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Nov 24 2010

Achtung Öffentlichkeit: Für welche Adressaten gebe ich Auskunft?

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Stellen Sie sich vor, sie sitzen einer Redakteurin der Zeitschrift „Brigitte“ gegenüber, die Sie nach Ihrer Befindlichkeit, Ihren Einschätzungen und Zielen fragt. Bei all Ihren Antworten haben Sie begreiflicherweise die Zielgruppe dieser Zeitschrift im Hinterkopf. Sie verraten Sie etwas mehr von ihrer weiblichen Seite, jenen Befürchtungen und Ängsten, die viele in dieser Zielgruppe sehr gut kennen. So schafft man Identifikation.

Würden Sie anders antworten, Anderes preisgeben, wenn Sie von einem Redakteur des „Spiegel“ interviewt würden? Dessen Zielgruppe unterscheidet sich in mehreren Facetten von den Brigitte-Leserinnen. Oder antworten wir unbesehen der Adressaten, die wir erreichen, informieren, unterhalten wollen?

Letztes ist unwahrscheinlich. Auch PolitikerInnen behalten das normalerweise im Auge. Erstens ist es gängige Praxis, in allen möglichen Medien zitiert zu werden. Zweitens kann es vorkommen, dass solche Interviews von völlig anderen Zeitungen aufgegriffen werden. Beides evtl. in einem anderen Kontext.

So thematisierte die Stuttgarter Zeitung (StZ) am 19.11.2010 unter der Überschrift „Die eigene Schwäche als Schutzmantel“, dass die Momente „rar“ sind, „in denen Politiker ihre verletzbare Seite zeigen“ und stützt sich dabei auf das Beispiel von Andrea Nahles: http://bit.ly/eB0Ko5 Die Autorin des Artikels scheint darüber zu staunen, dass die Politikerin (40, hochschwanger) „irritierend persönlich“ von problematischen Blutwerten und anderen Details erzählt. Sie analysiert, warum Andrea Nahles so offenherzig von ihren Ängsten – auch beruflicher Natur – spricht. So weit, so professionell.

Für meine Beratung/Seminare in Sachen „Öffentlichkeitsarbeit“ ist das ein anschauliches Beispiel dafür, dass man zwar zielgruppenspezifisch denken soll, aber immer auch darüber hinaus orientiert bleiben muss. Grundsatz: Es sitzen meistens mehr Leute am Tisch, als man sich vorstellt. Dies meint bildhaft, die Zitierfähigkeit muss stets aus mehreren Blickwinkeln abgeklopft werden. Wer könnte was analysieren, interpretieren, missverstehen?

Ein anderes Beispiel: Ich selbst wurde unlängst davon überrascht, dass meine Erfahrungen als Kind einer Vertriebenen plötzlich weltweit abrufbar waren und sind: http://bit.ly/e1JIv0 Im Haus der Geschichte in Stuttgart war die Integration der Heimatvertriebenen nach 1945 wochenlang ein Ausstellungsthema, worüber Susanne Nielsen im German Radio in Tampa, Florida, berichtete. Mich befragte sie dazu sozusagen als „lebendes Beispiel“. Für ihr Publikum – überwiegend ältere Deutschstämmige – erzählte ich von den wehmütigen Heimatliedern, die in meiner Kindheit eine Rolle spielten. Ausgewanderte oder deren Kinder würden sich in diesen Kontext gut hineindenken können. Ich brauchte einige Zeit, um zu „verdauen“, dass der „Mitwisserkreis“ sich nun ausweiten würde …

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