Archiv für die Kategorie 'Allgemein/Politik'

Okt 13 2020

Zwischenruf!

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik

Fast hätte ich zu spät geschnallt, dass mein „Where do you come from?“ bei meinem Gegenüber beleidigend wirken könnte. Doch ich möchte ja auch nicht gefragt werden, ob ich vom Himmel komme, weil ich „Schauer“ heiße. Obwohl ich immer buchstabiere: „Schauer wie Regen“. Man merkt auch meiner Sprache an, dass ich nicht “einheimisch” bin. Dennoch stört sich niemand dran. Das ist gut so. Aber würde ich Ali Schauer heißen, würde man womöglich vermuten, ich sei außerhalb Deutschlands groß geworden und hätte mir den Nachnamen angeheiratet. Die Vermutung, dass ich mir den deutschen Pass erst noch verdienen müsse, hinge im Raum.

Sooo einfach ist das also nicht mit den Namen und Wörtern. Man sortiert und sortiert – oftmals nur im Geiste – und findet mehrere Gleise zur Einordnung. Unüberlegte Entgleisungen mag man sich und anderen verzeihen, aber für Rassismus gibt es keine Entschuldigung. Dies ist aber nur eines der Themen, die derzeit bleischwer auf Deutschland lasten. Und was das Klima absolut anstrengend macht, sind die Reaktionen auf ein Virus, das nur darauf aus ist, sich zu verbreiten.

Wie soll man da noch fröhlich Kurse halten für Kreative, sie sehr feine Antennen haben? Es funktioniert, es klappt – und macht sogar ein wenig beschwingt, nachdem man sich gegenseitig die frisch aufs Papier geflossenen Texte vorgelesen hat. Doch es ist nicht so einfach, sich aus dem Zurückgezogensein, in das wir alle mehr oder weniger geglitten sind oder geworfen wurden, herauszuschälen. Und noch ein Merkmal hängt über uns, dessen Entfaltung aber nicht so richtig ins Bewusstsein gesickert ist: Die Verdachtsnähe und damit die Nachbarschaft zur Denunziation.

Wer hustet, möchte oder muss sich rechtfertigen, dass es „nicht Corona“ ist, sondern … Am besten ist man angesehen, wenn man eifrig Hände wäscht und Maske trägt. Kann man es sich leisten, Argumente der Zweifler zu diskutieren oder wird man dann womöglich gleich als „unzuverlässig“ oder gar „nicht kompatibel“ eingestuft? Früher ist man vielleicht mit einer leichten Erkältung noch zur Arbeit gegangen – riskiert man das in den nächsten Wochen ebenfalls? Wenn zu beobachten ist, dass die Nachbarn aus dem Urlaub heimkehren – ob die auch wirklich in einer Gegend waren, aus der sie nix anschleppen? Warum müssen die überhaupt verreisen – sogar in Deutschland werden Landkreise übernacht zu Hotspots erklärt. Undsoweiterundsofort.  

Es sind also überall Minen gelegt. Das Zurechtfinden kann bisweilen mühsam sein. Wohl dem, der Inseln der Geborgenheit hat! Sie fliegen einem jedoch nicht zu. Nur bei entsprechender Haltung werden sie einem vermitteln, dass es im HIER und JETZT auch ein Ausruhen gibt, eine Freude jenseits der aufregenden Bewegtheit, die überall in der Luft flimmert und surrt.

Ab 17.10.2020 in Schorndorf (VHS): Jugendliche sind oft voller Elan und engagieren sich, bevor sie von Berufs- und Familienpflichten absorbiert werden. Wir begeben uns auf Spurensuche, welche Frauen schon frühzeitig von sich reden machten, welche Träume sie hatten und wodurch sie den Zeitgeist prägten. Wir lassen uns inspirieren und kommen vielleicht zu spannenden Utopien, indem wir einst und heute verschränken. Recherche-Übungen & Lockerungsspiele inbegriffen! Das Seminar endet mit einer Online-Sequenz, die beim letzten Treffen erläutert wird und bei freier Zeiteinteilung bis Ende Januar dauert. (Vorschläge für zwei “Impulsgeberinnen – jünger als 35” bitte mitbringen.) Näheres dazu hier >> https://lmy.de/3AbQt

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Apr 30 2020

Wenn wir in einigen Monaten zurückblicken …

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik

Will mal hören, wie du die Zeit so erlebst, da es scheint, man dümpelt so vor sich hin im „social distancing“.

Diese WhatsApp schreckte mich hoch. Ich erkannte: ich weiß nichts zu sagen. Wer nichts erlebt, wird langsam leer. Höchstens kommen Erinnerungen an das frühere Jagen nach dem vermeintlich Unabdingbaren. Und es keimt Ärger, dass das Virus so viel Vorsicht und Geld locker macht, während es die Erderwärmung nur zu Lippenbekenntnissen brachte. Ganz blöde Stimmung. Lieber niemand damit behelligen!

Aus NICHTS Vielsagendes zu schöpfen – im Moment ist mir das nicht gegeben. Wie gut, dass ich trotzdem antworten konnte auf die WhatsApp. Als ich die Leere – zugegeben etwas notdürftig – beschrieben hatte, fiel mir auf, dass ich sie weder mit Lob noch mit Tadel zu würzen weiß. Lediglich ein wenig Wehmut unterströmte meine Worte.

