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Dez 14 2012

215,76 € pro Haushalt für ARD/ZDF bei billig produziertem Koch- & Talk-Überhang

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Alltag,Kultur

Rundfunkgebühren heißen ab 1.1.2013 Haushaltsabgabe. Ich gebe zu, ich bin bei dem Thema nicht ganz unbefangen, da ich zur 2. Auflage „ARD / ZDF und UNSER Geld“ das Vorwort schrieb. Das Thema liegt mir am Herzen, weil die Unzufriedenheit mit unserem Rundfunksystem wächst. Es zählt zwar insgesamt zu den besseren auf dieser Welt, hat aber eben auch seine Schattenseiten, die offenbar niemand so recht aufs Korn nehmen und schon gar nicht antasten will. Deshalb finde ich gut, dass Wolfgang Schwab hinterfragt, ob die „Zwangsabgabe“ gerecht ist.

Der Autor ist ehemaliger Rundfunkgebührenbeauftragter und hat einen unbestechlichen Gerechtigkeitssinn. Seit ich ihm 1997 erstmals begegnete, hat mich das Thema nicht mehr losgelassen, unter anderem weil

– sich Jüngere sehr gerne den privaten TV-Sendern zuwenden und sich damit als Zielgruppe (für Werbung und journalistisch-solide Nachrichten) verdünnisieren

– die Staatsferne der öffentlich-rechtlichen Sender gewissenhafter Überwachung bedarf, damit das in sie gesetzte Vertrauen nicht getrübt wird

– sich die Zahlungswilligen oft nicht wiederfinden in den unzähligen Koch- und Talkshows sowie zahlreichen Wiederholungen und dennoch keinen Einfluss auf die Programmgestaltung ausüben können.

Mit der 1. Auflage gab Wolfgang Schwab bereits Anstöße, die Änderungen nach sich zogen. Schon damals (ich stand ihm bei Recherchen und mit meiner Feder zur Seite) ärgerten mich zwei Haltungen:

a)      “Wegen der paar Kröten regt sich in Deutschland doch niemand auf!”* Zahlreich sind jene, die zähneknirschend ihren Obolus entrichteten, aber ansonsten mit Demokratie und Medien in Ruhe gelassen werden wollen und somit die Brisanz des Themas ignorieren.

b)      Mangelnde Bereitschaft zur Transparenz bei Machern bzw. Verantwortlichen. Erst Jahre später durften wir die Höhe von Intendantengehältern erfahren, obwohl wir die ja finanzieren (während die Besoldung von Kanzler, Minister etc. seit jeher nachgeschlagen werden kann). Doch wie hoch sind die Aufwandsentschädigungen für die zahlreichen Rundfunk- und Fernsehräte? Und in welcher Weise vertreten sie die Interessen der Nutzer? Dazu sind sie nämlich von gesellschaftlich relevanten Gruppierungen in diese Gremien entsandt. Abgesehen davon, dass längst neu definiert werden müsste, was heutzutage als „gesellschaftlich relevant“ einzustufen ist, bleibt der Öffentlichkeit verborgen, was in diesen Gremien beraten und beschlossen wird.

In diesem Thema steckt noch viel, das der gründlichen Aufarbeitung bedarf. Doch zunächst geht Schwabs zweite erweiterte Auflage auf die Haushaltabgabe ein, die ab 1.1.2013 jeden trifft. Ist sie gerecht oder ungerecht? Wo sind Nachbesserungen geboten? Wo muss dem gesamten gebührenfinanzierten System konsequenter auf die Finger geschaut werden? Was sind seine Kernaufgaben?

Mehr Einnahmen als mit der seitherigen Regelung sind prognostiziert, ein weiterer Verlust an Kreativität, Vielfalt und Qualität des Programms ebenfalls. Das kann sich nur ändern, wenn eine Lobby gut informierter basisnaher Mediennutzer an Boden und Einfluss gewinnt. Das Buch – es enthält übrigens auch den Gesetzestext – könnte dazu beitragen.

Wolfgang Schwab / Dirk A. Leibfried. ARD / ZDF und UNSER Geld. Zweite erweiterte Auflage. edition winterwork, 12,95 €, ISBN 978-3-86468-257-5 (Gegen Rechnung direkt bestellbar bei WWoschwa@aol.com)
 
*… regt sich niemand” ist stimmiger, denn aufregen tun sich viele (wie über Benzin- oder Gaspreise), aber Konsequenzen ziehen – sprich handeln – ist unbequem und deshalb kein allseits eingefleischtes Handlungsmuster.
 

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