Apr 23 2014

Worte maßgerecht

Autor: . Abgelegt unter Literatur

Textvermessung, justieren

Feilen, verwerfen, streichen

Der Papierkorb wird zum Freund

Schreiben als Selbstverständlichkeit

Wer sagt da “maßhalten”?

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