Archiv für die Kategorie 'Alltag'

Mai 31 2013

Medizin: wo gibt es Denkanstöße?

Autor: . Abgelegt unter Alltag,Literatur

Es wird sich niemand wundern, wenn er Kamillentee trinkt und davon nicht sprühend-unternehmungslustig wird. Wer aber wegen Schmerzen zum Chirurgen geht und sich anschließend darüber beklagt, dass ihm eine Operation vorgeschlagen wurde, hatte sich an die falsche Adresse gewand. Wer einen Arzt aufsucht, bei dem „Traditionelle Chinesische Therapie“ auf dem Türschild steht, muss damit rechnen, mit Akupunkturnadeln Bekanntschaft zu machen, wer eine Osteopathin zu Rate zieht, sollte auf manuelle Interventionen gefasst sein.  Viele Wege führen nach Rom, und wohl dem, der immer wieder eine weiterführende Idee hat. Dergestalt haben sich hier Rezensionsexemplare angesammelt, die Anregungen jenseits des Gängigen vermitteln. Nachdem ich einige sorgfältig in Augenschein genommen habe, möchte ich sie hier kurz erwähnen, jeweils mit einem Link auf weitere Infos dazu.

Ein „verbotenes“ Buch

Umdenken dank psychosomatischer Orthopädie – Impulse dazu liefert „Körperschmerz – Seelenschmerz. Die Psychosomatik des Bewegungssystems“, ein Leitfaden von Hildegund und Peter Heinl, den es mittlerweile in der 6. Auflage gibt. Nachdem einst ein Orthopäde sagte: „Das Buch ist für Sie verboten! Sie haben einen wirklichen Defekt an der Wirbelsäule!“ nahm ich es immer wieder zur Hand und las gerne darin, wenn mir auch einige Fachtermini Mühe machen. Im Großen und Ganzen leuchten die Ausführungen, Fallbeispiele und Analysen jedoch mühelos ein, die lebendige Sprache tut der wissenschaftlichen Solidität keinen Abstrich. http://url9.de/E8J  (Kösel, Verlagsinfo)

Schmerzfrei ohne Chemie

Ebenso wenig möchte ich auf die Einsichten aus dem Buch „Unerklärliche Beschwerden?“ von Helga Pohl verzichten, die die „Sensomotorische Körpertherapie“ entwickelte. Sie widmete sich Dauerkontraktionen in Muskulatur und Bindegewebe, die die Körperwahrnehmung und Bewegungssteuerung stören. Aufgrund von unbewussten seelisch-körperlichen Spannungsmustern wiederholt und manifestiert der Patient, was zu (chronischen) Beschwerden führt. Diesen Kreislauf aufzulösen hat sich Pohl in ihrem Körpertherapie-Zentrum zur Aufgabe gemacht. Auf ihrer homepage http://url9.de/E8N findet man ausführliche Informationen zu ihren Methoden und sogar Übungen für Schmerzgeplagte (Video). Das ausführliche Werk mit dem Untertitel “Chronische Beschwerdenund andere Leiden körpertherapeutisch verstehen und behandeln” erschien bei MensSana/Knaur.

Silber schmückt nicht nur

Eines Tages hatte ich eine Verabredung, zu der ich unter keinen Umständen mit einer Erkältung kommen durfte. Diese kündigte sich jedoch morgens mit einem Kratzen im Hals an. Ein Anruf bei einer Heilpraktikerin: ich erhielt das Allheilmittel „Kolloidales Silber“. Es zauberte meine Beschwerden binnen 45 Minuten weg! Die Erkältung blieb mir ingesamt erspart! Inzwischen habe ich gelernt, das Mittel selbst herzustellen. Es wirkt antibiotisch, hemmt Entzündungen und stärkt das Immunsystem. Ein fundiertes Buch gibt darüber seriös Auskunft: J. Pies, Uwe Reinelt. Kolloidales Silber, VAK Verlag, erweiterte Neuauflage 2013 > http://url9.de/E91

Denken Sie negativ!

Unter der Vielzahl der Anti-Stress-Bücher gibt es einen Pfiffikus, der klein und rot auf die Welt kam und mit Ironie und Humor Widerhaken setzt: 12 Goldene Regeln für Stress-Junkies. Doris Kirch fordert mit Ihrem Anti-Ratgeber dazu auf: „Steigern Sie ihren täglichen Adrenalin-Kick!“. Aufgepasst, hier wird gegen den Strich gebürstet! Wer betroffen ist, darf sich ertappt fühlen, muss es aber nicht zugeben. Denn die ruinöse Tour wird ja propagiert, so dass man mit ihr auf Augenhöhe ist. Ein teuflisches Vergnügen für schnelle Selbsterkenntnis aus dem Mankau-Verlag. Die Autorin leitet das Fachzentrum für Stressbewältigung, Achtsamkeit und Persönlichkeitsentwicklung.  http://www.dfme.de/

Fighting for Mental Health

Schon seit 2002 beleuchtet dieses Grundsatzwerk von Norman Sartorius Sinn, Nutzen, Potential und Defizite der Psychiatrie. Schattauer brachte es mit dem Titel „Seelische Gesundheit. Standort und Perspektiven“ 2012 auf den deutschen Markt. Es ist anspruchsvoll, aber gut lesbar, weil klar strukturiert und verständlich formuliert. Scharfsinnig stellt der Autor Anforderungen, Realität und Möglichkeiten einander gegenüber. Es geht um Politik & Ethos, Kompetenzgerangel versus interdisziplinäre Zusammenarbeit u.v.m. Prädikat: verdient besondere Beachtung! http://url9.de/E9f

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Mai 12 2013

BMI-Tendenz “ungesund” & Tabu-Brüche

Autor: . Abgelegt unter Alltag,Literatur

Sie wollte sooo gerne ein Cowboy sein, Freiheit und Natur liebte sie über alles. In der Schule hatte sie es schwer (lispeln, Rechen- und Schreibschwäche). Sie passte nicht richtig ins System. Das war ihr peinlich. Es half auch nicht, dass sie aus der wohlhabenden Jacobs Kaffee-Röster-Dynastie stammt, etliches an Nachhilfe und Therapie bekam. Schleichend glitt sie in eine Magersucht, deren Gefährlichkeit ihr erst während einer Lungenentzündung richtig gewahr wurde.