Doch ich konnte mit etwas Erfreulichem enden, was ich auch hier gerne empfehle. Es ist die Corona-Rückwärts-Prognose des Zukunftsforschers Matthias Horx: Wie wir uns wundern werden, wenn die Krise „vorbei” ist. https://www.horx.com/48-die-welt-nach-corona/ (Mit Hinweis auf die Quelle darf der Text verbreitet werden.) Der Einsicht, dass wir nicht mehr zur gewohnten Normalität zurückkehren werden, wird hier die Schwere genommen, die Zukunft als lohnendes Experiment skizziert.  

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Mrz 15 2020

Nur Mut!

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik

Ist der Mut, die Meinung zu sagen, geschrumpft? Dies wird häufig behauptet. Man habe Angst, in die falsche Ecke gestellt zu werden. So die Begründung.

Wie kann jemand, der im Gespräch bleibt, seine “Ecke” nicht erklären können? Oder bleibt man nicht im Gespräch? Liefert ein Statement ab, erklärt, wovon man es ableitet – und dann ist das Gespräch vorbei. Der andere soll es “fressen”, sich damit zufrieden geben, glauben? Höre ich dem anderen wirklich auch zu, setze ich mich mit dessen Meinung auseinander? Oder stehen sich zumeist zwei MeinungsträgerInnen gegenüber, die sich nicht austauschen, sondern gegenseitig plakatieren und dann wieder auseinandergehen? Vielleicht mit einem Schulterzucken > “Soll er/sie doch mit ihrer Meinung glücklich werden. Mal sehen, wer recht behält!”

Wenn ich eine Malerin wäre und dazu ein Bild malen könnte, würde ich „eingeschlossen in der eigenen Meinung“ in eine Mauer um ein Individuum umsetzen. Es dringt nichts herein und nichts hinaus. Kein Austausch, keine Inspiration …

Diese Situation wird nun an die Wand gemalt mit dem aktuellen Fürchte-Virus. Wir alle in Quarantäne. Vorher noch tüchtig einkaufen! Raffen, was geht! Wer sich in den Weg stellt, wird beschimpft, wer rationiert auch. Ich – Ich – Ich. Erkennen wir die Spiegelung? Weltweit vernetzt sein und trotzdem abgeschnitten? Wie viele Widersprüche werden uns bewusst? Corona fordert uns heraus. Wir können nicht entrinnen. Aber nur die vielen Risiken und möglichen Opfer unaufhörlich zu beschwören, verstellt den Blick, bildet eine Sackgasse. Wie kreativ sind wir wirklich? Die nächsten Wochen werden es zeigen!

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Mrz 06 2020

Noch ein Ministerium

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik

Das Ministerium für Einsamkeit – siehe Beitrag zuvor – ließ mich nachsinnen: Wofür könnte man noch Ministerien gründen? (Achtung! Vielleicht wird das eine Satire!)

Heute wurde ich fündig. Ich stand an der Kaffeemaschine – eine altmodische, nicht vollautomatisch. Da fiel mir ein, dass ich eigentlich zu viel arbeite. Auf zu vielen Baustellen. Meist unter einem gewissen Druck. Von einer Bekannten hörte ich Ähnliches. Sie hatte letzte Woche PC-Verbot. Keine Ahnung, wo sie sich befand, aber ich fantasierte mir einen Wohnwagen dazu, eine schöne Lichtung und viel In-die-Luft-starren.

Doch zurück zur Kaffeemaschine. Als ich sie in Gang setzte, blitzte vor meinem geistigen Auge das “Ministerium für Leistung” auf. Es könnte dazu dienen, endlich Leistung zu definieren. Heutzutage gilt ja fatalerweise die Definition “IMMER-MEHR”. Man freut sich, wenn man diese Norm erfüllen kann. Aber ich will mehr! Morgen hänge ich mir mir ein gerahmtes Blatt an die Wand: “Dies ist der vernünftige Rahmen für Leistung” soll darauf stehen. Den Rest des Tages bin ich nun mit Grübeln beschäftigt. Ist Grübeln eine Leistung?

Bevor ich eine Antwort auf diese Frage finde, denke ich mir bereits Arbeitsbegrenzungsmaßnahmen aus. Und natürlich eine vernünftige Relation zwischen Leistung und Ertrag. Zuletzt behalte ich das aber alles für mich und stelle es dem nächsten Kurs “kreativ schreiben” anheim, sich über Leistung usw. eine Geschichte auszudenken. Damit ich nicht alleine grüble. Denn das könnte mich einsam machen, wozu ich zwar das Ministerium für Einsamkeit anrufen könnte, aber das ist in England. Und jetzt, bei all den Wirren um den Brexit …

Also verabschiede ich mich nun erst mal mit einem grüblerischen Lächeln und hoffe, ich habe einen leistungsschwachen Tag!

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Okt 09 2019

Widerspenstiges zähmen

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Literatur

„Vive la Freundschaft“ ist dieses Semester in der VHS Schorndorf überschrieben. Was fiel mir dazu ein? Charles de Gaulle (1890-1970) und Konrad Adenauer – lange her. Als Kinder haben wir in der Schule gehört, dass die deutsch-französische Freundschaft nun mit besonderem Augenmerk aufgebaut und gepflegt werde, nachdem die Epoche der „Erbfeindschaft“ endlich überwunden sein müsse. 1963 strahlten die ehemaligen Feinde über dem Èlysée-Vertrag.  

