Archiv für das Tag 'Selbstmord'

Mrz 30 2015

Flugzeug zerschellt – Seele als Mysterium

Autor: . Abgelegt unter Alltag

Da steuert einer ein Flugzeug gegen eine Felswand und nimmt zig Menschen mit in den Tod. Als erstes fragt man, ob es einen terroristischen Hintergrund gibt. Dann taucht man in die Vergangenheit des Mannes. Und siehe da, man findet psychische Auffälligkeiten bis hin zu Suizid-Absichten. Und wieder stehen wir vor einem Rätsel, weil in unserer perfektionistischen Welt die Seele ein Mysterium ist, die zwar DichterInnen besingen, die aber nicht krank sein darf.

Bei aller Erschütterung über die Flugzeugopfer hoffe ich, dass nicht hängen bleibt: psychisch labil, also gefährlich für die Allgemeinheit! Wie in diesem Blog immer wieder geschrieben, muss man psychisches Leiden immer noch verstecken. Trotz des großen Schreckens angesichts prominenter Selbsttötungen (wie z. B. der von Robert Enke 2009). Was tabuisiert wird, verunsichert, macht Angst. Den Depressiven wäre auch ein Beinbruch lieber. Sie würden mit weniger Misstrauen kämpfen müssen.
Machen wir also Schluss mit dem Unterschied zwischen körperlichem und psychischem Leiden. Vielleicht verhindert auch das Katastrophen.

Zu dem erschütternden Flugzeugunglück haben sich viele Menschen Gedanken gemacht. Darunter die Expertin für Hochsensibilität, Mona Suzann Pfeil. Hier der Link zu ihrem Blickwinkel:
http://monasuzann.blogspot.de/2015/03/mehr-offenheit-im-arbeitsleben-meine.html

Zum Umgang der Presse mit Katastrophen fand ich dieses Bekenntnis, das die Schwächen der Zunft sehr eindringlich darstellt: http://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/209/ich-bin-die-ratte-2810.html

N A C H T R A G :    Die “Stellungnahme zum Absturz von Flug 4U9525” der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) ließ nicht lange auf sich warten. Am 2. April warnte sie unter anderem: >>Die stigmatisierende Wirkung der Meinungsbildung über die möglichen Gefährdungen durch Menschen mit psychischen Erkrankungen wird in den letzten Tagen durch Stimmen aus der Politik noch verschärft. Führende Politiker fordern, die ärztliche Schweigepflicht für den Fall zu lockern, dass Patienten mit psychischen Erkrankungen in verantwortungsvollen Positionen sind.<< Die vollständige Erklärung ist hier zu finden:  >hier klicken<

Wichtig: Die Entwicklung dieses Themenfeldes weiter beobachten!

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Nov 12 2009

Depression so schwer wie Krebserkrankung

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik

2001 sorgte ein Buch für Furore: Mit “Saturns Schatten. Die dunklen Welten der Depression” (S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main) belegte Andrew Solomon Wesen und Untiefen von Depressionen. Nach eigenen Nervenzusammenbrüchen und Selbstmordversuchen sei er – so oft zu lesen in lobenden Rezensionen – ein „Reisender in Sachen Depressionen“ geworden, interviewte Betroffene (sogar in Grönland und Afrika), lieferte vielfältige kulturspezifische und sozialpsychologische Analysen und diskutierte die therapeutische Praxis. Bei ihm erfuhr ich erstmals, dass eine Depression in der Belastung und Konsequenz der Schwere einer Krebserkrankung in nichts nachstehe.

Zu dem Zeitpunkt hatte die Krankheit in Europa bereits einen prominenten Vertreter: Von Claus von Amsberg, Prinzgemahl von Königin Beatrix der Niederlande, war bekannt, dass er unter Depressionen litt. Und das, obwohl er zum beliebtesten Mitglied der Königsfamilie avanciert war.

Damals schöpfte ich Hoffnung, dass sich Vorurteile gegenüber depressiven Menschen (von „gaga“ bis „unberechenbar/gefährlich“ usw.) langsam aufzulösen begännen. Wie oft hatte ich Menschen von schlimmen Mobbing-Prozessen berichten hören, die nicht aufgegeben hatten, sondern alle Kräfte mobilisierten, um die Stirn zu bieten und ihren seelischen Qualen nicht die Oberhand zu lassen, die tiefen „Durchhänger“ in der hintersten Schublade verschließend.

Immer noch war tabu, sich von „Seelenklempnern“ Hilfe zu holen. Wer es dennoch tat, schlug den Kragen hoch, um beim Betreten des Hauses mit dem entsprechenden Praxisschild nicht erkannt zu werden. „Ich gehe zur Krankengymnastik und Rückenmassage“ ist salonfähig, aber nicht: „Heute muss ich pünktlich Feierabend machen, weil ich eine Sitzung bei meinem Psychotherapeuten/Psychiater habe.“ Wer nach längerem Klinik-Aufenthalt ohne physische Diagnose einen beruflichen Neustart anstrebt(e), musste und muss eine gute Legende erfinden, um „unverdächtig“ im Kreis der Bewerber aufgenommen zu werden.

Bücher über Depressionen sind genug geschrieben worden. Von Fachleuten wie von Betroffenen. Sogar Sportler haben sich schon geoutet – wie Fußballer Sebastian Deisler (Biografische Aufarbeitung „Zurück ins Leben“). Dennoch: Die Reaktionen nach dem tragischen Tod von Torwart Robert Enke verraten, dass offenbar alle zu täuschen gewesen sind.

Daraus ergeben sich mehrere Fragen: Ist so eine “Täuschung” etwa höchst willkommen, um nicht mit der eigenen Hilflosigkeit gegenüber einem an Depression erkrankten Menschen oder psychischer Verletzlichkeit schlechthin konfrontiert zu sein? Wie stumpf sind die Antennen für Labilität, Niedergeschlagenheit, Aufgesetztem? Wie unerbittlich muss man in unserem Land mithalten können, Normen (über-)erfüllen, dem Bild des Starken und Unerschütterlichen entsprechen?

Jetzt dürfen selbst die markantesten Typen weinen – sogar auf Pressekonferenzen vor laufenden Kameras.

Doppelte, ja sogar dreifache Sensibilität muss der Kranke aufbringen: einerseits muss er mit seiner Depression so balancieren, dass sie ihn nicht in eine Katastrophe führt, andererseits muss er umgehen lernen mit dem Diktat der Leistungsnorm („keine Schwäche zeigen, nicht auffallen“) und obendrein vermeiden, dass seine Traurigkeit die Abschottungen der Nahestehenden durchdringt, um ihre Ängste vorm Aus-dem-Tritt-kommen nicht zu wecken. Eine schwere und fatale Anstrengung! Warum wird das Schwere nicht den vermeintlich Gesunden aufgebürdet? Warum muss der Schwache mehr leisten als sie?

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