Archiv für die Kategorie 'Kultur'

Sep 22 2011

Hört: Erinnern Frauen sich anders?

Autor: . Abgelegt unter Kultur,Literatur

Bevor man womöglich nicht mehr nachhören kann, was der Hessische Rundfunk zu den bzw. rund um die Schwarzer-Memoiren sendete, hier der Link: http://www.hr-online.de/website/radio/hr2/index.jsp?rubrik=14224&key=standar
d_podcasting_derTag&mediakey=podcast/derTag/derTag_20110915&type=a
Sehr interessant finde ich dabei die Erörterung, ob sich Frauen anders erinnern oder ihre Memoiren anders gestalten als Männer. Das Spektrum der Beiträge ist erhellend. Die Diskussion darüber darf gerne fortgesetzt werden.

Heute erscheint in der aktuellen EMMA-Ausgabe übrigens ein Auszug aus dem Memoiren von Alice Schwarzer. Sie hat ihre Erinnerungen, die von den Medien mit einiger Aufregung erwartet wurden, in zwei Teile gegliedert.  Der erste blendet auf ihre Jahre bis zum Erscheinen der erstern EMMA zurück.

Sehr gut erinnere ich mich, an welchem Kiosk in Stuttgart ich die erste EMMA  entdeckte (Charlottenplatz). Ohne lange nachzudenken zückte ich den Geldbeutel und sie war mein! Ich verschlang jeden Artikel. Auf jede Ausgabe wartete ich gespannt. Ich redete viel über das, was ich in den Heften so treffend auf den Punkt gebracht fand, wollte die Bewegung verbreitern helfen. Auch bei meinem Mann und bei meinem Vater fand ich offene Ohren dafür.

Damals erschien die Zeitschrift monatlich. Meine Idee, selbst einen Artikel in EMMA zu veröffentlichen, konnte ich bereits ein Jahr später (1978) verwirklichen. Es ging um Ungerechtigkeiten bei der Jobsuche – Überschrift “Eines Tages heiratest Du ja doch”. Es war noch eine frische Errungenschaft, dass Frauen frei über ihre Berufstätigkeit bestimmen konnten. In allen Köpfen war das noch nicht verankert, bei fast allen Vorstellungsgesprächen wurde ich gefragt: “Und was macht Ihr Mann?” oder “Was sagt Ihr Mann dazu?” Das verlieh mir als Bewerberin eine unbestimmbare Form von Unmündigkeit, die mich sehr wütend machte!

Damals war ich noch keine “gelernte Journalistin”, verdiente mein Geld auf andere Weise und hatte zuvor lediglich einen Artikel für die Lokalpresse geschrieben. Der Honorar-Scheck mit der Unterschrift von Alice Schwarzer musste natürlich auf einem Foto “für die Nachwelt” festgehalten werden! Erst gut zwei Jahre später stürzte ich mich voller Begeisterung in mein Volontariat bei der Gmünder Tagespost. – Ja, es ist wirklich eine spannende Frage, ob sich Frauen an andere Dinge erinnern oder sich in den Zusammenhängen, die ihr Leben prägten, anders darstellen als Männer! Kommentare dazu sind herzlich willkommen!

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Jul 27 2011

Spielwiesen für kreative Seelen

Autor: . Abgelegt unter Kultur

Gemeinsam mit der Akademie Petra Leutbecher lade ich zu Wortspielen ein: am Mittwoch, 10.8.2011 ab 20.30 Uhr. Die Teilnehmer treffen sich online, um sich gegenseitig zu inspirieren.

Leutbecher dazu: „Ich persönlich bin in diesem Bereich Anfänger und würde gerne durchstarten, ‘kreatives Schreiben’ zwanglos und mit viel Spaß zu üben. Jeder kann sich einbringen und sich wünschen, was geübt werden soll. Der Einstieg in die Gruppe ist jederzeit möglich – Schnuppern ist ausdrücklich erlaubt!!!“ http://my.edudip.com/academy_event/Kreatives-Schreiben/1258

Ich unterstütze den Auftakt dieser Hobby-Gruppe.