   „Die Psyche kann so mächtig werden, das ist wie Treibsand“, sagte Louise Jacobs in der SWR-Sendung „Leute“ (http://url9.de/CKf). Dort wurde sie über ihr Schicksal befragt, worüber sie das Buch „Fräulein Jacobs funktioniert nicht – Als ich aufhörte, gut zu sein“* geschrieben hat. Es liest sich gut (erfreulich kurze Kapitel!), entführt unter anderem nach Vermont, USA, und konzentriert sich nicht auf die Essstörung. Diese erwächst aus einem Rückzugsverhalten, als alles andere aussichtslos „verfehlt“ oder „verfahren“ erscheint. Mit dem Nahrungsentzug konnte Louise Jacobs hässlich gegen sich selbst und gleichzeitig stolz auf sich sein. Heute ist sie (Jahrgang 1982) Mutter und schätzt des Lebens Fülle. Sie spricht begeistert darüber, lässt aber keinen Zweifel aufkommen, dass die Umkehr aus der Zerstörung schwer war.

Seither …

stach überwiegend analytische gefärbte Literatur über diese Krankheit ins Auge und daneben verkaufte sich die Sichtweise der Mütter Magersüchtiger zwischen zwei Buchdeckeln gut. Anstatt das Augenmerk auf das Verhältnis zur Mutter zu verengen, dient der Blick auf die Themen „Macht, Kontrolle, Leistungsdruck“ oft rascher der Demaskierung der Schieflage.

    Man muss sich vorstellen, dass Magersüchtige ständig Hunger haben, den es in Schach zu halten gilt. Die Fähigkeit, das Hungergefühl wegdrücken zu können, nährt das Selbstbewusstsein. Stolz entsteht, weil man sich als standhaft erlebt. Das will man letztlich nicht mehr aufgeben, sondern immer weiter perfektionieren.

   Vor diesem Hintergrund wirkt das Schlankheitsideal, das über uns allen schwebt, grotesk. Offenbar muss man nur wollen, um ihm gerecht zu werden. Wer abnimmt, wird bewundert. Doch vieles ist geschönt/unwahr auf diesem Sektor, damit Appetitzügler und dergleichen Umsatz bringen. Sinnigerweise arbeitet sich auch die Gesundheitsindustrie ab an dem Thema (Übergewicht belastet Gelenke und das Herz-Kreislauf-System), während über Arbeitssucht jahrzehntelang kein Wort verloren wurde. Sie wird uns dank Burnout jetzt häufiger aufgetischt, und Depressionen sind Gott sei Dank auch nicht länger tabu.  

Doppelmoral

Hinweise auf die Doppelmoral werden lauter, dass man stets zu Diäten animiert wird, die langfristig so reiz- wie nutzlos sind. Die Nötigung zu Kleidergröße 34 geht von jedem Laufsteg aus, wo man jungen Frauen, die sich gerne im Licht von Kameras bewegen, jedes Gramm vorrechnet. Während den Beleibten unterstellt wird, sie seien willensschwach und mit zunehmendem Alter krankheitsanfällig, verbindet man mit Schlanksein Selbstbeherrschung und Disziplin, eben Tugenden, mit denen man es in der Leistungsgesellschaft zu etwas bringen kann. Das perfektionierte Entsagen macht jedoch ratlos. Man schaut weg, weiß dem NICHTS – im Gegensatz zum ZUVIEL – nichts entgegenzusetzen. Mit Magersucht weiß die Überflussgesellschaft nicht umzugehen.

Mann – noch ein Tabu-Bruch

So ähnlich erfuhr und erfährt es auch Christian Frommert, der mit seinem Buch „Dann iss halt was! Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe“** an dem Tabu rüttelt, dass Männer gegen Magersucht gefeit seien. Er war es nicht, und es erwischte ihn auch nicht in der Pubertät, sondern im Alter von Ende 30. Er, Jahrgang 1967, war schon „ein gemachter Mann“: erst Redakteur Frankfurter Rundschau, dann Kommunikationschef beim T-Mobile Team (er verkündete 2006 Jan Ullrichs Aus im Radsport vor Mikrofonen und Kameras). Er macht auch kein einschneidendes Ereignis für seine Hungerspirale verantwortlich.

   Bei 1,84 m Körperlänge nur noch 39 kg zu wiegen – da hätten doch schon vorher viele Alarmglocken klingeln müssen. Haben sie auch! Nur es ist krankheitsimmanent, dass der Magersüchtige dafür blind und taub ist. Die Krankheit beherrscht ihn, nicht er sie. Auch bei Christian Frommert kommt der Wendepunkt – wie bei Louise Jacobs – zu einem unvermuteten Zeitpunkt, nämlich, als es um eine ganz andere Erkrankung geht, wobei er krass an die Endlichkeit und damit Kostbarkeit des Lebens erinnert wird. Dass er knapp vorm Organversagen stand wegen seines Untergewichts, hatte ihn (noch) nicht hinlänglich wachgerüttelt.

