Apr 04 2014

Markt-Modell: Fans helfen Buch veröffentlichen

Autor: . Abgelegt unter Literatur

Aufschieberitis ist der größte Feind von AutorInnen. Abgesehen von mangelndem Selbstbewusstsein. Marktschreierische Selbstüberschätzung trifft man eher selten, statt dessen denken viele Textproduzenten zu wenig daran, dass sie sich für ihr „Produkt“ einsetzen müssen, damit es auf den Markt kommt und dort überzeugt.

Inzwischen gibt es nicht nur viele Schreibratgeber, sondern auch Vermarktungsratgeber: wie finde ich einen Verlag, wie veranstalte ich Lesungen etc. Spätestens, wenn ein Exposé geschrieben werden muss, denn ohne solches kann man sein Werk keinem Verlag anbieten, sollte man über die Zielgruppe nachdenken.

Nützlicher ist es, man tut es schon vorher: spielt der Roman an nachvollziehbaren Schauplätzen, wird sich sicher der Inhaber jener Kneipe dafür interessieren, in der sich der Täter vor seinem Verbrechen mit fünf Schnäpsen Mut angetrunken hat. Ist der Protagonist gar Whisky-Liebhaber und philosophiert über die Sorten in seiner Wohnzimmer-Bar, kann sich davon vielleicht eine ganze Branche angesprochen fühlen. Kommt bei dem Mord ein entwendeter Schläger des Tennisclubs TV Vororthausen zum Einsatz … Das liest sich jetzt trivial und wird nicht der Wahrheitsfindung dienen, aber solche Gedanken taugen gelegentlich als Impulse zugunsten eines wachsenden Zielgruppenbewusstseins.

In meinen Kursen „kreativ schreiben“ wird häufig diskutiert, wie man Kreativität fördert und wie wichtig der erste Satz eines Buches ist. Wir machen praktische Textübungen, lesen das Ergebnis in der Runde vor und sind meist begeistert, welche Vielfalt innerhalb kürzester Zeit zum Vorschein kommt. Zumindest in mir als Kursleiterin schwingen manche Szenen über das Kurs-Ende hinaus nach. Das belegt, dass es eigentlich nicht schwer ist, mit kleinen Kostproben Neugierde und die Lust auf mehr zu wecken.

„Kostprobe“ ist die passende Überleitung zu einem Angebot, das dieser Tage hereingeschneit kam:

>> Eine neue Form der Vermarktung ist „Crowdfunding für Bücher“. Mittels einer kleinen Leseprobe gewinnt man Interessenten, die im voraus das Buch bezahlen und es erhalten, sobald 100 Käufer ihren Obolus entrichtet haben. Einer meiner Kooperationspartner, der http://dortmund-verlag.de/ hat so eine Aktion ins Leben gerufen.

>> Sie läuft bis 15. Mai und richtet sich an alle, die ein fertiges Manuskript in der Schaulade haben. Eine Beschränkung auf Genres gibt es nicht.

Verleger Franz Krämer meint: „Das Wichtigste ist die Idee zum Buch! Wenn diese genug Kraft hat, ist der Rest eigentlich ganz einfach!“ Alle Infos zu der Aktion > http://memo-reporting.com/2014aktion.pdf

Derzeit handelt es sich um ein “Exklusiv-Angebot”, das noch nicht allgemein zugänglich ist. Interessenten sollten sich also auf mich beziehen, wenn sie sich mit diesem Angebot anfreunden.

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Mrz 10 2014

Vielworterei und andere Unhöflichkeit

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Alltag

Rabatt für Freundlichkeit – darüber berichtete heute die Landesschau Baden-Württemberg vom Stuttgarter Karlsplatz. Ein Kaffee-Verkäufer hatte die pfiffige Idee, seine Preise hochzusetzen, um dann aber auf das Zauberwort „bitte“ zwei Euro Nachlass zu gewähren. Dazu wurde mit einem Euro belohnt, wer das Gegenüber hinter der Theke mit einem „hallo“ begrüßte.

Das muffige Deutschland hat so was anscheinend nötig. Zufällig befragte Passanten sagten in Mikrofon und Kamera, sie fänden das gut. Man sollte insgesamt viel freundlicher miteinander umgehen.

Mich erinnerte das an die kurze Phase in meiner Kindheit, in der ich die Welt nach überflüssigen Worten durchforstete und diese von nun an weglassen wollte. Plötzlich sagte ich nicht mehr „guten Morgen“, denn was hätte das schon bewirken können. Meine Mutter guckte zwar indigniert, übersah meine Maulfaulheit aber großzügig. Als ich nach mehreren Tagen nicht gesprächiger wurde, lautete die These, ich sei eingeschnappt und würde auch wieder „ausschnappen“.