Doch „Vive la Freundschaft“ in heutigen Zeiten strahlt weiter. Schließlich haben wir neue Verteilungskämpfe rund um die Welt. Und es gibt Streit, wo Flüchtlinge an Land gehen dürfen und wo sie unterkommen können. Dazwischen diese Greta, die geliebt und gehasst wird, weil sie mahnt, was man seit Jahrzehnten verschlafen hat.

Also geht es um die Abwehr von Fremdem ganz allgemein, denn das Versäumte ist uns ja seither auch fremd gewesen. „Wo die Angst ist, da ist der Weg“ – ein alter Psychologen-Spruch, an dem viel Wahres ist. Damit begann mein Kopfzerbrechen, was ich in diesem Semester als Thema im Kurs „kreativ schreiben“ in Schorndorf anschneiden soll.

Nun starten wie heute Abend damit >> Widerspenstiges zähmen. Wenn aus Gegnern Freunde geworden sind, erklingt ein neuer Ton. Beim Tagebuchschreiben ist er zu hören, sobald die Einsicht in die zwei Seiten einer Medaille wächst. Plus und Minus, Geben und Nehmen werden sichtbar – fesselnd und dennoch freischwebend.

Die Literatur ist voll von Widersachern und Widerspenstigem. Das schafft Spannung auf dem Weg zu neuen Horizonten. Wir experimentieren damit, trainieren Sprachgefühl und Textstärke, gönnen uns Lockerungsübungen und lernen, unserem Ton zu vertrauen und Grenzen spielerisch zu überwinden. (Text-Ende)

Es geht also im Grunde um Gefühle. Je genauer man die bei sich selbst und anderen identifizieren kann, desto sicherer kann man sie sortieren und gewichten. Ich bin sehr gespannt, was bei unseren Übungen herauskommt. Denn wir arbeiten bereits wieder auf unsere nächste Lesung hin. Die findet am 23.9.2020 statt.

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Mrz 16 2019

Gelingt genial sein an kurzer Leine?

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik

Wieder einmal ist mir zu einem Wort die deutsche Übersetzung nicht eingefallen. Auf google translate kommt „schrecklich“. Ich bin zufrieden und lese weiter in dem Artikel, der von der Phantasie in der amerikanischen Filmindustrie handelt. Dann taucht das gleiche Wort wieder auf. Diesmal passt die Übersetzung „schrecklich“ ganz und gar nicht. „awsome“ hatte ich beim Translater eingetippt und dabei ein „e“ unterschlagen. Awesome = GENIAL und diese Eigenschaft passt besser.

Wie inspirierend, dass „schrecklich“ und „genial“ so eng beieinander liegen! Wenn jemand „schrecklich genial“ ist, bedeutet das so viel wie unfassbar einfallsreich, nicht wahr? Der Einfallsreichtum in Deutschland bleibt hinter dem amerikanischen zurück. Davon handelt der Artikel. Unsere Fernseh-Serien seien dröge, die der Amerikaner spritzig. Das ist nichts Neues. Aber warum ist das so?

Das soll uns hier nicht weiter kümmern. (Interessierte werden hier fündig > https://kurzelinks.de/2yld – 16.3.2019) Denn für mich schließt sich hier das Thema „Leidenschaft“ an, zu dem ich neulich ebenfalls einen sehr aufschlussreichen Artikel gelesen habe. Es ging um die Begeisterung für den Job, den man sich erträumt und evtl. sogar ergattert. Stimmen die Entfaltungsmöglichkeiten und lassen Erfolge die Spannkraft wachsen, dann bläht sich die Tätigkeit oft genug bis zur Selbstausbeutung auf. Ständige Verfügbarkeit steht hoch im Kurs, wird allseits goutiert. Dazu fiel mir dann spontan ein Zitat von Helmut Kohl ein: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“ (1984) Die Frage ist: FÜR WEN? Der Ausgebeutete steht eines Tages blutleer da, während für seine Abnehmer bzw. Weiterverwerter ein erklecklicher Gewinn herausgesprungen sein mag (oder auch nicht).

So viel ist gewiss: das Haushalten mit den eigenen Kräften liegt in der Verantwortung des Einzelnen. Die Verführung durch Lob und Anerkennung hat schon manchen Journalisten dazu verführt, seine berufliche Leidenschaft querzufinanzieren: um die schlecht bezahlte Zeit für Reportagen auszugleichen, sitzt manche/r an der Supermarktkasse, fährt Taxi oder geht in einen Großkonzern Büros & Klos putzen. Auch in anderen Branchen gibt es das Ausweichen auf Parallel-Jobs, die die Balance zwischen Sinnstiftendem und Broterwerb sichern (helfen sollen).

Bisher kommen wir hierzulande so über die Runden – doch ist das ein guter Nährboden für Einfallsreichtum und zündende Zukunftsideen? Wir sind Gott sei Dank ein sicheres Land, aber müssen wir wirklich jede Kleinigkeit absichern und kontrollieren, statt längere Leine zu lassen und größere Freiheiten einzuräumen? Wie oft rauben uns Vorschriften den Nerv, deren Notwendigkeit schwer einzusehen ist. Ob nun im Baugewerbe, bei der Stromversorgung und Müllentsorgung oder in der Steuerbürokratie. Man hat vereinzelt sogar schon Bürokratieabbaugesetze erlassen, von denen jedoch keine flächendeckende Signalwirkung ausging. Auch kuriose EU-Vorschriften wurden schon oft und lauthals angeprangert – mit welchen Konsequenzen?