    Googelt man nach Frommert, kann man sofort eine Reihe von Interviews aufrufen. Stellvertretend sei hier das im STERN genannt > „Eine Geliebte, die man nicht los wird“  stern.de/1982421.htmlDer Journalist will dieser Krankheit eine Stimme geben und schont sich dabei selbst nicht. Seine Kollegen sprangen prompt darauf an. Doch alle wissen, dass das Interesse bald wieder abflaut und dass mit einer einzigen Welle, die das Thema nun in die Öffentlichkeit gespült hat, die Sensibilität gegenüber der an Anorexia erkrankten Menschen noch lange nicht hinreichend geweckt ist.

Schwebezustand mit Todesnähe

Auch Christian Frommert war in der SWR-Leute-Sendung (http://url9.de/CK8). Im Vergleich zu dem Gespräch zwischen Moderator Stefan Siller und Luise Jacobs fehlte dem Mann-zu-Mann-Austausch Siller/Frommert manchmal das Geländer, weil es hier in einem reifen Alter um Intimes ging, vor allem um etwas Unausgestandenes. Es geht um einen Schwebezustand, bei dem es sinnlos ist, zu analysieren oder gut zuzureden oder einen Willen aufzuzwingen. „Dann iss halt was!“, entfuhr es Frommerts Mutter gelegentlich. Wie hart Christian Frommert mit den schwer zu überwindenden Ritualen ringt, vermittelt das Interview bei Markus Lanz besonders anschaulich: http://url9.de/CJZ

Machbarkeitsglaube

Der Glaube ans Machbare durch Anstrengung und Disziplin verirrt sich hier in der Richtung. Feilschen mit sich selbst pro oder contra ein halbes Gramm Fett im Joghurt. Sport treiben bis zum Umfallen. Wir sind wieder nahe dran an der Doppelbödigkeit unserer Moral und unseres Leitsatzes, dass man es mit Leistungsdruck zu etwas bringen kann, auf das man letztlich stolz sein darf. So machen die Interviews mit Christian Frommert in vielerlei Hinsicht nachdenklich, gehen unter die Haut, erschüttern.

   Sein Buch hat er mit Jens Clasen (Textchef bei Men’s Health) verfasst. Es lässt uns ohne Moll-Töne der Krankheit ins Gesicht sehen und verdient dafür Hochachtung und Lob! Das kurze Vorwort von Fußball-Profi Oliver Bierhoff (Frommert ist sein Medienberater) betont, dass man trotz persönlicher Nähe zu einem Menschen mit Magersucht viel aus solch persönlichen Aufzeichnungen erfährt, das man vorher nicht einordnen konnte.

Man begreift: Magersucht hat grausame physische und psychische Folgen. Louise Jacobs schreibt der Magersucht sogar Züge von Schizophrenie zu: „Was einen einst ausgemacht hat, verschwindet, und etwas völlig Fremdes nistet sich im eigenen Körper ein.“ Als Empfehlung für Freunde/Weggefährten drängt sich auf: sich nicht „verbeißen“ lassen, denn Magersüchtige ziehen sich zurück, bauen aus Scham Mauern um sich auf und sind in ihrer Isolation den zerstörerischen Kräften ihrer Krankheit unglaublich stark ausgeliefert. Zu allem Elend kommt noch, dass es keine „komfortablen“ Wege für den Genesungsprozess gibt.  

* Knaur Verlag, 335 Seiten, 2013, 19,99 €, ISBN 978-3-426-65523-8

** Mosaik, 320 Seiten, 2013, 19,99 €, ISBN 978-3-442-39246-9

14.5.2013 Thema “Sucht” bei Maischberger (ARD), es diskutierten u. a. eine Essüchtige, Christian Frommert und Prof. Michael Musalek als Experte: http://mediathek.daserste.de/sendungen_a-z/311210_menschen-bei-maischberger/14672054_geliebte-gehasste-sucht-warum-werden-wir

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Apr 25 2013

Wie beginne ich (m)eine Biografie? (Teil II)

Autor: . Abgelegt unter Alltag,Literatur

Regeln, die sich auf jede Biografie gleichermaßen anwenden lassen, gibt es nicht. Mit dieser kühnen Behauptung Wissensdurstige zu enttäuschen, fällt nicht leicht, hebt aber die Unverwechselbarkeit eines jeden Lebens hervor (und jeder “Materiallage”). Jeder Lebenslauf ist so einzigartig wie die Art und Weise, ihn zu betrachten. Und es kommt entscheidend auf den Blickwinkel an, zu dem sich die Autorin/der Autor durchringt. Davon hängt ab, wie die Niederschrift ausfällt. Einige Anhaltspunkte mögen den Auftakt der Arbeit erleichtern:

Alle Lebensläufe eint, dass sie sehr komplex sind. Folglich muss sich der Autor/die Autorin fragen: was stelle ich zentral, was ist nachgeordnet und was „schmückendes Beiwerk“. Das bringt schon eine erste Ordnung, wenn auch die Entscheidungen nicht leicht fallen mögen. Ähnlich knifflig ist die Aufgabe, den großen Berg an Berichtenswertem in kleine Hügel abzutragen. Sozusagen eine „Gliederung“ anfertigen.

Diese ist segensreich, aber wie im Schulaufsatz – Einleitung, Hauptteil, Schluss – darf man sie sich nicht vorstellen. Selbst dann nicht, wenn man chronologisch vorgeht. Denn die verschlungenen Pfade eines Lebens gehen nicht zielgerade auf ein Finale zu. Außerdem gibt es viel mehr Höhepunkte als in Schulaufsätzen, so dass wir raffinierter vorgehen müssen.

