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Dez 08 2009

Vom grünen Eisbär und der Holschuld

Autor: . Abgelegt unter Allgemein/Politik,Alltag

Stellen Sie sich vor, Ihr Nachbar hat vor zwei Stunden einen grünen Eisbären mit Geweih gesehen. Keine 30 Meter von seinem Grundstück entfernt. Ihnen ist der Anblick entgangen, denn Sie waren zu diesem Zeitpunkt beim Einkaufen. Nun kommen Sie nach Hause, haben ihrem Nachbarn ein Kilo Äpfel mitgebracht und klingeln bei ihm.

Was geschieht? Es gibt mehrere Möglichkeiten. Entweder der Nachbar erzählt, was er gesehen hat oder er schweigt. Wenn er schweigt, würden Sie dann fragen: „Hast Du heute einen grünen Eisbären gesehen?“ Nein! Wie kämen Sie darauf, dass so etwas Außergewöhnliches vorgefallen sein könnte? Sollte der Gesichtsausdruck des Nachbarn vermuten lassen, dass etwas Ungewöhnliches geschehen ist, würden Sie allenfalls fragen: „Wie war Dein Tag? Ist was passiert?“

Die Nachrichtensprecherin im Fernsehen weiß immer mehr, als sie sagt, Zeitungsmacher müssen ebenfalls eine Nachrichtenauswahl treffen. Was in der Sendung oder in der Zeitung nicht unterkommt, danach fragt schließlich auch kaum ein/e Mediennutzer/in. Redaktionen sind Gatekeeper. Nur sie können im Auge behalten, was nicht an die Öffentlichkeit gelangt und ggf. nachhaken, was daraus geworden ist.

In diesem Sinne haben Medien eine Bringschuld. Die Holschuld des Bürgers besteht darin, sich die Informationen zugänglich zu machen, die auf dem Markt kursieren. Also die Zeitung zu kaufen oder das Radio bzw. den Fernseher einzuschalten.

Neuerdings wächst die Holschuld. Es gibt kaum mehr einen Beitrag im Radio oder im Fernsehen, der nicht aufs Internet verweist, wo weiter führende Informationen abrufbar sind. Printmedien machen es ebenso. Entlastet das die Redaktionen von dem Druck, eine Auswahl treffen zu müssen? Für ihre Bringschuld gibt es sozusagen ein „Schlupfloch“: Wer mehr erfahren möchte, kann sich ja des Internets bedienen …

Wer ist in diesem System der “grüne Eisbär”. sprich die Außergewöhnlichkeit schlechthin? Richtig: der Mensch ohne Internetzugang. Ja, es gibt ihn! Hoffentlich behalten die Medienschaffenden diese Spezies im Auge! Beispielsweise jene, die sich im vorgerückten Alter an keinen PC mehr gewöhnen möchten. Oder jene, die schlicht die Kosten für die Nutzungsgebühren nicht aufbringen können. Sie alle werden ausgespart, wenn es um die schnell dahin gesagte Verfügbarkeit des großen Informationenpakets im WWW geht, das die Massenmedien als Fundgrube anpreisen.

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