Das geschah auch bald, dennoch ist „small talk“ eine Kunst, für die ich ziemlich spät zu üben begann, denn in meinem Beruf als Journalistin entfielen alle Füllworte. Alles sollte kurz, knapp, eben „knackig“ sein. Sprache als Gleit- oder Schmiermittel – wie bei Moderationen geboten – lernte ich erst, als ich in Vorträgen darauf aus war, Aufmerksamkeit für ein Thema zu gewinnen. Sprache blieb für mich aber zuvorderst Transportmittel für Informationen, und noch heute unterschreibe ich die Maxime: Man hat eh genug damit zu tun, das Wesentliche zu erfassen und zu verarbeiten. Und Zeitungspapier ist teuer (und schwer, schönen Gruß an die AusträgerInnen!), man hat nicht unendlich viel Platz, um sich zu verbreiten.

Doch es gibt auch die umgekehrte Unhöflichkeit – zu viele Worte. Damit meine ich jetzt nicht jene, die man unfreiwillig in der S-Bahn zu hören bekommt, weil alle Welt in Mobiltelefone plappert, was das Zeug hält. Auch nicht jene ZeitgenossInnen, die im Wartezimmer von MedizinerInnen ungefragt ihre Lebens- oder Leidensgeschichte auftischen. Nein, ich meine die veröffentlichte Vielworterei, die die Sinn-Erfassung erschwert.

Lange genug haben sie mich geärgert – die Pressemitteilungen, deren Betreff mit dem Wort “Pressemitteilung” beginnt. Die halbe Zeile ist damit verbraucht, und ich weiß immer noch nicht, worum es gehen soll in solchen e-Mails, die ja schnellstmöglich News unter die Leute bringen wollen. Seit letzter Woche lasse ich deren AbsenderInnen wissen, wie lästig das ist. Darauf erhielt ich sogar schon freundlich-positive Rückmeldungen!

Die Brisanz von News ausbremsen mit dem langweiligen Wort „Pressemitteilung“ – immer wieder wundert es mich, dass Profis das übers Herz bringen. Oder sind es gar keine Wort-Profis, die Pressemitteilungen verfassen, Öffentlichkeitsarbeit zu verantworten haben? Klar: immer noch gilt die irrige Meinung: schreiben kann jeder! Es stimmt ja auch – irgendwie. Aber wenn ich etwas in die Welt posaunen will, muss das doch nach allen Regeln des Metiers geschehen, sonst verschmutzt es doch nur die Kommunikationskanäle, ohne sein Ziel zu erreichen. Das möchte ich gerne zum Zwecke der Höflichkeit und Effizienz wieder ins Gedächtnis rufen. Denn alles andere ist Zeit- und Energieverschwendung!

Noch nicht entschieden habe ich mich, ob ich mein Sprachgefühl jenen Laien aufdrängen möchte, die in Internet-Foren den Platz für Nichtigkeiten in den Überschriften vergeuden, obwohl sie womöglich etwas Wichtiges kundzutun hätten. Sie posten unbedacht Headlines, bei denen sich mir die Fußnägel rollen. Weil alles Interesse schmerzhaft auf die Streckbank gezogen wird, als sei der/die LeserIn an einer Sado-Maso-Folter interessiert. Anstatt schnell das Thema erfassen zu können, wurstle ich mich durch unnötig viele Worte.

Was soll zum Beispiel das Wort „Einladung“ in der Rubrik „Aktuelle Veranstaltungen“? eine Veranstaltung, die ohne Gäste stattfinden soll, würde doch hier nicht gepostet – oder? Und wenn dann noch ein „Event“ angekündigt wird, wird es mir echt übel! Denn alles ist ein Event, nämlich ein Ereignis. Nur die Spezifizierung lockt wirklich: ist es eine Städtereise oder ein Yoga-Wochenende? Auch eine Trauerfeier ist ein Ereignis oder der Abschied vom allseits beliebten Hausmeister im Hallenbad.

Unspezifische Begriffe sind des Hasen Tod. Augen und Verstand suchen, finden aber leider viel zu oft kein Futter für Ihre Vorstellungskraft. Ein Kuss kann ein Ereignis sein, ein Konzert oder eine Kundgebung. Aber von einer Kundgebung würde mich auch nicht interessieren, dass sie stattfindet, sondern wer spricht! “Kundgebung zum Frauentag” das ist für mich kein Magnet! Wenn aber zu lesen ist “Rita Süßmuth analysiert Wohlstandsentwicklung am … (Datum) in … (Ort), stachelt das meine Neugier an und ich lese weiter.

Was für ein „Event“, wenn eine Schlagzeile mit der Tür ins Haus fällt – und peng, alle fesselt. Und wie schön, dass der Wink mit dem Zaunpfahl – wenn das kleine Wörtchen „bitte“ zwei symbolische Euro Wert wird – Sympathie auslöst!

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Feb 03 2014

Sonntagsruhe > Schab nix gemacht!

Autor: . Abgelegt unter Alltag,Literatur

Leer werden ist sonntags das Ziel. Doch dann ist es ungewohnt, mit der Leere fertig zu werden. Was macht der Stift, wenn er nicht schreiben darf? Was macht das Internet, wenn es nicht besucht und ausgeforscht wird?

Auszeit. Zeit, sich Ungelöstes vorzunehmen? Ganz entspannt sich Denksportaufgaben hingeben … Etwa: Warum wird die Familie immer noch als höchstes Gut glorifiziert und andererseits missachtet, zu wenig unterstuetzt? Oder: Drogen legalisieren oder nicht?