Ich muss diesem Blog-Beitrag einen offenen Ausgang lassen. Ich habe keine Idee zur Abhilfe dieser Schwerfälligkeit.

Aber es freut mich, dass Schülerinnen und Schüler anfangen zu streiken und dass die schwedische Umweltaktivistin Greta Thunberg so viel Medien-Echo erntet. Jugend stößt Zukunft an, rüttelt uns wach! Das kann nur ansteckend sein …

PS.: Ich selbst habe unzählbar viele Nächte journalistisch durchgearbeitet, bin jobmäßig überwiegend mehrgleisig gefahren, deshalb fühlte ich mich von dem ZEIT-Artikel von Merle Schmalenbach (3.1.2019) inspieriert > https://kurzelinks.de/i3xb

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Jan 29 2019

Verbrechen aus zwei Ansichten

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Literatur

Für mich ist immer interessant, welche Bücher zu Anfang des Jahres meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Diesmal waren es zwei, die einen guten Eindruck hinterließen. Eines ist aus 2018 und eins aus 1984. Beide haben mit Kriminalität zu tun, aber auf sehr unterschiedliche Art.

Wer sich dafür interessiert, wie Menschen im Gefängnis leben, kann sich den „Tatsachenbericht“ von Tilmann Schäfer vornehmen (incl. Glossar 228 Seiten). Er gewann seine Einblicke, als er zwei Jahre lang als Arbeitstherapeut Tag für Tag mit Gefangenen zu tun hatte. Der Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf spendierte ihm zwar ein sensationsheischendes Cover, doch der Autor hat seine 32 Kapitel sehr solide verfasst und widerspricht damit auf angenehme Weise dem „lauten“ Outfit.

„Knastfrauen“ schildert nicht nur die Arbeitstherapie, sondern den ganz normalen Alltag, viele Hintergründe, Zusammenhänge und Entwicklungen. Dabei betont Schäfer immer wieder, dass Verbrechen verwerflich bleiben, auch wenn sie herleitbar sind aufgrund von Umständen, die die Menschen davor geprägt haben. In keinem Abschnitt wird das System „Knast“ kritisiert. Vielmehr bringt der Autor auch die Aufgaben der Bediensteten näher sowie die Regeln, nach denen alles funktionieren muss – Arbeit, Freizeit, Einkauf, Besuch usw. Über niemanden wird der Stab gebrochen. Es handelt sich schlicht und ergreifend um Lebensläufe, die anders sind als bei den meisten Menschen.

Natürlich gilt es, sperrige Gefangene, Quertreiberinnen, Intrigantinnen so zu lenken, dass ihr Einfügen in die Gemeinschaft nach und nach immer besser gelingt. Es gibt aber auch sehr viel Schüchternheit im Knast, mangelndes Selbstbewusstsein – und das nicht selten versteckt hinter einen großen Klappe oder betonter Kratzbürstigkeit. Das Eingesperrtsein gibt den Rahmen vor, indem Sozialisation nachgeholt werden kann und sollte. Auflehnung ist da nur kontraproduktiv. Und die meisten Gefangenen begreifen, dass es hier um mehr geht als nur Strafe.

Tilmann Schäfer schildert das sehr eingängig, so dass man sich seriös informiert fühlt. Man mag darüber streiten, ob die eine oder andere Straffung dem Stoff gut getan hätte. Manches Einfühlen bedarf aber das Umkreisen des zu Schildernden. So geht der Stil Hand in Hand mit einer fundierten Gewissenhaftigkeit, die diesem Report seine anerkennenswerte Qualität verleiht.

Buch Nummer zwei ist ein Krimi, von dem ich schon im letzten Jahrhundert begeistert war. „Nachtanschluss“ von John Lutz ist gute Unterhaltung und lässt Gefühle aus dem Zeitalter von Telefonzellen und sonstigem Gerät der 80er Jahre wieder ein wenig aufflackern. Nudger, der klamme Privatdetektiv, kaut ständig Magentabletten und hat diverse Morde aufzuklären, die möglicherweise zusammenhängen. Er könnte es sich leicht machen, indem er einem Bestechungsversuch nachgibt, was aber für ihn nicht in Frage kommt. Statt dessen stolpert er sogar in eine Liebesgeschichte, bei der in der Schwebe bleibt, ob es sich um Augenwischerei mit Enttäuschungspotential handelt.

Das Tempo der Szenen ist nicht allzu rasant. Man hofft ständig, dass der Detektiv nicht allzu viel einstecken muss (denn er wird teilweise beschattet), nichts Wichtiges übersieht, keiner falschen Fährte erliegt. Selbstverständlich geht es um zweifelhafte Zwischenwelten, unheimliche Konstellationen, Handgreiflichkeiten und Gemeinheiten. Doch Nudger hat einen guten Instinkt und einen Freund bei der Polizei, wo er früher selbst tätig war. Die Auflösung ist mit Raffinesse gewürzt.

Vergessen hatte ich, dass früher gelegentlich auch in gedruckter Unterhaltung Werbung die Lektüre unterbrach. Als die Spannung auf höchstem Niveau ist, kommt eine halbleere Seite, überschrieben mit „zwischendurch“. Ein freundliche/r Verfasser*in meint sehr fürsorglich im unten angesetzten Text, dass es erholsam sein könnte, „eine Mahlzeit für den kleinen Appetit zwischendurch zuzubereiten“. Auf der Rückseite wird die 5-Minuten-Terrine angepriesen. Funny!

