Apr 11 2010
Das Spiel der Unverfrorenen
Tue Böses und verdiene daran! Das funktioniert und ist momentan angesagt. Sich darüber zu empören ist uncool. „Alles klar“ ist der Schlachtruf und: „Immer schön locker bleiben!“
Man kann sich beispielsweise anmaßen, mit gefälschten Papieren als angeblicher Arzt Patienten zu behandeln und wird anschließend in Talkshows eingeladen. Wo niemand zu Schaden kam, liegt der Schluss nahe, um das Medizinstudium wird viel zu viel Trara gemacht. Arzt-Sein ist gar nicht so schwer. Wissenslücken lassen sich kaschieren, weil die Kollegen in der Klinik eh immer mit im Boot sind. Und wer weiß, wer alles eine Zulassung als Landarzt bekommt, wenn die dünne medizinische Versorgung in ländlichen Gegenden noch besorgniserregender wird?
Man kann aber auch nach einer aktiven Gewaltphase abwarten, bis alle Straftaten verjährt sind, und dann ein Buch über sein Doppelleben schreiben, was ebenfalls die Türen von Talkshows öffnet. Gut verkauft sich die Kombination „Polizist/Hooligan“. Ich kann mir aber auch Priester/Porno-Fotograf vorstellen.
Man kann auch als Führungskraft ungeniert Gier und Unzulänglichkeiten ausleben – die Konsequenzen tragen andere. Die Welt ist vergesslich, der Bonus bleibt gewiss, arbeitslos werden immer nur die schwächsten Glieder in der Kette.
Speziell als Frau muss ich natürlich eine Nische in diesem Spiel der Unverfrorenen finden. Während ich noch emsig nach ihr suche, erfahre ich von einer Nachbarin, dass sie unverhohlen klaut. Sie brüstet sich damit, eine gekaufte CD zu kopieren und anschließend bei Ebay wieder zu verhökern.
Von überall her kommen also Anregungen, wie man sich illegal Vorteile verschafft und damit hoffähig wird. Medien sollen das eigentlich anprangern, darüber zur Abschreckung berichten. Schön ist auch, wenn es den Tätern leid tut, was sie verbrochen haben. Da schöpft man Hoffnung, denn es ist eine Entwicklung ablesbar.
Aber nein, Reue ist auch nicht mehr garantiert! Der Polizist/Hooligan empfindet jedenfalls keine, denn er ist ja in sein Doppelleben „hineingeschlittert“, was er in einem Buch der breiten Öffentlichkeit offeriert. Er macht von sich nicht zuletzt deshalb reden, weil er einen guten Dreh fand, sich aus seiner Vergangenheit herauszuwinden. Nahezu schmerzfrei herauszuwinden – wie wir glauben sollen.
So hasten wir von Erschrecken zu Erstaunen, alles wird niedlich und bedarf kaum einer Sühne. Soll hier die gerne zitierte Sensationslust bedient werden? Man kann zusehen, wie sie sich abnutzt. Der andere Effekt: Diese Kavaliersdelikte, die in Wirklichkeit keine sind, verwischen das Unrechtsbewusstsein schlechthin. Nur deshalb muss man sie beachten, diese laue Berichterstattung von Machenschaften, die entschieden bestraft gehören! Und über Gegenstrategien nachdenken.