Komisch – manche Fragestellungen beschäftigen mich schon seit meiner Jugend, als schon sehr lange. Das sind die, auf die es keine erschöpfenden Antworten gibt. Die eben genannten gehören dazu.

Aber auch neue Fragen tauchen auf und müssen offen bleiben. Zum Beispiel die nach den Kindern, die keinen Bock auf Konzentration haben, denen Schule und Lernen egal sind wie in dem Buch “Schab nix gemacht! Geschichten aus der Hauptschule” beschrieben. Ein Buch, das nachklingt – auch sonntags, wenn nix machen angesagt ist. Ja besonders dann, wenn die eigene kleine Welt in Ordnung ist, weil ja schwer vorstellbar ist, wie es mit den Kindern weitergeht, wie deren Welt in Ordnung kommen soll, wenn sie sich nix vom Schulstoff merken können.

Ich beneide den Autor Kai Lange, um sein Gemüt. Er hat seinen Schulalltag aufgeschrieben, ohne seine Schützlinge an den Pranger zu stellen – stark! Sie sind eben so. Trotz aller Bemühungen ihrer LehrerInnen. Es würde  nichts nützen, ihrer Defizite zu dramatisieren. Wie könnte man ihnen (noch mehr) entgegenkommen, damit sie als Erwachsene bestehen können? Oder drückt man schon zu viele Augen zu? Oder sind wir allgemein zu gleichgültig ihnen gegenüber, focussieren wir lieber andere Probleme?

Ja – diese Kinder erschleichen sich einen Platz in meiner Sonntagsruhe bzw. -leere. Wahrscheinlich muss noch oft über sie geschrieben werden, damit sie die Präsenz erreichen, die konstruktive Veränderungen dringend macht. An Stammtischen gibt es sicher Geschimpfe dazu. Aber sich ärgern hält nur auf in diesem Fall. (Wo sowieso schon zu viel Zeit unnütz verstrichen ist!) Leider fühlen sich alle meine Überlegungen zu diesem vielschichtigen Komplex (über den sicher schon Zigtausend philosophiert haben!) stümperhaft an. Deshalb: lieber schweigen. Der Tontopf wird das Thema bewahren. Und ich waere jetzt fast aus der Leere gekippt.

Kai Lange. “Schab nix gemacht! Geschichten aus der Hauptschule”. Knaur TB, 256 Seiten, 8,99 Euro, ISBN-13: 978-3426786215

Verlagstext:

Kai Lange, Hauptschullehrer im Ruhrgebiet, erlebt seit über zehn Jahren in Englisch, Erdkunde oder Deutsch den Teeniewahnsinn in Klassen, in denen 95 Prozent der Schüler einen  Migrationshinter-grund haben und sich kaum auf Deutsch ausdrücken können. Geschweige denn auf Englisch. Und die eine ganz klare Vorstellung davon haben, wo denn eigentlich genau ihre Heimatstadt Bochum liegt: „In der Nähe von Deutschland.“

Als Lehrer an einer Hauptschule kann man nur überleben, wenn man zwei Voraussetzungen erfüllt:  1. Man muss seine Schüler wirklich gern haben, 2. Man darf dem, was die Schüler den ganzen Tag treiben, nur mit Humor begegnen.

 

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Jan 16 2014

Spiel mit sämtlichen Sinnen

Autor: . Abgelegt unter Literatur

Diese zwölf Erzählungen mit Widerhaken und sprachlich hoher Genauigkeit haben es mir angetan! Nadine Kegeles Debüt sollte breite Beachtung finden:

Helene hat ihren Freund an Anna verloren, zu deren Hochzeit sie geht – über Pfützen und Regenwürmer. Eine Atmosphäre wie ein Magenschmerz. „Anna sein“ heißt die Erzählung, die ein kurzes Schlaglicht auf drei (Halb-) Schwestern wirft, denen eingeimpft wurde, dass ihre Existenz am Unglück ihrer einsamen Mutter schuld sei. Auch die anderen elf Erzählungen der Vorarlberger Nadine Kegele verfügen über die poetische Kraft, viele knapp gefasste Aspekte unter die Haut gehen zu lassen. „Annalieder“ sind – da hat der Klappentext unbedingt recht – keine Schönwettergeschichten. Sie deprimieren trotzdem nicht.

Verlassen und verlassen werden, Grenz- und andere Verletzungen entringen sich den Geschichten, die rund sind, obwohl sie nur Ausschnitte beleuchten und oft genug aus verstörender Perspektive von Faktum zu Faktum springen, um mehrere Ecken biegen. Es geht keineswegs um VerliererInnen, Gestrauchelte oder andere bedauernswerte Geschöpfe. Auch da, wo es hässlich oder abgründig wird, bleiben die – überwiegend weiblichen – Figuren aufrechte Charaktere. Das Buch lebt von genauester Beobachtung und verführt nicht dazu, die übliche Lösungsorientiertheit im Kopf anlaufen zu lassen.