Für GernschreiberInnen gibt es auf meiner homepage „Unter freiem Himmel“  als Schreib-Coaching-Thema im August> http://bit.ly/lV2iug >> Allen Interessierten viel Spaß dabei!

Weiterführend – weil die Ferienzeit evtl. Freiräume für kreative Seelen schafft – sei hier ein Schreibwettbewerb zitiert:

Das, was uns wirklich am Herzen liegt, unser ganz großes Anliegen ist, Ausdruck unseres Eigentlichen, eben unser Herzblut, gilt es auf den Begriff zu bringen mittels Lyrik, Prosa, Essay, Wissenschaft, Comic, Foto/geschichte, Objekt, Grafik und allen anderen abdruckbaren Techniken. Beiträge bis spätestens Mitte September auf Papier oder CD an STERZ, 8010 Graz, Mandellstraße 10 oder besser per Mail an Redaktion <zeitschrift@sterz.mur.at>

Wer andere Angebote kennt, sie womöglich schon getestet hat, sende Tipps, Erfahrungsberichte etc.

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Mai 03 2011

Gelungen: „Wir werden zusammen alt“

Autor: . Abgelegt unter Kultur

Der Roman führt durch einen Sonntag in einer Seniorenresidenz, ohne dass es anstrengend, heikel oder öde wird. Man vergesse alle Vorurteile über Altersheime – hier lebt auf jedem Quadratmeter die Eigenständigkeit des Augenblicks.

Kurzweilig wird über 64 Kapitel von Bewohnern, Besuchern und Angestellten erzählt. Eine bunte Mischung von Charakteren bringt uns die Autorin näher. Jede Viertelstunde beginnt ein neues Kapitel. Die Blickwinkel, die zu Tage treten, sind sehr unterschiedlich, aber stets mit einem Augenzwinkern oder gar einem Schuss Humor skizziert. Mehr > http://bit.ly/mjh8ge

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Jan 12 2011

Der Trommler

Autor: . Abgelegt unter Alltag,Kultur,Literatur

Es war am Silvesterabend. Ich spazierte in St. Petersburg, Florida, an der Promenade. Viele Künstler-Gruppen waren versammelt. Es gab Musik, Gaukler ließen sich bestaunen, Menschen versuchten sich in einem Hecken-Labyrinth zurechtzufinden. Natürlich gab es auch Essbares an verschiedenen Buden. Die Stimmung war gut, man freute sich auf das Feuerwerk, das neue Jahr und dass man es gemeinsam in einer heiteren Atmosphäre begrüßen würde.

Da plötzlich ein Tommelwirbel. Aha, bestimmt was Afrikanisches! Tja, man hat immer Vorurteile. Das wurde mir angesichts des Trommlers bewusst, nachdem ich mir einen Platz erkämpft hatte, von dem aus ich ihn sehen konnte. Es war ein Mann mittleren Alters. Ein Weißer. Er saß vor drei bis vier umgestülpten Plastik-Eimern. Die Stöcke, mit denen er auf die Eimer trommelte, konnte ich nicht klar identifizieren. Vielleicht waren es haushaltsübliche Rührlöffel, die er verkehrt herum benützte. Aber die Fertigkeit, mit der er trommelte, wird mir lange im Gedächtnis bleiben.

In diesem Augenblick tauchen Oskar Mazerath, Günter Grass und Volker Schlöndorff vor meinem geistigen Auge auf. Und ich bin für eine Weile in Europa, erinnere mich an den Genuss des Films und denke: Mit so einem Trommler müssten meine Memoiren anfangen. Wachrütteln war der Ansporn, in den Journalismus zu gehen, Grass-Lektüre eine frühe Leidenschaft von mir und damit verbunden wiederum eine frühe ferne Liebe, die damals noch wahnsinnig hohe Telefongebühren verursachte. (An Flatrate war nicht mal im Traum zu denken, die Berechnung von Telefonaten erfolgte je nach Entfernung, Dauer und Tageszeit!)