Tilmann Schäfer. Knastfrauen: Der Tatsachenbericht eines Insiders – ein Arbeitstherapeut erzählt, wie es im Gefängnis wirklich ist. TB, 228 Seiten, Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2018, 9,99 €, ISBN 978-3862657025 // John Lutz. Nachtanschluss. Heyne, Blauer Krimis Nr. 02/2269 (Dtl. 1989), nur noch in Antiquariaten erhältlich.

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Dez 25 2018

Wissen, was in den Köpfen vorgeht

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik

Die Grundstimmung ist nicht einheitlich. JedeR von uns begegnet Menschen, die ganz unterschiedlichen Prägungen und Einflüssen unterliegen. Einer jener Vordenker, deren Impulse ich sehr schätze, möchte seine Gedanken verbreitet wissen, auf die er in seinem Weihnachts-Newsletter hinweist: Gerald Hüther fasst unter der Überschrift >> Die frohe Botschaft ist doch längst verkündet. Warum nur harret sie ihrer Wahrhaftigwerdung so furchtbar lang? << zusammen, was ihm am Herzen liegt. Nachzulesen hier: https://www.gerald-huether.de/free/Weihnachtsbotschaft_2018.pdf

Auf der anderen Seite gibt es BILD. Das Blatt füttert uns nach wie vor mit fragwürdigen “Wahrheiten” und legt irrige Schlüsse nahe. Seine Verkaufszahlen gehen zwar zurück, und Rügen vom Deutschen Presserat gab es auch wieder. Doch sollte sich niemand täuschen: diese “Botschaften” finden sehr leicht Einlass in Gehirne, die das gesamte Wirrwarr unserer Republik satt haben und nach Vereinfachung streben.

BILD-Denkschemata durchleuchtet der BILD-Blog, dessen Beobachtungen man abonnieren kann. Über das Jahr 2018 haben die BloggerInnen einiges herausgefunden, das man einfach wissen sollte für den Fall, dass man Leuten diskutiert, die BILD regelmäßig konsumieren: https://bildblog.de/105347/muslimische-woelfe-sofort-abschieben-das-jahr-in-bild/

Dass ich auch auf Facebook (fb) vertreten bin, habe ich an dieser Stelle schon einmal erwähnt. Am Jahresende finde ich es lohnend, nachzusehen, was ich des Postens für wert befunden habe. (fb kann man auch als eine Art “Archiv” nutzen.) In meinem Tätigkeitsbereich wichtig ist das Projekt “Frauen zählen”, für das u. a. die Schriftstellerin Nina George in einer Vielzahl von Medien warb – beispielsweise in NDR > https://www.ndr.de/kultur/Nina-George-ueber-Projekt-Frauen-zaehlen,journal1556.html?fbclid=IwAR1SZZVAleVmSfw32iIo02ikU0THGH3nKdoVbVKBTU_ADL5HsBVpiuqytl8

Es geht um die Sichtbarkeit von Frauen im Literaturbetrieb, die mein Kurs “kreativ schreiben” in Schorndorf bei seiner Lesung am 17.10.2018 “Mit Texten zum Olymp – Nobelpreise an Frauen” ebenfalls zum Thema machte. Unterstützt wird das Projekt von der Universität Rostock, wo man sich leicht einen Überblick über die Leitfragen und Ergebnisse verschaffen kann > http://www.xn--frauenzhlen-r8a.de/ (Einen Auszug aus meiner Begrüßungsrede dokumentiere ich unten.)

Kurse 2019 sind hier online > http://journalismus-und-mehr.com/lesehimmel.php

Auf fb bin hier hier anzutreffen > https://www.facebook.com/renate.schauer.94

Bleiben Sie weiterhin in Auseinandersetzung

mit den widerstreitenden Elementen der Gesellschaft!

Das wünsche ich mir / Ihnen / Euch für 2019!

 

Auszug aus der Begrüßungsrede > Lesung am 17.10.2018

Mit Texten zum Olymp – Nobelpreise an Frauen   

Wie sichtbar sind schreibende Frauen in unserer Gesellschaft? Welche Rolle spielten und spielen Literaturnobelpreisträgerinnen?

Mir fiel Doris Lessing ein. Lag nicht in den 80ern ihr „Goldenes Notizbuch“ auf meinem Nachttisch? Hatte sie nicht den Nobelpreis erhalten? Ebenso Pearl S. Buck, deren Roman „Die gute Erde“ mich in meiner Jugend begeisterte?

Ich holte mir das „Goldene Notizbuch“ aus der Bücherei und konnte nichts mehr damit anfangen. Die Euphorie von damals wollte sich nicht wieder einstellen. 37 Jahre waren vergangen. Und in der Summe ganze 56 Jahre, seit das Original auf den Markt kam.

Die Zeiten ändern sich und wir uns mit ihnen. Das ist Merksatz Nr. 1!

