Sep 09 2013
Geschäftsgebaren sitzt im Knopfloch
Ich rufe bei meiner Frauenärztin an. Telefonische Rezeptbestellung kein Problem. Aber ich soll das Rezept abholen. Grob geschätzt sind das 17 km einfach, eine 55-Cent-Briefmarke ist billiger. „Ausnahmsweise“, sagt die Sprechstundenhilfe ein wenig widerwillig. Ob sie sich vergegenwärtigt, dass ich unlängst ihren Arbeitsplatz mit 100 Euro gesichert habe? So viel kostete nämlich der Ultraschall, den die Krankenkasse nicht bezahlt. Weil’s eben nur zur Vorsicht ist und nicht medizinisch notwendig.
Bei meinem Hausarzt bin ich übrigens dafür bekannt, dass ich ab und zu ein paar Briefmarken dalasse, damit man mir Überweisungen und Rezepte zusendet. „Sehr aufmerksam“ nannte mich die freundliche Frau am Empfang und meinte, ich gehöre zu den wenigen, die so was machen. Tja, so geht es auch.
Damit sind wir bei zwei Verbraucherthemen: Vorzimmer-Gebaren und Vorsorge.
Aber auch beim Bäcker sah es heute nicht gut für mich aus: Ob man das Brot (Bio, beste Qualität, keine Billigware) schneiden könne? „Nein, in der letzten Abverkaufsstunde schneiden wir grundsätzlich nicht mehr.“ Das war zwar mit einem Lächeln gesagt, aber so sehr ohne Bedauern, dass ich mir eine bissige Erwiderung verkneifen musste.
Im Laden war außer mir niemand, der hätte warten müssen, während mein Brot durch die Schneidemaschine gerattert wäre und insgesamt vielleicht zwei Handgriffe mehr erfordert hätte. Ich werde jedenfalls die nächsten Tage immer, wenn ich eine Scheibe von dem guten Brot esse, an dieses Verhalten denken.
Nach der unschönen Reaktion der Assistenin der Frauenärztin habe ich damals zwar überlegt, ob ich bei der nächsten Konsultation Briefmarken dalassen soll. Aber das Personal schichtet und wechselt – wenn man nicht dick auf meine Patientinnen-Akte „Marken-Vorschuss“ schreibt, muss ich beim nächsten Mal wieder mit einer abwehrenden Haltung rechnen. Vielleicht künftig lieber eine andere Praxis aufsuchen, auch wenn ich mit den ärztlichen Leistungen in jener zufrieden bin?
Die Haltung macht es nämlich. Die sagt „willkommen“ oder bringt Misstöne in den Kontakt. Ob beim Brot oder beim Arzt: Ich will nicht geherzt oder umarmt werden. Nur bitte eindeutig weniger hohes Ross und eine Spur weniger spartanisch. Entgegenkommen sitzt schon im Knopfloch, keiner muss sich krümmen oder dienern.
Und bitte lassen Sie sich das Wort “Abverkauf” auf der Zunge zergehen. Von Verkäuferin zu Käuferin wohlbemerkt! Wie viele Haare sträuben sich da?
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