Was würde ich zu meiner persönlichen Trommler-Sequenz erheben? Würde ich anschließend damit fortfahren, über mein erstes Telefon zu berichten und wie meine Kindheit ohne dieses Kommunikationsmittel ausgesehen hat?

Ich hatte versprochen, in loser Folge zu thematisieren, wie man seine Lebenserinnerungen anpackt, wodurch man Zugang sucht und schafft mittels Ereignissen, die sowohl persönlich prägend waren, jedoch meist auch im Zeitgeist eingebettet noch ein wenig farbiger erzählt werden können. Dies war nun die 2. Annäherung an das Thema. Weitere demnächst.

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Sep 19 2010

Willst du mein Freund sein?

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Kultur,Sonstiges

Social Networks (Facebook & Xing) sind deshalb so beliebt, weil man sich mit jeder und jedem nach Herzenslust kurzschließen kann. Das heißt, man kann Informationen austauschen, aber auch gegenseitig Angebote machen. Es kann sich allerlei anbahnen, das (zunächst) standortunabhängig ist und ohne Internet nicht zustande käme.

Seit jeher gibt es aber “irreführende” Bezeichnungen auf diesem Terrain. Bei Xing heißen die Leute, die man mit ihrem Einverständnis in sein Netzwerk einflechtet, „Kontakte“, bei Facebook heißen sie „Freunde“. Wobei man diese „Freundschaften“ abstufen kann. Nicht jeder von diesem „Freundeskreis“ muss alles erfahren, was man postet. Diese Feineinstellungen werde ich demnächst genauer unter die Lupe nehmen.

Heute stieß ich auf eine interessante Hürde: ich wollte mich mit einem Arzt vernetzen, von dem ich immer wieder gerne lese (zum Beispiel „Liebe statt Valium“ – dieses Buch kann ich nach wie vor empfehlen, obwohl es schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat). Bei Facebook ihm die Freundschaft anzutragen (obwohl ich als journalistischen Schwerpunkt Gesundheit und Gesundheitspolitik habe), brachte ich nicht übers Herz. Es hätte mich geniert, wenn er alle meine Postings (= Beiträge) zu Literatur, Stuttgart 21 oder irgendwelche Befindlichkeiten von mir hätte lesen müssen. (Er hat m. E. Wichtigeres zu tun.)

Plötzlich empfand ich Facebook als „zu privat“ für diesen Austausch. Ausweg: Ich fragte auf Xing, ob ich ihn zu meinen Kontakten hinzufügen dürfe.

Es wäre aber ein Trugschluss, würde man nun annehmen, Xing sei nur mit Geschäftsgebaren durchwirkt. In Xing gibt es durchaus private Anknüpfungspunkte. Beispielsweise gibt es die Gruppe „Frauen 45 +“, in der immer wieder Privates gepostet wird (auch wenn man allzu Offenherzige manchmal zur Vorsicht mahnen möchte, weil das WWW “nichts vergißt”). Ich habe gerade eine Wanderung mit Angehörigen der Gruppe „Destination Wallis“ genossen. Das war eine vergnügliche Freizeitaktivität und unterschied sich beträchtlich vom Visitenkarten-Tauschen beim Speed-Dating während anderer Zusammenkünfte, das die Kontaktrate hochtreiben soll. Beides ist sinnvoll, beides hat Fans und womöglich weiterführende Wirkungen.

Es ist also ein „weites Feld“ mit den Social Networks. In lockerer Folge werde ich das hier thematisieren und fühle mich dabei an meine Serie über BTX in den 80er Jahren erinnert, die ich für die Schwäbische Post und die Gmünder Tagespost schrieb.