Doch vor ca. drei Jahren packte mich Lessings Roman „Das fünfte Kind“, der gleichwohl 30 Jahre auf dem Buckel hat. Ein auswegloses Familiendrama, das mich nicht aus den Klauen ließ. Obwohl hier ein unglaubliches Monster die Nerven strapaziert, fand ich diesen Stoff weniger düster als „Die Atemschaukel“ von Herta Müller. Ich quälte mich durch dieses Buch und hatte hinterher das Gefühl, etwas Wichtiges gelesen zu haben – mehr nicht.

Um beim Tragischen zu bleiben: Die dokumentarische Prosa von Swetlana Alexijewitsch überzeugt durch eine hohe Präsenz, die mich sofort für diese literarische Form einnahm. Erreicht wird das mit einer Vielfalt von Perspektiven und Facetten, was zum Beispiel in „Gespräche mit Lebenden und Toten“ zum Ausdruck kommt. Dieses Hörspiel handelt von dem Reaktorunglück 1986 in Tschernobyl. Die weißrussische Preisträgerin ist auch Journalistin.

Vielleicht erklärt das meine Nähe zu ihr. Sie transferiert Katastrophen und gesellschaftliche Umwälzungen auf eindringliche Art und Weise. Keine leichte Kost!

Als Merksatz Nr. 2 formiert sich: Wertvolle Literatur muss nicht immer gefallen.

Merksatz Nr. 3 lautet: Es gibt wenig Literatur, die ihre Faszinationskraft über viele Epochen hinweg behält. Und diese Literatur muss nicht immer preisgekrönt sein.

Denn viele andere Schriftsteller*innen hätten den Literaturnobelpreis ebenfalls verdient gehabt. Man denke nur Leo Tolstoi – „Krieg und Frieden“ – oder an Simone de Beauvoir usw.

Es gibt Preise, zu denen wird man vorschlagen. Und Preise, um die man sich bewerben muss. Weitreichende Recherchen ergaben, dass Frauen bei all diesen Preisen bisher zu kurz kamen. Auch beim Literaturnobelpreis, für den die Jury Vorschläge aus aller Welt einholt. Eine schwierige und langwierige Prozedur, die man im Internet nachlesen kann.

1901 wurde der Preis erstmals vergeben. Seither erhielten ihn 99 Männer und nur 14 Frauen. Trotzdem: Wie sich die Zeiten ändern, lässt sich an den Jahreszahlen ablesen: seit 1991 – also in den letzten 27 Jahren – haben acht Frauen diese noble Auszeichnung erhalten, im Zeitraum zuvor, der mehr als dreimal so lang war (nämlich 89 Jahre), erhielten ihn nur sechs.

Die 14 Literaturnobelpreisträgerinnen nun ein wenig ins Rampenlicht zu holen, ist unser Plan für diesen Abend. (…) Der Nobelpreis an sich soll ja „denen zugeteilt werden, die im verflossenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben“. So wollte es Alfred Nobel. Der Literaturnobelpreis ist mit etwa 775.000 € dotiert.

Vom verflossenen Jahr ist hier die Rede. Doch jeder Preis wirkt länger.

Er ermöglicht das Weiterschreiben unter besseren Bedingungen.

Viele Bücher hätten ohne Stipendien oder sonstige finanzielle Zuwendungen nicht entstehen können. Doch um eine Auszeichnung zu erhalten, muss man nicht nur gut, sondern auch präsent bzw. bekannt sein.

Es ist also entscheidend, wie viele Bücher von Autorinnen veröffentlicht und entsprechend beworben und rezensiert werden. Sind die Entscheidungsebenen in Verlagen und Feuilletons noch immer männerdominiert? Ein Kritiker soll mal öffentlich geäußert haben: „Ein Frauenbuch ist ein Buch, das ich als Mann nicht verstehe.“ Wird Literatur von Frauen als „Gedöns“ von vorn herein in die zweite Reihe gestellt? Verlagsvertreter schwärmen aus, um Buchhändler zu überzeugen, welche Werke sie sich auf Lager legen sollen. Es gibt eine große Anzahl an Beteiligten, die an den Schrauben im Literaturbetrieb drehen!

„Frauen zählen“ heißt die Pilotstudie, die die “Sichtbarkeit von Frauen im Literaturbetrieb“ untersucht. Erste Ergebnisse wurden letzte Woche auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt.

2036 Buchbesprechungen in 69 deutschen Medien wurden im März 2018 ausgewertet.

Von Männern verfasste Bücher werden häufiger rezensiert als jene von Frauen. Das Verhältnis ist 2 zu 1. Fest steht: Männer schreiben am liebsten über Männer!

Nun zurück zum Literaturnobelpreis. Selbstverständlich gibt es immer wieder Kritik an den Entscheidungen. Manche Vergaben heben besonders anspruchsvolle Texte bzw. Werke oder Lebenswerke hervor, andere scheinen politisch konnotiert zu sein.

Wir meinen, es kommt auf den Zeitgeist an und darauf, wie die Jury zusammengesetzt ist. Wenn wir die 580 Literaturpreise in Deutschland nehmen, sind die Jurys nur zu 23 Prozent mit Frauen besetzt, sagt PEN-Zentrums-Mitglied Nina George.

Es beginnt also schon weit unter dem Level des Nobelpreises, dass die Präsenz von Frauen und damit die Aufmerksamkeit für Frauen zu wünschen übrig lässt.