> Vor der eigentlichen Schreibarbeit empfehle ich mehrere Sammlungen. Beginnen wir mit einer Tabelle, die links die Jahreszahlen auflistet und rechts Ereignisse zuordnet. (Menschen, die keinen PC dazu benutzen möchten, sollten ihre „Schätze“ in auf Karteilkarten notieren.) Sie kann ständig weiter „angefüttert“ werden, bei jeder Idee einfach ergänzen.

> Die zweite Sammlung heißt „Personal“. Wir können unmöglich alle Personen gleichzeitig vor Augen haben, die eine Rolle spielen. Sie haben für den Lebenslauf unterschiedliche Bedeutung. Es gibt Busenfreundinnen fürs ganze Leben, Kollegen für einen bestimmten Berufsabschnitt oder die Tante, die in der Jugend Vorbild war, in den mittleren Jahren selten angerufen wurde und erst später wieder in den Focus rückte.

> Die dritte Sammlung betrifft „Orte“. Fragen Sie sich, welche Orte eindrucksvoll oder prägend für sie waren, welche waren traumhaft, welche unerreichbar? Wo kam eine einzigartige Stimmung auf, wo war es abstoßend oder unheimlich? Das darf auch eine unfertige Ferienanlage auf La Gomera oder sonst wo sein, über die man sich geärgert hat, weil zu viel Lärm die Nerven strapazierte oder der Strom gerade immer dann ausfiel, als man den frischen Fangfisch zubereiten wollte. 

> Die vorläufig letzte Sammlung ist eine „Episoden-Kiste“. Einfach drauf losschreiben, wenn eine Episode erinnert wird! Der innere Zensor bleibt ausgeschaltet, denn Überprüfungen finden später statt. Also nicht fragen: ist das jetzt mehr Fantasie oder habe ich es wirklich so erlebt? Dichtung und Wahrheit lassen sich im nächsten Durchgang auseinander dividieren. Wichtig sind hier die Eindrücke wie sie von der Seele purzeln. Flair einfangen! Dialekt, Witz und Ironie versuchen, Spontanität wagen!

Diese Sammlungen entstehen nicht von heute auf morgen. Im besten Fall befruchten sie sich gegenseitig und lassen die Vorfreude auf den eigentlichen Schreibprozess wachsen. Es entspannt, wenn die große Geschichte in kleinen Hügeln überschaubar(er) wird. Als Ansporn sollte man im Auge behalten, dass nach dem Ausdehnen (Verästelungen können Spaß machen!) die Konzentration aufs Wesentliche folgt, die die Spreu vom Weizen trennt. Erst die Vielfalt, die es innerlich zu würdigen gilt, dann das genussvolle Verdichten!

Neben Alltagsspitzen, Medienpolitik/-kritik, & Frauenblickwinkel gibt es hier Tipps für das Schreiben – nicht nur von Biografien. Möchten Sie Erfahrungen posten? Zuschriften bitte unter „Kommentare“.

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Feb 23 2013

Blutleer: gebildet, aber ohne Lebenserfahrung

Autor: . Abgelegt unter Alltag

Wut warmhalten + abrufen. Gut, Gerhard! http://www.kontextwochenzeitung.de/newsartikel/2013/02/zeit-fuer-zorn/ … So lautet mein 980. Tweet. Ja, Sie finden mich auf Twitter, und auch dort beschäftige ich mich hauptsächlich mit Medien, deren Echo und Qualität. Die Kontextwochenzeitung habe ich in diesem Blog schon vor einiger Zeit vorgestellt. Der Hinweis jetzt bezieht sich auf ein Interview mit dem Mediensekretär Gerhard Manthey im Verdi-Fachbereich Medien, Kunst und Industrie.

Da dieser Tage das Jahrbuch für Journalisten 2013* erschien, befasse ich mich gerade verstärkt mit Trends in der Print-Branche. Die medialen Entwicklungen sind vielerorts lange Zeit fehlinterpretiert worden, mit der Konsequenz, dass am falschen Ende gespart und nicht clever genug querfinanziert wurde. In einem breiten Korridor herrscht Konsens darüber, was zu beklagen ist, aber änderbar wäre.

Neben den Rahmenbedingungen gibt auch noch eine Art „Binnenverfasstheit“ von JournalistInnen, die ebenfalls zu Buche schlägt. Das greifen Gerhard Manthey und seine Gesprächspartner in kontext unter dem Stichwort „Haltung“ auf. Seit Jahrzehnten wird dem Gros der Journalisten nachgesagt, sie seien reformrestistent, auf Rituale eingeschworen und nur von mäßiger Berufsleidenschaft beseelt, wenn sie erst mal fest im Sattel sitzen. Nicht nur, dass sie es vornehmlich mit den Eliten pflegen, nein – sie lassen auch jene in ihren Reihen abblitzen, denen nicht der astreine „Stallgeruch“ anhaftet. Früher, als es noch mehr Quereinsteiger gab, war das nicht so drastisch. Doch in gewissen Abständen habe ich es immer wieder in Gremien erlebt.