Nadine Kegele, die unter anderem in dem feministischen Magazin „an.schläge“ publiziert, zeigt eine unbeirrbare Routine in der Anwendung des weiblichen Blickwinkels. Ein Merkmal, das „Annalieder“ positiv auszeichnet. Genauso überzeugend sind Ironie, Humor und Sarkasmus eingestreut. So verharrt man bei Tragischem nicht im Bedauern, sondern wird eventueller Schwere schnellstmöglich durch komische Elemente enthoben. Jeweils ein gelungener Kunstgriff, der beispielsweise die Episoden „Nachtheulen“ und „Vom Verbrennen der Elefanten“ zu Lieblingsgeschichten werden lassen könnte.

Bei aller Sympathie bleibt jedoch der Eindruck, als wolle die Autorin in ihrem Debüt ein wenig abstrakt und anonym bleiben und einfach Spannung in der Genauigkeit von Sprache ausprobieren. Aber die Rechnung geht nicht immer auf. Die kühle Distanziertheit macht es oft schwer, dem Verlauf der Erzählung zu folgen, die Schritte des Geschehens einzuordnen, Motive zu entschlüsseln. Vielleicht sollen wir hier aber auch gar nichts begreifen, sondern belehrt werden, die Begebenheiten so zu nehmen, wie sie sind, ohne sie groß kapieren zu wollen?

Lohnt es sich, über diesen Ansatz nachzudenken? Oder sollen wir einfach weiterlesen, immer den sorgfältig gegen den Strich gebürsteten Sprachmustern auf der Spur, ständig gefasst auf Irritationen, deren Schwierigkeitsgrad variiert? Hut ab vor einer Autorin, die sich solche Fragen ihrer Leserschaft zuzumuten traut. Sie scheint vollkommen überzeugt von der Selbstverständlichkeit ihrer Bilder, der Redlichkeit ihrer Sprache und dem Anliegen, das sie diese „Annalieder“ konzipieren ließ. Das verleiht den Erzählungen Stärke.

Anliegen? Gab es welche? Gelegentlich sind sie erahnbar, wollen sich aber nicht zu sehr aus der Deckung wagen. Hier schäumt etwas – im besten Sinne – und wird sich in späteren Werken noch identifizierbarer Bahn brechen. Dass der Stil mit sämtlichen Sinnen spielen will, ist anerkennenswert. Er rüttelt an der Wachsamkeit und besticht mit außerordentlicher Feinsinnigkeit. Wann vereinigt ein Debüt schon so viele Merkmale, die aufhorchen lassen?

Nadine Kegele: Annalieder. Erzählungen. Czernin Verlag, Wien 2013. 120 Seiten, 17,90 EUR. ISBN-13: 9783707604474

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Dez 08 2013

Köstlich: Ghost Konrad & sein Tabu-Job

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Kultur

Aufregend klingt der Titel nicht: „Der Bearbeiter“. Wir haben es hier aber mit einem Roman zu tun, der es faustdick hinter den Ohren hat! Einem geschmeidigen Roman, der mit wenig Personal auskommt, uns leichtfüßig unterhält und oft schmunzeln lässt, ohne dass seine Ironie aufdringlich wäre. Das Subtile an dem Stoff ist, dass wir ein Stückchen „Untergrund“ erfahren, denn der „Bearbeiter“ ghostwritert für Menschen, die an Hochschulen und Universitäten einen Titel erlangen möchten. Und so ist es logisch, dass er sich „Bearbeiter“ nennt, statt „Doktormacher“, denn in dem Geschäft darf niemand zugeben, je eine/r der Beteiligten gewesen zu sein.

Das Unaufgeregte hat also System. Ghostwriter sind das Gegenteil von jenen, die sich in den Vordergrund drängen. Mögen sie ächzen und stöhnen unter ihrer Arbeit, sich ihrer Macht bewusst sein – im Grunde verdingen sie sich in einem ziemlich eng anliegenden Korsett. Zumal Konrad Richter, dem wir 287 Seiten lang über die Schulter schauen dürfen. Er kennt nämlich seine Kunden nicht einmal, sie werden ihm vermittelt. Das hat Vor- und Nachteile. Der Schutz der Anonymität für Auftraggeber und -nehmer ist lukrativ für den Vermittler, die Kärrnerarbeit im Verhältnis dazu schlecht bezahlt.

Der Autor Wolfgang Klinghammer kennt sich in dem Geschäft aus, arbeitet selbst aus Ghost „auf verschiedenen Gebieten“. In einem Interview mit Jenapolis räumte er ein, dass der Roman teilweise autobiografisch angelegt ist, will ihn aber in erste Linie als „Wissenschaftssatire“ verstanden wissen. Denn der Wissenschaftsbetrieb mit all seinen Eitelkeiten und seiner Obrigkeitshörigkeit bekommt gehörig sein Fett weg. Hierzu sei das köstliche Probekapitel „Habermas“ www.derbearbeiter.de/ empfohlen – 14,5 Minuten kann man sich hier einhören.

