Archiv für das Tag 'Kisch'

Mrz 16 2012

Journalistische Blüten – schmunzeln erlaubt

Autor: . Abgelegt unter Alltag,Kultur

Blüten im Journalismus ergeben sich oft aus Zeitdruck, der immer auch ein finanzieller Druck ist, denn der eigene Verlag/Sender muss mit seiner Berichterstattung der Konkurrenz zuvorkommen, ihr die Kundschaft abjagen. So ist es nicht verwunderlich, wenn gewissenhafte Recherche zu kurz kommt oder um der „unschlagbaren Story“ willen bewusst vernachlässigt wird. In Ordnung ist das nicht, denn es bringt die Branche ins Zwielicht. Doch das Sprichwort „Die Sonne bringt alles an den Tag“ siegt in der Regel früher oder später. Jüngst bei einem Rauchalarm, der als Feuerdrama inszeniert wurde, vergnüglich nachzulesen hier > http://bit.ly/AycsnN

Das erinnerte mich an das „Debüt am Mühlenfeuer“ von Egon Erwin Kisch (1895 – 1948), bekannt geworden als „rasender Reporter“. Er gilt als Erfinder der literarischen Reportage, an der Lektüre seines Werks kommt praktisch kein lernwilliger Journalist vorbei. Sein Bericht über das Mühlenfeuer hätte alle gelangweilt, weil die Fakten nur das Übliche hergaben, hätte er nicht einige Gestalten in dem Text auftreten lassen, die das Ereignis erst interessant machten. Dafür bekam er Lob, doch wie er in seinem „Marktplatz der Sensationen“ (als Lektüre sehr zu empfehlen!) schreibt, spornte ihn dieses Erlebnis an, später der Wahrheit umso intensiver nachzuspüren. Dank Kisch’ Geständnis über das Fantasieprodukt in der Brandnacht weiß man, dass es keine schlechten JournalistInnen sein müssen, die (gelegentlich) in Konflikt mit ihrer Doppelbegabung – berichtender Journalist / poetischer Schriftsteller – geraten. Die notorischen SensationsheischerInnen sind damit allerdings nicht gemeint! Mehr zu Kisch im Schattenblick > http://bit.ly/yb5g76
Die Bewunderung für Kisch’ Lebenswerk hat allerdings den Stachel in meiner Brust nicht ausmerzen können. Immerzu fragte ich mich bei allem, was ich aus seiner Feder las, ob es bis ins kleinste schlüssig ist und wo er geflunkert haben könnte. Vielleicht ist aber das sein größtes Vermächtnis: immer mit einem Schuss Mißtrauen zu lesen, was einem vorgesetzt wird!

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