Erfahrungen anderswo bereichern das Recherchevermögen

Seit 1980 festigt sich meine (idealistische!) Meinung, dass man erst Journalist werden sollte, nachdem man schon in einem anderen Metier dem Wind um die Nase standgehalten hatte. Es klingt vertraut, wenn Manthey sagt: „Wir haben Menschen, die eine tolle Bildung haben, aber die noch nichts erlebt haben. Und die, die nichts erlebt haben, werden losgelassen, zu sammeln, zu sichten, zu ordnen. Dem Anspruch werden sie eigentlich nicht gerecht. Es sei denn, sie würden sich täglich gemeinsam drum bemühen. Aber sie haben die Zeit nicht mehr und werden zugedeckt mit Schrott.“

Wer tiefer in das Thema einsteigen möchte, sollte sich „Echt wahr! Wie Journalisten die Wirklichkeit erzählen“* zu Gemüte führen. Jenseits des mainstreams, der sich weiterhin quält und wo eine „Haltung“ wegen Harmoniebedürfnis und Eigenheim, Studium der Kinder etc. manchmal zu riskant ist, gibt es Phänomene, die aufhorchen lassen. Man muss nicht immer das Stichwort „Landlust“ bemühen, das Gegenteil davon wäre vielleicht Vice Deutschland. Von welchen Impulsen man sich dann inspirieren lassen möchte, hängt wiederum mit der „Haltung“ zusammen.

Übrigens: Meine Haltung, möglichst nah am Alltag berichten zu wollen, erwies sich oft genug als ziemlich strapaziös. Es war weniger schwierig, komplizierte Zusammenhänge zu recherchieren oder kompetente Gesprächspartner zu interviewen, als mit jenen auf des Pudels Kern zu kommen, die keinerlei Erfahrung im Umgang mit Presse hatten und über das Wesen von Medien nie näher nachgedacht hatten. Ich empfehle trotzdem, hin und wieder zu versuchen, neue Quellen jenseits mikrofongeschulter Zeitgenossen aufzuschließen. Wer sensibel ist, kann hierbei in besonderer Weise etwas über den Beruf des Journalismus lernen!

* www.oberauer.com/pressenews/498/

** www.kursbuch-echtwahr.info/

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Feb 06 2013

Die Welt ist voller …

Autor: . Abgelegt unter Alltag,Kultur

Die ganze Welt ist voller … Versuchen Sie mal, mit diesem Satz Ihre Mitmenschen zu ergründen. Wer ist wie drauf?

Und vor allem >> Wie sind Sie selbst drauf?

Das kann eine aufschlussreiche Langzeitstudie werden, die jeden Tag nur wenige Minuten beansprucht. Oder Sie nehmen sich die Frage immer mittwochs vor. Da ist die Woche halb aufgebraucht und drückt weniger schwer als am Montag. Wie es auch sei: das Vorhaben verlangt nach Kontinuität.

Die Welt ist voller … Schneeflocken. Da fällt etwas Leichtes vom Himmel. Federleicht und sanft. Friedlich eben, ohne Haken und Ösen.

… voller stinkender Autos. Das ist weniger erbaulich und stimmt sogar an einschlägigen Standorten. Aber eben nur begrenzt. Soll die Behauptung schlechte Laune zum Ausdruck bringen? Oder ein Ökobewusstsein unterstreichen, das sich in Übertreibungen Luft macht?

… voller Brillenträger. Wer das sagt, hat es satt, immer die Augen zusammenzukneifen und ist auf dem Weg zum Optiker. Oder wird “Brillenschlange” genannt und kontert ohne richtigen Biss. > Was ist Ihre Idee dazu?

>> Stimmungen ausdrücken. Probieren Sie mit solchen Lockerungsübungen Ihre Assoziationstiefe aus!

Das kommt Ihrem Schreibstil zugute!

 

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Dez 14 2012

215,76 € pro Haushalt für ARD/ZDF bei billig produziertem Koch- & Talk-Überhang

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Alltag,Kultur

Rundfunkgebühren heißen ab 1.1.2013 Haushaltsabgabe. Ich gebe zu, ich bin bei dem Thema nicht ganz unbefangen, da ich zur 2. Auflage „ARD / ZDF und UNSER Geld“ das Vorwort schrieb. Das Thema liegt mir am Herzen, weil die Unzufriedenheit mit unserem Rundfunksystem wächst. Es zählt zwar insgesamt zu den besseren auf dieser Welt, hat aber eben auch seine Schattenseiten, die offenbar niemand so recht aufs Korn nehmen und schon gar nicht antasten will. Deshalb finde ich gut, dass Wolfgang Schwab hinterfragt, ob die „Zwangsabgabe“ gerecht ist.

Der Autor ist ehemaliger Rundfunkgebührenbeauftragter und hat einen unbestechlichen Gerechtigkeitssinn. Seit ich ihm 1997 erstmals begegnete, hat mich das Thema nicht mehr losgelassen, unter anderem weil

– sich Jüngere sehr gerne den privaten TV-Sendern zuwenden und sich damit als Zielgruppe (für Werbung und journalistisch-solide Nachrichten) verdünnisieren

– die Staatsferne der öffentlich-rechtlichen Sender gewissenhafter Überwachung bedarf, damit das in sie gesetzte Vertrauen nicht getrübt wird

– sich die Zahlungswilligen oft nicht wiederfinden in den unzähligen Koch- und Talkshows sowie zahlreichen Wiederholungen und dennoch keinen Einfluss auf die Programmgestaltung ausüben können.