Frappierend: Es mögen Hürden niedriger werden für Kontaktaufnahme, Selbstdarstellungen und gegenseitges Kennenlernen . Dafür ziehen aber wieder andere Empfindlichkeiten, Unsicherheiten und Vorsichtsmaßnahmen am Horizont auf. Nehme sich jede/r die Zeit, dies alles im einzelnen sorgfältig zu ergründen bzw. zu sortieren!

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Jul 29 2010

Verirren, twittern und “kreativ schreiben”

Autor: . Abgelegt unter Kultur,Sonstiges

„Das Verirren hat zu Unrecht ein schlechtes Image. Man sollte es frohen Herzens zulassen, ja es sich sogar vornehmen. Und staunen, welcher Zugewinn sich daraus ergibt.“ So beginnt meine Rezension des Buches „Verirren. Eine Anleitung für Anfänger und Fortgeschrittene“, die seit gestern auf  www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=14654 nachzulesen ist.

Und weil Verirren so schön ist, komme ich nicht umhin, mich mit Web 2.0 zu befassen. Den entsprechenden Mut erzeugte ein Webinar der Friedrich-Ebert-Stiftung. Praktisch, so ein Webinar! Man muss nicht außer Haus, lernt am heimischen PC. Die Impulse waren für meinen Berufsstand konzipiert. Klar, als JournalistIn kann man es sich schlecht leisten, den Zug der Zeit zu verpassen. So bin ich neuerdings auf „Twitter“. Es wird noch einige Wochen dauern, bis ich mich dort hinreichend auskenne. Lernen braucht Zeit.

Beim Thema „Zeit“ ist festzustellen, dass Seminare stets schlecht zu planen waren/sind, weil es jede Menge Kurzentschlossene gibt, die sich am liebsten erst vormittags anmelden, wenn das Seminar am Nachmittag stattfindet. Niemand mag mehr langfristig planen, sich länger im Voraus festlegen. Ganz gleich, wie die Veranstalter oder Referenten damit zurecht kommen.

Nun habe ich speziell für KURZentschlossene einen Kurz-Workshop „kreativ Schreiben“ entwickelt. Nähere Beschreibung und Anmeldung unter www.memo-reporting-service.com. Am 10. August starten wir auf www.virtueller-campus.net. Den Campus pflegt Petra Leutbecher, die mir auch anderweitig bei diesem Workshop zur Seite steht > http://www.sunlife-coaching.de.

Die Teilnehmer können einen Zeitaufwand von etwa sechs bis zwölf Stunden kalkulieren für die Bearbeitung der vier Aufgaben, zuzüglich Chat zum Auftakt und am Ende (23.9.2010). Hinzu kommen noch – je nach Wunsch – die individuellen Rückmeldungen.

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Jul 17 2010

Zwei radeln für den Frieden nach Teheran oder Kleinode des Abweichens von der Norm

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Alltag,Kultur

„Im Himmel ist der Teufel los“ – für solch augenzwinkernde Schlagzeilen wird die taz von ihren AnhängerInnen geliebt. Gerade die Berichterstattung über Tod und Beerdigung von Fritz Teufel war wieder ein beredtes Zeugnis von dem Gemisch aus Gegenöffentlichkeit, Irritation und „Kurshalten“ der „frechen“ Zeitung, die 1979 gegründet wurde und derzeit dafür wirbt, dass die Zahl der „Genossen“ (mit 500 € Einlage ist man dabei) die 10.000er-Marke übersteigt.