Seitenhiebe gibt es aber auch auf ein Intelligenznetzwerk, das „Pi“ (es könnte sich in unmittelbarer Nachbarschaft von „Xing“ tummeln), das jeden mit einem IQ von 130 und mehr willkommen heißt. Und weil Ghosts ja im stillen Kämmerlein writern (wenn sie mal nicht Bibliotheken durchkämmen und kostbare Zeit am Kopiergerät verbringen), streckt Konrad hier neugierhalber seine Fühler aus. Auch das ist eine vergnügliche Schiene, die dem Buch einige Würze hinzufügt.

Überhaupt: Wo geht die Reise hin, wie entwickelt sich der Held? Schreiben ist ein sehr einsames Geschäft, über das man in diesem Fall nicht einmal kommunizieren darf. Wird er gefährlich und lässt jemanden auffliegen? Dann adieu Broterwerb hinter den Kulissen! Denn Diskretionsverletzungen sprechen sich in dieser Branche unweigerlich herum. Trotzdem ist da ein Spiel mit dem Feuer, das als Lesebeschleuniger funktioniert. Und noch etwas umkreist schließlich den eher zurückhaltenden Konrad Richter, so dass wohltemperierte Spannung aufkommt und wir auf ein Happyend hoffen.

Ein wichtiges Buch, das ein Tabu unverkrampft beschreibt, unverzagt den Finger in mehrere Wunden legt und damit die Mundwinkel frohgemut nach oben zieht.

Wolfgang Klinghammer: Der Bearbeiter. Paperpack: 287 Seiten, Macciato-Verlag, ISBN 978-3-940721-16-7, EUR 16,50

Interview zur Tätigkeit eines Ghostwriters > http://www.jenapolis.de/2011/04/interview-mit-einem-jenaer-ghostwriter/

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Nov 03 2013

Lohnt sich > Nova, Dummy & Reportagen

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Kultur

Logisch, dass ein Blog wie dieser Medienbeobachtung ernst nimmt. Heute soll es um drei Zeitschriften gehen, die herausragen aus der Medienlandschaft:

                                   Nova, Dummy und Reportagen.

„Nova“ nennt sich ein Frauenmagazin mit Eigensinn, das reflektieren und inspirieren will – ohne der gängigen Nabelschau zu huldigen. Lieber zu sich stehen, zur eigenen Einzigartigkeit, als alles mit dem Gedanken an „Optimierung“ zu unterlegen. Dazu soll es Ermutigung geben, was sich in der ersten Ausgabe 1/2013 andeutet und nach Fortsetzung ruft. Doch wie es weitergeht, hängt von den Finanzen ab. Das Magazin wird von Marietta Duscher-Miehlich und Birte Pütjer im Eigenverlag herausgegeben und kommuniziert auch via Facebook mit seinen LeserInnen. Wünschen wir ihm also nicht nur gute Geschichten, sondern auch geschäftlichen Erfolg, damit Nova (5,90 €) auf dem hart umkämpften Zeitschriftenmarkt nicht verdörrt. https://www.facebook.com/Nova.Magazin.de

„Dummy“ hat schon zehn Jahre auf dem Buckel und lässt seine Jubiläumausgabe von 40 Grafikern gestalten, was kein Schongang fürs Auge ist, aber als interessantes Experiment zwischendurch hingenommen werden kann. Die Dummy-Macher haben herausgefunden, dass man der Leserschaft auch mal etwas zumuten kann und es nicht nötig ist, den Leser entsprechend der beliebten Medien-Maxime immer brav da abzuholen, wo er gerade steht. Weichgespültes sucht man vergeblich in dem „Gesellschaftsmagazin“, das pro Ausgabe ein Thema ausleuchtet und sich dazu jeweils einen anderen Grafikdesigner gönnt. „Dummy“ (6 €, vier Ausgaben pro Jahr) gibt sich bewusst eckig und kantig, bietet Lesestoff zum Schmunzeln, Staunen, Irritieren und wird in seiner Nische wahrscheinlich weiterhin genügend Fans finden, die ihm die Treue halten. http://www.dummy-magazin.de

Freunde von Reportagen kommen bei „Reportagen“ (15 €, sechs Ausgaben pro Jahr) auf ihre Kosten. Dieser Journalismus der Extra-Klasse verkauft sich nun schon seit zwei Jahren als „Weltgeschehen im Kleinformat“ (fast ein Buch); das strenge Layout stellt bewusst das geschrieben Wort in den Vordergrund, verzichtet auf Fotos, Illustrationen werden sparsam eingestreut. Jeweils sechs Reportagen entführen in alle Kontinente. Spannend auch die historische Reportage, die in jeder Ausgabe zeigt, was zeitlos fesselt oder wie ggf. das Genre sich entwickelt hat. Aktuell meldet die Publikation in ihrem Blog (http://www.reportagen.com/blog), dass Reportagen den Design-Preis 2013 der Schweiz erhält und Mafioso außer Dienst” von Sandro Mattioli sowie “Der Mörder als Pfleger” von Claas Relotius (Ausgaben Nr. 11 und 9) für den Deutschen Reporterpreis 2013 nominiert sind. Die Entscheidung fällt am 2. Dezember. Deutsche LeserInnen mögen erstaunt sein über den stolzen Preis, doch die Publikation wendet sich keinesfalls nur an gut verdienende Eliten!