Mit der 1. Auflage gab Wolfgang Schwab bereits Anstöße, die Änderungen nach sich zogen. Schon damals (ich stand ihm bei Recherchen und mit meiner Feder zur Seite) ärgerten mich zwei Haltungen:

a)      “Wegen der paar Kröten regt sich in Deutschland doch niemand auf!”* Zahlreich sind jene, die zähneknirschend ihren Obolus entrichteten, aber ansonsten mit Demokratie und Medien in Ruhe gelassen werden wollen und somit die Brisanz des Themas ignorieren.

b)      Mangelnde Bereitschaft zur Transparenz bei Machern bzw. Verantwortlichen. Erst Jahre später durften wir die Höhe von Intendantengehältern erfahren, obwohl wir die ja finanzieren (während die Besoldung von Kanzler, Minister etc. seit jeher nachgeschlagen werden kann). Doch wie hoch sind die Aufwandsentschädigungen für die zahlreichen Rundfunk- und Fernsehräte? Und in welcher Weise vertreten sie die Interessen der Nutzer? Dazu sind sie nämlich von gesellschaftlich relevanten Gruppierungen in diese Gremien entsandt. Abgesehen davon, dass längst neu definiert werden müsste, was heutzutage als „gesellschaftlich relevant“ einzustufen ist, bleibt der Öffentlichkeit verborgen, was in diesen Gremien beraten und beschlossen wird.

In diesem Thema steckt noch viel, das der gründlichen Aufarbeitung bedarf. Doch zunächst geht Schwabs zweite erweiterte Auflage auf die Haushaltabgabe ein, die ab 1.1.2013 jeden trifft. Ist sie gerecht oder ungerecht? Wo sind Nachbesserungen geboten? Wo muss dem gesamten gebührenfinanzierten System konsequenter auf die Finger geschaut werden? Was sind seine Kernaufgaben?

Mehr Einnahmen als mit der seitherigen Regelung sind prognostiziert, ein weiterer Verlust an Kreativität, Vielfalt und Qualität des Programms ebenfalls. Das kann sich nur ändern, wenn eine Lobby gut informierter basisnaher Mediennutzer an Boden und Einfluss gewinnt. Das Buch – es enthält übrigens auch den Gesetzestext – könnte dazu beitragen.

Wolfgang Schwab / Dirk A. Leibfried. ARD / ZDF und UNSER Geld. Zweite erweiterte Auflage. edition winterwork, 12,95 €, ISBN 978-3-86468-257-5 (Gegen Rechnung direkt bestellbar bei WWoschwa@aol.com)
 
*… regt sich niemand” ist stimmiger, denn aufregen tun sich viele (wie über Benzin- oder Gaspreise), aber Konsequenzen ziehen – sprich handeln – ist unbequem und deshalb kein allseits eingefleischtes Handlungsmuster.
 

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Dez 02 2012

Grenzen? Grenzen!

Autor: . Abgelegt unter Alltag,Kultur,Sonstiges

Wenn es mal an der Zeit ist, auf den Beginn des 21. Jahrhunderts zurück zu blicken, könnte evtl. diese Episode mit vorweihnachtlichem Glanz in eine Sammlung aufgenommen werden:

Als sich alle Welt vernetzte und damit die entferntesten Regionen virtuell einander näher rückten, spielte Facebook eine Schlüsselrolle zwischen zwei Menschen. Über diese Internet-Plattform konnte man Schulfreunde wiederfinden, sich über Interessen und Hobbys austauschen oder aber flirten. Hier tummelte sich ein junger Mann, der eigentlich nicht mehr richtig daran glaubte, nach allerlei Enttäuschungen sein Herz noch einmal verschenken zu können. Doch zu seiner großen Überraschung erwischte es ihn im Sommer 2012 mit der Freundin seiner Chat-Partnerin. Nach einem ersten Kennenlernen wollte er sie bald heiraten und ihre kleine Tochter adoptieren. Danach sollen beide von Georgien nach Deutschland übersiedeln. „Der jetzt eingeschlagene Weg wird steinig und hart, aber die Liebe kann alles erreichen“, sagte der Mann mit Schmetterlingen im Bauch und freute sich, dass der Weg frei war für ein gemeinsames Weihnachten dank des Visums, das seine Angebetete erhielt.

So schlug die Liebe zwischen Europa und Asien eine Brücke …

Dr. med. Unbekannt

Obwohl man sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts also grenzenlos verlieben kann, markiert die die Bürokratie mancherorts immer noch krasse Grenzen. Die Beispiel-Geschichte geht so: Kommt eine Patientin in die Notfall-Praxis des Esslinger Krankenhauses. Es ist Samstag, ihr kann schnell geholfen werden, doch an der Rezeption stockt „ihr Fall“. Wer sollte den Notfall-Vertretungsschein bekommen? „Ah, Ihr Hausarzt ist gar nicht im Kreis Esslingen niedergelassen? Dann nimmt unser Computer seinen Namen nicht an. Deshalb müssen Sie ihm den Schein selbst vorbeibringen …“ Seltsames Gefühl, dass dein PC-Programm so enge Grenzen akzeptiert. Aber wie sagt nicht ein altes Sprichwort: „Wie der Herr, so dass G’scherr“? Jedenfalls stand auf dem Schein unter „weiterbehandelnder Arzt“ > Dr. med. Unbekannt.

Stones for ever

Grenzwertig sind sicherlich 500 Euro Eintrittsgeld für ein Konzert, dessen Karten dann trotzdem in sieben (7 !!!) Minuten ausverkauft sind. Geschehen in London, als die Rolling Stones ihr 50-jährige Jubiläum mit finanziell gut gestellten bzw. zahlungswilligen Fans feierten. “Es ist erstaunlich, dass wir das noch immer machen, und es ist erstaunlich, dass ihr immer noch unsere Platten kauft und zu unseren Shows kommt”, zititert die WELT Mick Jagger, der sich für die Treue seines Publikum bedankte. Er ist jetzt 69 Jahre alt, und Kollegen in der Rock-Welt sind laut den Zeitungsbericht gespannt, wann er sich mit seinen Jungs, die ja auch nicht jünger werden, in „ruhigere Gewässer“ zurückzieht.

