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Jun 07 2011

Bin ich zu weit gegangen?

Autor: . Abgelegt unter Alltag

Sprach-Schnitzer im Alltag und andere Kostbarkeiten

Es muss wohl bei einem Besuch in Dresden gewesen sein, denn deutsch-deutsche Telefonverbindungen gab es Anfang der 80er Jahre für Privatleute so gut wie nicht. Meine Tante erzählte gewitzt Ungereimtheiten und Fallstricke aus dem DDR-Alltag. Kürzlich war sie beim Betreten eines Rasenstücks erwischt worden. Ein Vopo (Volkspolizist) hatte sie gestellt: „Bürger, kommen Sie sofort zurück!“ Mangels Schild „betreten verboten“ war sie sich zwar keiner Schuld gewusst, aber offensichtlich für die Obrigkeit zu weit gegangen.

Daran erinnerte mich eine Kritik, die ich 2007 am Telefon erntete. „Ich rufe Dich zurück“, hatte ich zum anderen Ende gesagt. Schlagfertig erwiderte mein Gesprächpartner: „Wieso? Bin ich denn zu weit gegangen?“ Wir einigten uns darauf, dass ich nicht ihn zurück rufe, sondern lediglich „zurück rufe“. Ich versuche da nun schon mehrere Jahre einzuhalten, gebe aber zu, dass diese Sprachdisziplin schwer ist. Denn die Gepflogenheit, JEMANDEN zurückzurufen, hat sich tief eingefräst. Sie tönt von zig Anrufbeantwortern und wurde auch schriftlich schon mannigfach verfestigt.

Obwohl so viele Ambitionierte Wohl und Wehe der Sprache hätscheln, bleibt manche Alltagsredewendung davon unbehelligt. Eine schmerzende Einsicht. Gegen diese Kritikresistenz lässt sich keine Sprachbereinigung durchführen. Womit wir beim nächsten Sprachschnitzer wären: „durchführen“: Wir führen ein Zeltfest durch – warum feiern wir nicht einfach im Zelt? Wen schickt der Chef zum Kunden? „Die Arbeiten werden durch unseren Kundendienst-Techniker A. Möglichmann durchgeführt.“. Das geht einem doch durch und durch, oder nicht? Mein Kopfkino sieht den Techniker durchbohrt, ein schwarzes Loch verunziert seinen Leib. Achten Sie mal drauf, wie viele Leute mit „durch“ so ein Loch provozieren!

Am Ende versichert man sich gegenseitig: „Alles klar!“ Ist das heutzutage so unverzichtbar, weil man endlich reinen Tisch haben will? Wehe, jemand widerspricht, weil er ein Fragezeichen phantasiert hat, wo ein Ausrufungszeichen einen bekräftigenden Schlusspunkt setzt! Sympathisch soll er wirken dieser Schlusspunkt. Motto: Wir sind unkompliziert, alles ist easy (leicht), beehren Sie uns mit Ihren Unklarheiten bald wieder! Sollte unverhofft doch noch eine Frage auftauchen – kein Problem! Wäre ja noch schöner, wenn für unseren elastischen Denkapparat ein Problem ein Problem wäre. Alles klar?

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