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Okt 17 2013

Diese Autorenträume möbeln Geist & Seele auf!

Autor: . Abgelegt unter Kultur,Literatur

Kleines Brainstorming vorneweg: Was wollen AutorInnen? Gelesen werden! Eine naheliegende Antwort, doch sicher gibt es auch Geschriebenes, das nur erleichtern soll (nämlich die/den VerfasserIn, etwa in einem Tagebuch) oder unbesehen etwaiger LeserInnen dokumentieren soll (beispielsweise den Unfallhergang, die Rednerliste zum Empfang des neuen Chefs). Bringt man das Wort „Autorenträume“ ins Spiel, geht ein ganz anderes Fenster vor dem geistigen Auge auf, das in eine abwechslungsreiche Landschaft führt. Stichworte dazu: erzählen, unterhalten, überraschen, fesseln, aufklären; die Welt berühren, irritieren, verbessern oder bereichern; sich ausdrücken, entwirren und mitteilen; selbst entdeckt, veröffentlicht, respektvoll behandelt und angemessen bezahlt werden; Bestseller landen, Aufsehen erregen, Ruhm erlangen – und obendrein immer wieder … einfach nur schreiben, ohne Blockade, je nach Thema/Auftrag oder frei mit Trends locker umgehen können und nicht automatisch auf eingeführte Erfolgsfiguren reduziert zu werden etc.

Wie trocken sich diese Aufzählung anfühlt! Als wäre damit das meiste gesagt. Doch das Lesebuch „Autorenträume“, herausgegeben von Petra Hartmann und Monika Fuchs, belehrt uns eines Besseren. Denn siehe da, die Autoren-(Traum-) Welt wird bunt und vielfältig dargestellt, aber auch nachdenklich, doppelbödig, Ironie und Witz inbegriffen … Man mag diese Anthologie auffächern und Einzelheiten herausgreifen – damit hat man aber noch längst nicht den positiven Gesamteindruck vermittelt, für den das Buch hohes Lob verdient.

Ja, es ist wie ein unvergesslicher Fußabdruck, den die Herausgeberinnen und die AutorInnen in die Welt gesetzt haben. Das liegt an der Herangehensweise, der Auswahl der Beiträge, der liebvollen Aufmachung wie am Geleitwort von Tanja Kinkel (Gründerin der Kinderhilfsorganisation „Brot für Bücher e. V.“, der ein Euro pro verkauftes Exemplar zufließt), wie an den inspirierenden Anmoderationstexten zu jedem der 57 Kapitel. Schön ist, dass hier AnfängerInnen offenbar die gleiche Chance zuteil wurde wie Fortgeschrittenen und Routiniers.  Zu jedem Autor, jeder Autorin erfahren wir Einzelheiten, nicht ausufernd, aber orientierend.

Es ist wirklich ein Lesebuch, das es gut verträgt, wenn man nicht kontinuierlich vorgeht, sondern sich immer wieder mal einen „Happpen“ gönnt (keine Einsendung durfte länger als 9.000 Zeichen  sein). Die Originalität in jedem Beitrag überrascht wirklich! Freilich war zu erwarten, dass über Schreibblockaden, unzugängliche Lektoren und unglückliche Lesungen erzählt würde. Aber da ist auch die Treppe, die womöglich gar keine ist und mehr und mehr ins Rutschen gerät, weil – so der Verdacht – sie aus Manuskriptseiten besteht, nur notdüftig zusammengehalten durch einen Teppich, der bei Betreten der gewöhnlichen Statik gehorcht – ausser der Traum macht eine Ausnahme. Oder da ist der Schreibblock, der sich unter der Türe durchschiebt, sich dem Schreiber aufdrängt, obwohl der gerade den Kanal voll hat mit Bier und sein Autorsein in diesem Moment keineswegs im Vordergrund steht. Verspielt wird es auch, wenn der Schweinehund mit dem Musenfresserchen und anderen Zunichtsmachern eine rabenschwarze Sitzung abhält. Wir halten allen Abenteuern und Fantasien Stand, blättern nach dem nächsten Traum, der wiederum einen anderen Aspekt beschert, so dass das Unerwartete die Überhand kriegt, der Bann nicht endet, in den das Buch die LeserInnenseele zieht. Da kann eine Geschichte durchaus auch ein zweites Mal genossen werden, ohne dass der Spaß daran „aufgewärmt“ wirkt.

Alb- und Wunschträume sind hier in Kurzgeschichten, Gedichten, kleinen Dramen und Essays verpackt, oft blitzen auch Schnipsel der Realität durch. Feinsinnig und konsequent lektoriert. Ein Buch, das man gerne in die Hand nimmt, da es eine hohe Präsenz von ausnahmslos allen Beteiligten ausstrahlt. Diese Qualität bleibt über alle 334 Seiten hinweg ohne Schwankungen gegenwärtig, als sei diese Anthologie wirklich eine „Herzensangelegenheit“ der Verlegerin!