Quelle: 26.11.2012 > www.welt.de/aktuell/article111497776/Die-Rolling-Stones-sind-immer-noch-da.html

Aber „Satisfaction“ kann man doch nie genug haben, oder?

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Nov 12 2012

Hatten Sie auch ein selbstgenähtes Puppenkind?

Autor: . Abgelegt unter Alltag,Kultur,Literatur

Erinnern Sie sich auch noch an jene Zeiten, als es zu Weihnachten kein teures Spielzeug, sondern ein selbst genähtes Puppenkind gab? Kann man sich vorstellen, dass Kinder nur einen Wunsch haben: Die Mutter möge wieder gesund werden?

Jede Zeit hat ihren eigenen Kontext, der den Charakter von Stimmungen prägt. Diese zu überliefern zeigt den nachfolgenden Generationen auf, worauf sie wurzeln, woraus sich das Heutige entwickelt hat. Der Verlag Zeitgut arbeitet daran, das gesamte 20. Jahrhundert in Episoden oder längeren Rückblicken darzustellen. Mehr als 6.000 Manuskripte von etwa 3.350 Zeitzeugen konnten bereits gesichtet und teilweise aufgearbeitet werden. Zur Vervollständigung werden weitere episodenhafte Zeitzeugen-Texte gesucht.

Die Beiträge dürfen von guten und schlechten Zeiten erzählen, spannend, besinnlich oder heiter sein und von schriftstellerischen Laien stammen. Diese Alltagsbegebenheiten zeigen, dass Geschichte kein trockener Schulstoff sein muss. Bisher sind 25 Sammelbände mit mehr als 8.800 Seiten erhältlich. „Lebertran und Chewing Gum“ und „Unvergessene Weihnachten/Band 8“ zählen zu den jüngsten Veröffentlichungen.

Weitere Infos unter www.zeitgut.de.

In eigener Sache >> Die nächsten Kurse “kreativ schreiben” finden in Schorndorf (Start 9.2.13) und Aichwald (Start 2.3.13) statt.

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Okt 29 2012

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten …

Autor: . Abgelegt unter Alltag

 … dass ich so nachdenklich bin. Das Lied von der Loreley* ist mir zwar im Zug nicht eingefallen, aber die Melodie summe ich jetzt beim Tippen, damit die Widersprüchlichkeiten lieblicher werden. Es geht um Egoismus, Zivilcourage, Provokation. Diese Stichworte fallen mir als erstes zu folgender Szene ein:

Sonntagabend, viele Reisende auf dem Bahnsteig. Der Zug –  es ist ein „Doppeldecker“ – kommt zehn Minuten zu spät und scheint voll zu sein. Manche Fahrgäste ziehen es vor, gar nicht erst nach einem Sitzplatz zu suchen, sondern setzen sich auf die Treppe. Mit rücksichtsvollem Balancieren kann man über sie hinwegsteigen. Freude: auf dem oberen Deck sind vereinzelt noch Plätze frei. Doch gefühlte 85 Prozent davon sind mit Gepäckstücken belegt.

Die Eigentümer der Gepäckstücke nehmen die Fahrgäste nicht wahr, die durch die Reihen gehen, um sich an geeigneter Stelle niederzulassen (geschweige denn jene, die mit der Treppe vorlieb genommen haben). Man müsste sie schon direkt ansprechen, ob der Platz frei ist. Aber halt! Ist das nicht eine Farce? Du fragst, obwohl du siehst, dass der Platz von Rücksack oder Tasche besetzt ist. Kann man das wagen? Oder ist man angesichts dieser Situation gehalten, sich nach einem Platz ohne thronendes Gepäckstück umzusehen?

Die Fragen purzeln in dieser Situation nur so durcheinander:

Ist es so asozial, wie ich es empfinde, dass die Gepäckabsteller die Wahlfreiheit zwischen den wenigen Sitzplätzen willkürlich und unnötig einschränken, obwohl auf der Ablage über ihrem Kopf noch jede Menge Stauraum ist? Oder ist es normal, erst Platz zu schaffen, wenn man darauf angesprochen wird? Oder fühlt man sich provoziert, dass ausgerechnet jener Platz begehrt wird, auf dem die Tasche steht, wo doch anderswo sicherlich auch noch frei wäre? Ist es ein Risiko, indirekt die Räumung des Platzes mit der unschuldigen Floskel „Ist hier noch frei?“ zu verlangen (im Hinblick auf verbale Entgleisungen oder Schlimmeres)?

Ist es ein „Generationsproblem“ (“jugendlicher Leichtsinn”), sich unbekümmert so viel Platz zu nehmen, wie es gerade möglich ist? Wird erwartet, in die Schranken verwiesen zu werden, wenn dies der Gemeinschaft abträglich ist bzw. dies jemandem nicht passt? Heißt das, dass Selber-Denken und Umsichtig-Sein nicht freiwillig und aus innerer Haltung heraus geschieht, sondern nur aufgrund von Rückmeldungen oder Reklamationen?

Früher hätte ich gefragt, hätte etwas gesagt. Heute bin ich vorsichtig. Obwohl ich den Slogan „Nicht wegsehen“ vom Weißen Ring unterschreibe und unterstütze. Sie kennen das Symbol von dem Vogel namens Strauß, der den Kopf in den Sand steckt. Genau damit tut man niemandem einen Gefallen!

