Dez 08 2013
Köstlich: Ghost Konrad & sein Tabu-Job
Aufregend klingt der Titel nicht: „Der Bearbeiter“. Wir haben es hier aber mit einem Roman zu tun, der es faustdick hinter den Ohren hat! Einem geschmeidigen Roman, der mit wenig Personal auskommt, uns leichtfüßig unterhält und oft schmunzeln lässt, ohne dass seine Ironie aufdringlich wäre. Das Subtile an dem Stoff ist, dass wir ein Stückchen „Untergrund“ erfahren, denn der „Bearbeiter“ ghostwritert für Menschen, die an Hochschulen und Universitäten einen Titel erlangen möchten. Und so ist es logisch, dass er sich „Bearbeiter“ nennt, statt „Doktormacher“, denn in dem Geschäft darf niemand zugeben, je eine/r der Beteiligten gewesen zu sein.
Das Unaufgeregte hat also System. Ghostwriter sind das Gegenteil von jenen, die sich in den Vordergrund drängen. Mögen sie ächzen und stöhnen unter ihrer Arbeit, sich ihrer Macht bewusst sein – im Grunde verdingen sie sich in einem ziemlich eng anliegenden Korsett. Zumal Konrad Richter, dem wir 287 Seiten lang über die Schulter schauen dürfen. Er kennt nämlich seine Kunden nicht einmal, sie werden ihm vermittelt. Das hat Vor- und Nachteile. Der Schutz der Anonymität für Auftraggeber und -nehmer ist lukrativ für den Vermittler, die Kärrnerarbeit im Verhältnis dazu schlecht bezahlt.
Der Autor Wolfgang Klinghammer kennt sich in dem Geschäft aus, arbeitet selbst aus Ghost „auf verschiedenen Gebieten“. In einem Interview mit Jenapolis räumte er ein, dass der Roman teilweise autobiografisch angelegt ist, will ihn aber in erste Linie als „Wissenschaftssatire“ verstanden wissen. Denn der Wissenschaftsbetrieb mit all seinen Eitelkeiten und seiner Obrigkeitshörigkeit bekommt gehörig sein Fett weg. Hierzu sei das köstliche Probekapitel „Habermas“ www.derbearbeiter.de/ empfohlen – 14,5 Minuten kann man sich hier einhören.
Seitenhiebe gibt es aber auch auf ein Intelligenznetzwerk, das „Pi“ (es könnte sich in unmittelbarer Nachbarschaft von „Xing“ tummeln), das jeden mit einem IQ von 130 und mehr willkommen heißt. Und weil Ghosts ja im stillen Kämmerlein writern (wenn sie mal nicht Bibliotheken durchkämmen und kostbare Zeit am Kopiergerät verbringen), streckt Konrad hier neugierhalber seine Fühler aus. Auch das ist eine vergnügliche Schiene, die dem Buch einige Würze hinzufügt.
Überhaupt: Wo geht die Reise hin, wie entwickelt sich der Held? Schreiben ist ein sehr einsames Geschäft, über das man in diesem Fall nicht einmal kommunizieren darf. Wird er gefährlich und lässt jemanden auffliegen? Dann adieu Broterwerb hinter den Kulissen! Denn Diskretionsverletzungen sprechen sich in dieser Branche unweigerlich herum. Trotzdem ist da ein Spiel mit dem Feuer, das als Lesebeschleuniger funktioniert. Und noch etwas umkreist schließlich den eher zurückhaltenden Konrad Richter, so dass wohltemperierte Spannung aufkommt und wir auf ein Happyend hoffen.
Ein wichtiges Buch, das ein Tabu unverkrampft beschreibt, unverzagt den Finger in mehrere Wunden legt und damit die Mundwinkel frohgemut nach oben zieht.
Wolfgang Klinghammer: Der Bearbeiter. Paperpack: 287 Seiten, Macciato-Verlag, ISBN 978-3-940721-16-7, EUR 16,50
Interview zur Tätigkeit eines Ghostwriters > http://www.jenapolis.de/2011/04/interview-mit-einem-jenaer-ghostwriter/