Petra Hartmann & Monika Fuchs. AutorenträumeEin Lesebuch. Verlag Monika Fuchs, 2013, 336 Seiten, Paperback, ISBN 978-3-940078-53-7, 16,90 €

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Sep 27 2013

Mezis-Ärzte gegen Korruption – Gesetzgebung wachsam beobachten!

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Alltag

„Die letzte Flucht“, den Roman von Wolfgang Schorlau, habe ich in diesem Blog 2011 schon einmal erwähnt. Damals ging es um Krimis im Zusammenhang mit „Stuttgart 21“. Heute soll „Denglers sechster Fall“ eine Brücke schlagen den Verflechtungen zwischen Pharmaindustrie und ÄrztInnen. In Schorlauers Krimi – unterhaltsam, spannend, aufschlussreich – geht es um Korruption/Manipulation in der Azneimittel-Forschung und um ÄrztInnen, die sich bestechen lassen bzw. ihren Patienten nicht sagen, dass sie ihre Einkünfte aufbessern, indem sie für die Verordnung bestimmter Medikamente Zuwendungen von deren Hersteller erhalten. Das läuft unter „Anwendungsbeobachtung“ und ist ein Marketinginstrument, das den Absatz eines Mittels steigern hilft.

Wolfgang Schorlau hat in diesem Sachgebiet gründlich recherchiert, gibt seine Quellen sowohl im Buch als auch auf seiner homepage preis > http://www.schorlau.de/ Er listet nicht nur Materialien (Spiegel, ZDF u. a.) und Literatur auf, sondern auch „Wichtige Webseiten“. Eine davon führt zu http://www.mezis.de/ Mezis steht für „Mein Essen zahl ich selbst – Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte“. Sie ist Mitglied des Deutschen Ethikrates.

Abgesehen davon, dass man aufhorcht bei dem Namen der Initiative – denn wer glaubt denn nicht an die Unbestechlichkeit seines Arztes/seiner Ärztin!? – , kann man via Suchfunktion herausfinden, welche/r MedizinerIn in der näheren und weiteren Umgebung dieser Initiative angehört. Die Mezis-Webseite gibt auch Tipps, wie man als PatientIn zu mehr Transparenz hinsichtlich der Einflüsse der Pharmaindustrie gelangen kann.

Wir alle wünschen uns ein Gesundheitssystem, in dem nicht gemauschelt wird oder Vorteilsnahme darüber bestimmt, womit wir „verarztet“ werden. Hierzu ist der Gesetzgeber gefragt, der freilich auch hin und wieder tätig wird. Doch manche Meldung über diese komplizierten Vorgänge gehen in der Flut von Neuigkeiten unter oder sind so schwierig zu kommunizieren, dass sie nicht zum Endverbraucher gelangen.

So greife ich heute einen Aspekt heraus, der zeigt, 
dass es jüngst ein Gesetz fast geschafft hätte, 
ein Drei-Klassen-Strafrecht im Gesundheitssystem zu etablieren. 
Es wurde im Bundesrat abgelehnt, wovon ich über eine Pressemitteilung erfuhr:

 >> MEZIS tritt dafür ein, die Bekämpfung von Korruption für alle ÄrtzInnen gleichermaßen im Strafgesetzbuch zu verankern. Das sah das Präventionsgesetz, das am 20.9.13 im Bundesrat abgelehnt wurde, nicht vor. Es hätte nur bestechliche KlinikärztInnen ins Visier genommen, niedergelassene VertragsärztInnen hätten bei korruptivem Verhalten wie die Pharmaunternehmen, die Bestechungsvereinbarungen treffen, nicht bestraft werden können. Diese Ungleichbehandlung ist zunächst abgewendet.

Das von der schwarz-gelben Mehrheit im Bundesrat verabschiedete Präventionsgesetz sei als „zu kurz gegriffen einzustufen“, sagt Dr. Christiane Fischer, die ärztliche MEZIS-Geschäftsführerin. Es führte nämlich die Bekämpfung von Korruption im Sozialgesetzbuch V als „Nebenstrafrecht“ auf. Ein Antikorruptionsgesetz als Anhängsel an das Präventionsgesetz hätte die Bedeutung des Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen herabgesetzt. Die Verfolgung von korruptem Verhalten wäre massiv geschwächt worden.

Nun muss das Gesetz neu beraten werden, das Ende ist offen. Dr. Christiane Fischer unterstreicht: „Erst einmal ist es gut für die Patientinnen und Patienten, dass kein inakzeptables Drei-Klassen-Strafrecht geschaffen wurde. Hätte der Bundesrat zugestimmt, wären bei Korruption Klinikärztinnen und Klinikärzte nach dem Strafgesetzbuch, niedergelassene KassenärztInnen nach dem Sozialgesetzbuch und niedergelassene PrivatärztInnen gar nicht bestraft worden.“ „Ja und bei niedergelassenen KassenärztInnen, die auch PrivatpatientInnen behandeln, wäre die Situation noch undurchsichtiger geworden“,  ergänzt Vorstandmitglied Dr. Eckhard Schreiber-Weber.<<

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Außer der Appell, sich selbst im Web immer wieder zu Hintergründen vorzugraben und wachsam zu bleiben! 