Bescheiden ziehe ich mich zurück auf einen Platz, auf dem es viel enger ist als gegenüber dem Pärchen, das harmlos aussieht und ein bisschen turtelt und die Bank gegenüber mit Gegenständen besetzt hält. Ein wenig nagt die Frage: Ist meine Vorsicht klug oder bin ich feige geworden? Denn wenn ich mein Ausweichen als Geste der Großzügigkeit empfinden würde, bräuchte ich weder grübeln, geschweige denn so viele Worte über die Angelegenheit verlieren. Es bleibt dabei: Ich weiß nicht was soll es bedeuten …

* Bei der Lorely heißt es freilich “… dass ich so trauaurig bin”. Traurig fühle ich mich aber nicht, sondern ratlos und – wenn ich es sehr kritisch nehme – unbeholfen.

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Aug 24 2012

Nicht um Schreib-Zeit feilschen!

Autor: . Abgelegt unter Alltag,Kultur

Schreiben – gibt es einen richtigen Zeitpunkt dafür? In jedem Seminar geloben die Teilnehmenden, sich künftig zielgerichteter mit ihren geplanten Geschichten zu beschäftigen, zweifeln aber gleichzeitig daran, sich die nötige Zeit dafür freischaufeln zu können. Streng genommen riecht das nach Disziplin, zu der man sich überwinden muss. Wie bei jenen, die eigentlich jeden Tag einen Spaziergang oder Waldlauf machen sollten, aber die Kurve nicht kriegen, obwohl sie Naturliebhaber sind und früher bei Wind und Wetter …

Lassen wir das! Sonst könnte man auch spekulieren, ob diese verhinderten AutorInnen wohl zu jener Spezies Mensch gehören, die sich das Beste immer für zuletzt aufheben. Wie zum Beispiel Tim, der erst Nudeln und Gemüse aß, bevor er sich sein Bratenstück einverleiben wollte. Weil er es aber an den Tellerrand geschoben hatte, um mit den Nudeln die Soße besser aufnehmen zu können, stieß plötzlich die Gabel seiner Schwester nach dem Fleisch. Die Schwester kurz und spitz: „Du magst das wohl nicht. In meinem Magen ist noch Platz dafür.“

Drastischer ist das Gleichnis von dem Seidenschal, den der Mann seiner Frau anlegt. Nie hatte sie ihn getragen, immer war die Gelegenheit nicht gut genug. So, wie sich die Geschichte entblättert, liegt ein feierlicher Ton in der Luft, der nichts Gutes verheißt. Und wirklich: wir erfahren, die Frau ist gestorben, der Schal soll sie auf ihrer letzten Reise begleiten. Wer würde in diesem Fall von „Aufschieberitis“ sprechen? Dieser Begriff trifft zu, wenn sich schmutziges Geschirr türmt und türmt, das Abspielen jedoch stets „auf morgen“ verschoben wird. Etwas „aufzuheben“ kann also auch mit Ehrfurcht, mit Überhöhung und mit Verlängerung der Vorfreude zu tun haben.

Schreiben – gibt es einen richtigen Zeitpunkt dafür? Ja, immer! Diese kurze Antwort ist sicher genauso falsch wie die ewige Nischen-Suche „wann passt’s nun wirklich?“. Der richtige Umgang mit sich selbst steckt in dem Vertagen der Schreiblaune genau so wie das richtige Prioritäten-Setzen. Beides ist Thema unzähliger Management-Bücher. Meine Empfehlung: Nehmen Sie Ihre Neigung ernst! Wenn Sie Bierdeckel oder Gartenzwerge sammeln, tun Sie das auch! Haben Sie schon mal von einem Handarbeitsgenie gehört, das schon ewig einen Pullover stricken will, aber den Anfang nicht wagt, weil das Risiko, anderen Beschäftigungen zu erliegen, zu hoch ist? Oder der Angler, nach dem sich sogar der familiäre Speiseplan richtet:  er stellt sich den Wecker und geht an den Fluss, wenn er Lust auf einen Fang und das dazugehörige Gefühl hat.

Das Managen des Schreibens ist eines der Themen von Richard Norden, Schriftsteller, dem er sich unter www.WritersWorkshop.de widmet. Er nennt dies „Ein Platz für Ihre Kreativität“. Interessierte können monatlich den Newsletter E-Zine lesen. Jüngst erschien das E-Book „Zeit zum Schreiben“ (8,90 €). Wenn auch seine MEHRZEIT-Methode etwas bemüht wirkt, so kann man doch insgesamt von der Aufarbeitung des Themas profitieren.

Wie gesagt: Unabdingbare Voraussetzung ist, das eigene Schreib-Talent ernst zu nehmen und das Kreativ-Sein von Sockel der Unerreichbarkeit zu holen. Dann wird auch die Gewissenserforschung nicht lästig: Was darf in meinem Alltag nicht zu kurz kommen und was ist ein Zeitfresser.

Wie schnell Sie allerdings bereit sind zum Abschied von der vagen Idee „was wäre wenn“, müssen Sie selbst bestimmen. Zur Unterstützung kommen immer wieder Schreib-Ratgeber auf den Markt. Der aktuelle von R. Norden hilft, Schreibenwollen nicht länger als „verbotenes Vergnügen“ hintanzustellen, sondern als normale Aufgabe anzugehen als wäre es der Bau eines Hauses, der Beginn einer Karriere oder der Start einer Reise. Zur Buchseite http://zeit-zum-schreiben.writersworkshop.de Man erhält das Buch als PDF, ePub und Mobi (Kindle). Damit kann man es am PC oder auf jedem beliebigen eBook-Reader oder Tablet-PC lesen.

In eigener Sache: Bücher rund ums Schreiben stelle ich in diesem Blog immer wieder vor. Weiter helfen aber auch Workshops oder Einzelcoaching. Meine nächsten Kurse finden Sie hier > http://url9.de/oYU. Infos über Schreibcoaching gibt’s hier > http://www.ccyd.de/schauer/memo/link02.php

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