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Mai 03 2018

Einen Pudding an die Wand nageln und Wahlfreiheit zwischen Qualitätssegmenten

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik

Von einem Extrem ins andere – kennen Sie das? Kaum hatte ich über die missliebigen grünen Socken geschrieben, konnte ich sie entsorgen. Und eine ganze Reihe weiterer dazu. Festhalten und loslassen – dies charakterisiert viele Prozesse im Leben. So auch das Schreiben. Juli Zeh definiert das auch in „Treideln“. Diesen wirklich mitreißenden Briefroman erwähnte ich bereits im Posting am 15. März. Unter dem Titel TREIDELN sprach die Schriftstellerin im Sommersemester 2013 an der Frankfurter Goethe-Universität als Gastdozentin über Bedingungen und Grundlagen ihrer literarischen Arbeit – und versuchte dabei, eine »Anti-Poetologie« zu entwerfen.

Gekonnt lotet sie sowohl Alltägliches als auch Extreme aus – und liefert damit nicht zuletzt eine scharfe Satire auf den Literaturbetrieb. Das Thema „Qualität“ kocht auch dort häufig hoch – doch auf welche Definition mag man sich dafür einigen? Was passt in welches der gängigen Bezugssysteme,  welchen Wandlungen sollte dieses unterzogen werden, um sie dem Zeitgeist anzupassen? „Treideln“ lehrt, neu nachzudenken über die Welt der Schriftstellerei und Veröffentlichungen und allem, was damit zusammenhängt. Mich erinnert dieser Anstoß im positiven Sinne an die Metapher „einen Pudding an die Wand nageln“, die gerne für Qualitätssicherung im Journalismus gebraucht wird. Obwohl das Sujet schwer zu fassen ist, muss man sich immer wieder neu nähern, es beleuchten und neuen Horizonten eine Chance geben.

Apropos Horizonte. Ich habe meiner Sparsamkeit ein Schnippchen geschlagen und neue Socken in der Schweiz gekauft. Das schlagende Argument war: Qualität. Und sofort drängt sich die Frage auf, warum ich im benachbarten Alpenstaat grundsätzlich mehr Qualität voraussetze als in Deutschland. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass die Schweizer nicht nur einzigartig leckere Schokolade zu kreieren verstehen, sondern auch der abgepackte Salat dort wesentlich frischer ist und besser schmeckt als unsere Grün-Mischungen in der Tüte. Auf diese beiden Beispiele will ich mich beschränken, obwohl ich noch mehr anführen könnte.

Mit dem höheren Verdienst und den höheren Preisen kann das nichts zu tun haben. Denn auch in Deutschland gibt es Besserverdienende, die vor dem gleichen Salat- und Schokolade-Regal im Supermarkt stehen wie ich und keine Wahl haben, jene stolze Qualität wie in der Schweiz zu erwerben. (Vielleicht im Exquisit-Geschäft, aber das zeugt nur davon, dass die Allgemeinheit nicht so bedient wird wie die Basis-Kundschaft in der Schweiz.)

Die Wahl haben“ – das scheint mir ein sehr wichtiges Qualitätsmerkmal. Ich meine jetzt nicht zwischen 25 und 50 Müsli-Sorten (90 % mit ähnlich fragwürdig hohem Zuckeranteil), sondern zwischen echten Qualitätssegmenten. Ich brauche nicht zehn Zeitungen nach dem gleichen Muster, sondern bevorzuge es, mich zwischen fünf (sehr) unterschiedlichen entscheiden zu können. Oder nehmen wir das Gesundheitswesen. Aktuell ärgern sich viele Menschen darüber, dass sie nicht von dem 4-fach-Impfstoff gegen Grippe erfuhren, der bei uns  normalerweise Privatpatienten vorbehalten ist. Es ist nicht zu quantifizieren, wie viele Kassenpatienten gerne etwas zugezahlt hätten, um sich die schlimme Grippe zu ersparen. Aber wer nicht weiß, dass ihm etwas vorenthalten wird, kann danach auch nicht fragen.

Stellen Sie sich vor, Sie gehören zu den Bescheidwissern über die Unterschiede, die Sie gegenüber der Kundschaft verschweigen, schönreden oder gar abstreiten (müssen) – wie kämen Sie mit ihrem Gewissen zurecht? Was sagt Ihr Qualitätsbewusstsein und Ihre Menschenfreundlichkeit dazu? Sie müssen doch vorausschauend wissen, dass Sie eines Tages auffliegen – wie zum Beispiel die Verantwortlichen von VW, die jetzt wegen des Abgasschwindels angeklagt werden – und gefragt werden, warum Sie ihr Herrschaftswissen nicht für die Verbraucher, sondern lediglich zugunsten einer schmalen Elite eingesetzt haben.

Tja, das ist dann ebenfalls wie einen Pudding an die Wand nageln, wenn man hier auf Antworten besteht. Denn im Ausweichen müssen diese Menschen mit dem verheimlichten Wissensvorsprung ja geeicht sein, immer bemüht, ihre Haut zu retten. Es widerspricht der Achtung vor der Menschenwürde, ihnen gegenüber Nachsicht walten zu lassen. Was sie uns zugemutet, ja angetan haben, hat Spuren gezeitigt. Loslassen sollten wir in diesem Fall die Bescheidenheit und die Trägheit, mit der wir schon eh viel zu lange vieles hinnehmen, das einer Änderung bedarf. Nur darüber klagen, dass niemand mehr protestierend auf die Straße geht, hilft nicht. GEHEN!