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Sep 09 2013

Geschäftsgebaren sitzt im Knopfloch

Autor: . Abgelegt unter Alltag

Ich rufe bei meiner Frauenärztin an. Telefonische Rezeptbestellung kein Problem. Aber ich soll das Rezept abholen. Grob geschätzt sind das 17 km einfach, eine 55-Cent-Briefmarke ist billiger. „Ausnahmsweise“, sagt die Sprechstundenhilfe ein wenig widerwillig. Ob sie sich vergegenwärtigt, dass ich unlängst ihren Arbeitsplatz mit 100 Euro gesichert habe? So viel kostete nämlich der Ultraschall, den die Krankenkasse nicht bezahlt. Weil’s eben nur zur Vorsicht ist und nicht medizinisch notwendig.

Bei meinem Hausarzt bin ich übrigens dafür bekannt, dass ich ab und zu ein paar Briefmarken dalasse, damit man mir Überweisungen und Rezepte zusendet. „Sehr aufmerksam“ nannte mich die freundliche Frau am Empfang und meinte, ich gehöre zu den wenigen, die so was machen. Tja, so geht es auch.

Damit sind wir bei zwei Verbraucherthemen: Vorzimmer-Gebaren und Vorsorge.

Aber auch beim Bäcker sah es heute nicht gut für mich aus: Ob man das Brot (Bio, beste Qualität, keine Billigware) schneiden könne? „Nein, in der letzten Abverkaufsstunde schneiden wir grundsätzlich nicht mehr.“ Das war zwar mit einem Lächeln gesagt, aber so sehr ohne Bedauern, dass ich mir eine bissige Erwiderung verkneifen musste.

Im Laden war außer mir niemand, der hätte warten müssen, während mein Brot durch die Schneidemaschine gerattert wäre und insgesamt vielleicht zwei Handgriffe mehr erfordert hätte. Ich werde jedenfalls die nächsten Tage immer, wenn ich eine Scheibe von dem guten Brot esse, an dieses Verhalten denken.

Nach der unschönen Reaktion der Assistenin der Frauenärztin habe ich damals zwar überlegt, ob ich bei der nächsten Konsultation Briefmarken dalassen soll. Aber das Personal schichtet und wechselt – wenn man nicht dick auf meine Patientinnen-Akte „Marken-Vorschuss“ schreibt, muss ich beim nächsten Mal wieder mit einer abwehrenden Haltung rechnen. Vielleicht künftig lieber eine andere Praxis aufsuchen, auch wenn ich mit den ärztlichen Leistungen in jener zufrieden bin?

Die Haltung macht es nämlich. Die sagt „willkommen“ oder bringt Misstöne in den Kontakt. Ob beim Brot oder beim Arzt: Ich will nicht geherzt oder umarmt werden. Nur bitte eindeutig weniger hohes Ross und eine Spur weniger spartanisch. Entgegenkommen sitzt schon im Knopfloch, keiner muss sich krümmen oder dienern.

Und bitte lassen Sie sich das Wort “Abverkauf” auf der Zunge zergehen. Von Verkäuferin zu Käuferin wohlbemerkt! Wie viele Haare sträuben sich da?

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Aug 08 2013

Gut leben ist angesagt, Casati riskierte mehr

Autor: . Abgelegt unter Kultur,Literatur

Gut leben, besser leben, kein Burnout und einen guten Coach an der Hand – die Zeitungen sind voll von der Sehnsucht nach Balance, Konstruktivem, Nachhaltigem. Ganze Serien werden gestrickt, um Visionen oder gar Utopien in die Welt zu setzen, Vorbeugung und Vorsorge schmackhaft zu machen. Autorinnen und Autoren strengen sich mächtig an, um den Mut für das Zimmern zufriedenstellender Perspektiven anzukurbeln. Die Werte-Diskussion war wohl zu anstrengend auf die Dauer. Nun nehmen wir es auf der praktischen Ebene in die Hand, unser Leben nach dem auszurichten, was uns gut tut, glücklich macht und vorwärts bringt. Alles eher vernünftig als bahnbrechend.

Ein Leben, das in keinen Schuh und keine Schublade passt, hat Luisa Casati hinter sich gebracht (1881 – 1957) – eine Frau mit enormer Begabung zur Selbstinszenierung. Zu der stand sie, obwohl es für das meiste, womit sie sich präsentierte, keine Vorbilder oder Empfehlungen gab und obwohl sie sich oft „außerhalb“ der Norm stellte, aneckte, Kopfschütteln provozierte und teilweise heftige Kritik heraufbeschwor.

Bei Rowohlt erschien ein Roman über diese außergewöhnliche Frau, die natürlich ohne Reichtum nicht so exaltiert hätte leben können. Auch wenn man ihre Eskapaden nicht gut heißen oder gar unmöglich finden mag – der aufrechte Gang, den diese Frau praktizierte, unterscheidet sich doch würzig von dem Drang nach dem guten Schnitt, dem Triumph der kurzfristigen Erfolge und dem wohlgefälligen Streben nach einem besseren Leben. Näheres dazu unter > http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=18201

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