Die liebevolle taz-Würdigung von Fritz Teufel (Links dazu siehe unten) hängt mutmaßlich damit zusammen, dass er eine Zeit lang Artikel und Kolumnen für die Zeitung schrieb. In seinem zweiten Leben, versteht sich! Das begann der in Ludwigsburg Geborene nach seiner Zeit als „Spaßguerillero“ etwa 1980. Erst als Vollkornbäcker in London, später als Fahrradkurier in Berlin – um nur einige Tätigkeiten des einstigen Bürgerschrecks zu nennen, der immer wieder als „Humorist“ identifiziert wird. Dass das Fahrrad seine große Liebe ist, kehrt die taz mehrfach hervor, erwähnt auch „Reiseberichte voller teufelscher Wortspiele“, die entstanden, als der Ex-Kummunarde halb Europa mit dem Drahtesel durchmisst.  (Wer kann sagen, wo die Reiseberichte zu finden sind?)

Die Freude am Radeln bietet sich heute als Überleitung zu einer anderen Tour an, die am Montag, 19.7.2010, beginnt und von Mutlangen nach Teheran führt, um für den Frieden zu werben.

Schirmherr dieser Reise, die Wolfgang Schlupp-Hauck und seine Frau Brigitte Schlupp-Wick  mit einem „Sitzliegetandem“ unternehmen, ist Hiroshimas Bürgermeister Tadatoshi Akiba, gleichzeitg Präsident der Mayors for Peace. Die beiden Radbegeisterten haben sich ein Sabbatjahr eingeplant und wollen 7000 km in die Pedale treten. Alle sind eingeladen, die Tour unter http://www.global-zero-now.de zu verfolgen.

Dass in Mutlangen immer noch aktiv für den Frieden gearbeitet wird, ist hier nachzulesen > www.pressehuette.de. Und dass die Ideen „langsam bei den Diplomaten“ ankommen, spürte die Jugenddelegation der Pressehütte Mutlangen, die im Mai bei der UNO in New York vorsprach – siehe die Pressemitteilung vom 25.5.2010, ebd.

Noch immer bedarf es etlicher Idealisten, die die Verhandlungen zum nuklearen Nichtverbreitungsvertrag beobachten und sich für ein Verbot der Atomwaffen durch eine Nuklearwaffenkonvention einsetzen. Bereits im neunten Jahr informiert das Magazin „FreiRaum“ (elektronisch abrufbar ebd.) über Einzelheiten auf diesem weiten Feld. (Die Welt wäre ärmer ohne solche Special-Interest-Periodia!) Redaktionell verantwortet wird der FreiRaum von eben jenem Wolfgang Schlupp-Hauck (Vorsitzenden der Friedenswerkstatt Mutlangen), der nebenberuflich unermüdlich weltweit präsent ist, wenn es um die Abschaffung von Atom- und Uranwaffen geht und die friedliche Nutzung des Weltraums mit Nachdruck gefordert werden muss.

In Mutlangen aufgewachsen ist – und nun schließt sich der Kreis – Ines Pohl, die am 20. Juli 2010 ihr erstes Jahr als neue taz-Chefredakteurin hinter sich hat. Schön, dass die taz ihren unverwechselbaren Charakter behält und himmlische wie teuflische Schlagzeilen uns weiterhin erfreuen. (Heute: “Bionade schützt vor Scheidung nicht” – ein echter Hingucker, mit grellem Grün unterlegt!) Im teils sehr traurigen Mediengezeter ist es wichtig, solche Raritäten zu pflegen, für die die tazler übrigens niedrigere als die branchenüblichen Gehälter akzeptiern.

Lesenswert: www.taz.de/1/leben/koepfe/artikel/1/clown-mit-schrotflinte/ und www.taz.de/1/leben/koepfe/artikel/1/abschied-vom-teufel/