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Mrz 15 2018

2 Bücher, 1 Ausstellung und Neugier auf Jennifer

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Kultur,Literatur

Spannend fand ich die Frage, welches Buch ich mir 2018 als erstes bestellen würde. Nun ist es entschieden: Treideln von Juli Zeh – also Theorie. Ich kam durch eine Empfehlung der Kollegin Isa Schikorsky via Twitter drauf: https://stilistico.wordpress.com/2018/03/14/juli-zeh-treideln/ und bin jetzt sehr gespannt, was mich erwartet. Laut Isa Schikorsky soll es das “witzigste Buch über das Schreiben und das Leben” sein und handelt von Eitelkeiten und Dogmen im Literaturbetrieb.

Ja, Bücher sind eine Empfehlungssache! Als erstes möchte ich ein Nachschlagewerk empfehlen, das ich sehr gerne zur Hand nehme und dessen „Mehrwert“ eigentlich unbezahlbar ist: DAS WÖRTERBUCH DES KREATIVEN SCHREIBENS ist wirklich sehr gut gelungen! Es besteht aus zwei  Bänden und ist 2017 im Schibri Verlag, Strasburg/Uckermark, erschienen. Es erklärt Begriffe & Textsorten, tischt Schreibtheorien in verständlicher Form auf, vermittelt durch Schreibspiele vielfältige Anregungen und widmet sich auch Schreibtherapien und der Schreibpädagogik. 25 Autorinnen von Rang und Namen haben daran mitgewirkt. Ein themenorientiertes Stichwortverzeichnis macht es „arbeitsfreundlich”. Wir verdanken es Lutz von Werder & Friends.

Nun der Schwenk zur Praxis >> 2018 wird es unter anderem darum gehen, den Roman „Jennifer“ in der Gruppe „kreativ schreiben“ an der Schorndorfer VHS fertigzustellen. Es ist ein Übungsroman, bei dem es allen Beteiligten sehr viel Spaß macht, das Schicksal unserer Jennifer immer wieder mit neuen Facetten zu versehen bzw. es zu würzen und zu wenden: Eine junge Frau, die eigentlich im Luxus lebt, aber mit ihren Lebensumständen kreuzunglücklich ist. Dabei geht es turbulent zu. Einige technische Recherchen müssen wir noch anstellen – zum Beispiel wie man auf hoher See mit den Angehörigen zu Hause in Verbindung tritt. Damit will ich andeuten, dass auch „Herz & Schmerz“ nicht so ohne weiteres zu arrangieren ist, dass auch Unterhaltungsstoff häufig die Aneignung von einigem Fachwissen erfordert, um glaubwürdig zu sein.

„Jennifer“ passt nicht zuletzt im Hinblick auf das Herbstsemester gut ins Bild, in dem „Frauen“ von selbiger VHS zum Schwerpunktthema erhoben werden. Bei dieser Gelegenheit geht mein Blick zurück ins Jahr 1988. Damals wohnte ich in Schwäbisch Gmünd und gehörte dem Frauenforum an. Wir wollten die Kommunalverwaltung davon überzeugen, wie notwendig eine Frauenbeauftragte für uns ist. Dazu veranstalteten wir – alle Frauengruppen der Stadt – Frauen-Projektwochen. Natürlich ehrenamtlich. Als Dokumentation konnten wir zwei Broschüren vorlegen.

In anderen Städten hatten sich Frauenbeauftragte längst etabliert. Doch Baden-Württemberg war diesbezüglich alles andere als federführend. Und es gab auch Kritik ob der Funktion der Amtsinhaberinnen.  Waren sie mehr Feigenblatt als politische Akteurin? Hatten sie vornehmlich die Gleichberechtigung der städtischen Bediensteten ins Visier zu nehmen? In wie weit sollten und durften sie die Frauengruppen vor Ort unterstützen, Interessen bündeln und Initiativen mit vorantreiben?

Gehen wir nochmal 20 Jahre zurück. Dann landen wir bei den sogenannten 68ern. Dieses Schlagwort hat inzwischen viele Klänge. Man kann 1968, dieses Schicksalsjahr, in dem Rudi Dutschke niedergeschossen wurde, nicht isolieren. Die 60er Jahre bedeuteten insgesamt „Aufbruch“. Beleuchtet wird das derzeit speziell in Bezug auf Baden-Württemberg im Haus der Geschichte in Stuttgart. „… DENN DIE ZEITEN ÄNDERN SICH“ heißt die Ausstellung, die noch bis zum 24.6.2018 ihre Pforten geöffnet hat. Auf die BesucherInnen warten wirklich markante Erinnerungsstücke, die  gleichermaßen witzig sind wie nachdenklich stimmen. „Geschlechterverhältnisse“ und „Die Rolle der Frau“ waren der Ausstellungsleiterin Paula Lutum-Lenger jeweils ein eigenes Kapitel im Katalog wert. Prädikat: Sehr empfehlenswert!

Aus dem Rückblick, aus der Geschichte kann man sich immer Anregungen für das eigene Schreiben holen. Wodurch bin ich geprägt, was wäre anders gekommen, wenn …? Das Jahr 2018 ist noch jung, es kann noch vieles hochkochen – zumal die Jubiläen noch zu feiern anstehen!

Hier zunächst der Link zu einer >> Diskussion „Mythos 1968 – Was bleibt?“ im Haus der Geschichte Baden-Württemberg https://www.youtube.com/watch?v=TFg2END7pE0

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