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Mai 03 2010

Heritage Day in Tampa

Autor: . Abgelegt unter Kultur

Dieser Blog heißt im Untertitel “Renate-Susanne-Telegramm”, weil er unter anderem eine Brücke zwischen Deutschland und Florida schlagen will. Susanne Nielsen postet hier als Autorin und als Kommentatorin. In Tampa, Florida, ist die gelernte Kunsthistorikerin u. a. als “Kulturbotschafterin” unterwegs und freut sich über das gelungene Heritage Fest, zu dem dieser Link führt:

http://ugasflorida.org/heritage_day.html

Viel Spaß beim Ausflug zur

United German American Society

of Florida

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Sep 27 2009

Brause lecken wie einst Oskar

Autor: . Abgelegt unter Kultur

„So lag Katharina Thalbach auch da.“ Normalerweise ist Harald Schmidt beachtet genug, als dass man hier ein Wörtchen über ihn verlieren müsste. Aber wer Erotik so mit Füßen tritt … Äh – es waren nicht die Füße. Es war schlimmer. Aber der Reihe nach:

Die wunderbare Szene mit dem Brausepulver in der Literaturverfilmung „Die Blechtrommel“ enthielt so viel Charme und Witz, dass sie wahrscheinlich etliche Menschen inspirierte, ihre Körper gegenseitig zwischendurch auch mal via Brausepulver (ggf. auch anderen Nahrungs-/Genussmitteln) zu erforschen. Warum nicht?

Hingegen führte uns Harald Schmidt vor Augen, wie die Brause-Bauchnabel-Szene anti-erotisiert dargestellt werden kann. Haltung, Möchtegernunterhaltung, Spucke, Zunge und anzügliche Bemerkungen der hingelegten Frau genügten für ein Würgen in der Kehle. Da bedarf es im Nachhinein nicht mehr der Enthüllung, dass das abgeleckte „Opfer“ ein verabredetes war – nämlich die Ex-Freundin von Ex-Co-Talker Plocher.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt? Ach nein, man soll das ja frech finden. Das Publikum soll sich ja genarrt vorkommen, indem es keine zufällig Freiwillige aus den Reihen der Studiogäste war, die freudig bei der Blechtrommel-Jubiläums-Aktion mitmachte. Oh Mann! Hätte sich doch nur Oskar Matzerath zwischen Darsteller und Kamera geschoben und mit seiner Stimme alles Glas in Reichweite zerspringen lassen. Die dadurch verursachte Bild- und Tonstörung wäre angemessen gewesen.

In dem Schelmenroman von Günther Grass ist Oskar als unabhängiger Geist angelegt. Insofern ist es kein Wunder, dass Harald Schmidt Anklänge an diese Figur sucht, denn auch er möchte als unabhängiger Geist gelten. Zumindest quasi. Denn gerade durch das Kokettieren mit dem Zeitgeist – nichts ist schräg oder minder genug, um ins Rampenlicht zu drängen und zu kommen und zu passen (siehe auch „Schlämmer“, Beitrag vom 8. Sept. 2009) – ist die Unabhängigkeit stark in Frage gestellt.

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Sep 08 2009

Schlemmer & Schlämmer

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Kultur

Es gab schon mal einen Schlemmer: in Billy Wilders rasanter Komödie „Eins, zwei, drei“. Sie erreichte kurz nach dem Mauerbau die Kinos. Ost und West – beide Systeme bekamen ihr Fett ab. Das Publikum erkor das Meisterstück erst später zum Kultfilm, als die Trauer über den antikapitalistischen Schutzwall incl. Schießbefehl sich abkühlte und das Aufbegehren gegen die Teilung sich in eine unbestimmbare Länge zog.

Schlemmer war damals ein Zeitgenosse der „alten Schule“, der die Hacken zusammen schlug, wenn sein Chef ihm etwas zubellte. Er bellte ihm auch zu, dass er diese Zuchtbezeugungen unterlassen solle – vergebens. Schlemmer blieb ein zackiger Untertan. Nicht ohne Selbstbewusstsein, zuverlässig unverbesserlich. Eine Nebenfigur, die man sich leicht merken konnte. Es war klar, welche Epoche hier auf die Schippe genommen werden sollte.

Nun zieht ein neuer Schlämmer – diesmal mit „ä“ – das Publikum in seinen Bann. Horst Schlämmer ist eine Kunstfigur von Hape Kerkeling, der u. a. als Moderator, Komiker und Schauspieler zu den „Angesagten“ in der Medien-Szene gehört. Mit „Isch kandidiere“ bugsiert Kerkeling seine Kunstfigur kurz vor der Bundestagswahl ins Rampenlicht. Es heißt, die Bundesbürger können mit Schlämmer aus Grevenbroich mehr anfangen als mit anderen – realen – Bewerbern, die in der Politik um Sympathien und Glaubwürdigkeit ringen.

Freilich ist der Film über Horst Schlämmer und seine Partei halb so hinreißend wie einst Billy Wilders Komödie. Es bleibt jedoch bemerkenswert, wodurch er „glänzt“. Der Zeitgeist der Unschärfe wird hier gekonnt verkörpert. Das allseits beliebte Durcheinander (Hauptsache „action“) bedarf keiner Verbindlichkeit, Alleinstellungsmerkmale gehen bis auf einzelne Äußerlichkeiten im Gesuppe unter. Es gibt wunderbare Szenen, die die Beliebigkeit bestens treffen. Die Vorliebe für Mittelmaß oder weniger hätte nicht besser unterstrichen werden können. Das war wohl die Absicht und das ist gelungen. Dank eines sehr professionellen Hape Kerkeling, der in mehrere Rollen schlüpft und es auch verstand, viel Prominenz mit ins Boot zu ziehen – angefangen bei Jürgen Rüttgers (derzeit Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen) bis zu Formel-1-Rennfahrer Michael Schumacher. Auch die Frauen kommen in ihren Rollen gut weg – um einen weiteren Pluspunkt nennen.

„Schlämmer hätt’s nicht kommen können“ – wie köstlich doch die Einigkeit in diesem Empfinden, das eigentlich die Bundespolitik und ihr Wahlkampfgebaren meint und nicht die Handlung in „Isch kandidiere“! Dabei kommt rüber, dass die realen Politgrößen die sinnentleerten Rituale weder schätzen, noch aufzulösen verstehen. Alle sitzen im gleichen Boot, nur einer will es anders machen – Horst Schlämmer eben. Aber auch ihm verschwimmen die neuen Ufer, bevor er sie erreicht.

Schlemmer und Schlämmer – zwei Figuren, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Jener schlaksige Kerl, der bei Billy Wilder Gehorsam bis in den letzten Blutsropfen symbolisiert, war ein Typ, an dem man sich hätte abarbeiten können, wenn man in tatsächliche Gegnerschaft zu ihm getreten wäre. In der Folge solcher Typen erlebten die sogenannten „68er“ ihre unvergessliche Blüte. An Schlämmer kann man sich nicht reiben. Er ist zwar kein Tollpatsch, bei dem man alles entschuldigen möchte, aber er schafft es auch nicht in wirklich die „Pfui-Ecke“, die unweigerlich Schaum vorm Mund oder Blitze in den Augen seiner Kritiker bzw. Widersacher hervorrufen würde.

Hape Kerkeling stellt ein System in Frage – Billy Wilder zwei Systeme (noch dazu an einer ihrer empfindlichsten Nahtstellen). 1961 stand die Zeit auf Polarisierung. Im Gegensatz dazu sehen sich 2009 Künstler eher einem ärgerlichen Wischiwaschi gegenüber, dass irgendwie ausgehebelt gehört. Die Angriffe darauf mögen hoffentlich ins Bewusstsein tröpfeln, scheinen für den Moment aber trotz hoher Perfektion erst mal seltsam harmlos, ja fast zahnlos und von liebenswürdiger Toleranz durchzogen. „Leben und leben lassen“ als Motto – auch wenn es sich selbst bis zu einem gewissen Punkt konterkariert – taugt als beißende Grundlage für eine Kritik an den Ärgernissen des politischen Jonglierens wenig. Die Langzeitwirkung bleibt abzuwarten.

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